Ökologisches Dorf Unterbach Das können angehende Bauherren vom Modellprojekt lernen

Wuppertal · Im nordrhein-westfälischen Unterbach macht ökologisches Bauen seit 1989, schon über 30 Jahre lang, Schule: Von der Vision, die umweltbewusste Aktivisten damals in die Tat umsetzten, können Bauherrn von heute profitieren.

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Foto: Ilham Fitrotul Hayat - Flaticon

Es gab zahlreiche Vorurteile, die den einstigen Bauherrn des Ökodorfs Unterbach in Düsseldorf damals entgegenschlugen. Kein Wunder, die Zeiten waren andere und das Thema Klimawandel noch lange nicht Bestandteil der täglichen Nachrichten. Jetzt aber, in der Ära von Greta Thunberg, Fridays-for-future-Demos und zahllosen anderen Aktionen, mit denen Klimaaktivisten auf die Gefährdung und Zerbrechlichkeit der Ökologie aufmerksam machen, hat sich der Wind gedreht.

Eine der unmittelbaren Folgen davon ist, dass ökologische Aspekte beim Bauen zunehmend vom Randthema zu einem der zentralen Ansätze werden. Dabei sind es nicht nur die Bauherren selbst, die ein Schwergewicht auf ökologisches Bauen legen. Auch die gesetzlichen Vorschriften, Genehmigungsverfahren oder die Voraussetzungen für die Nutzung von Förderprogrammen weisen in diese Richtung. Anders als vor 30 Jahren sind Öko-Siedlungen längst salonfähig geworden und dienen Bauherrn als Inspirationsquelle.

2019 hat die Ökosiedlung Unterbach einen von der Stadt Düsseldorf ausgelobten Umweltpreis gewonnen. Das war nicht der erste: Die Initiative erhielt auch den Förderpreis der Karl-Kübel-Stiftung. Ausgezeichnet wurde das Projekt nicht allein wegen seiner Grundidee, eine solche Ökosiedlung zu erschaffen, sondern auch, deshalb, weil die ökologisch ausgerichtete Bauweise kontinuierlich fortgeführt und wo immer möglich in weiteren Schritten optimiert wird – zum Beispiel bei der Installation von Sonnenkollektoren. Längst nicht in allen Fällen werden solche großen Baukooperationen wie hier entstehen. Dafür mangelt es nicht zuletzt an den Voraussetzungen. Häufig weisen Kommunen zum Beispiel gar keine Baugebiete aus, die sich dafür eignen würden. Trotzdem können künftige Bauherrn Ideen von solchen Ökosiedlungen übernehmen und  sich sogar zu Baukooperationen zusammentun – und das nicht nur beim Neubau. Auch Altbausanierungen etwa von Doppelhaushälften lassen sich umweltbewusster und nachhaltiger sanieren, wenn mehrere Parteien an einem Strang ziehen.

Hinter Unterbach und anderen Öko-Siedlungen, aber auch hinter der Gründung vieler Bürgerinitiativen in Hessen, steckt die Idee, nachhaltig und vor allem gemeinsam die vorhandenen Ressourcen zu nutzen. Gleichzeitig haben diese Projekte auch einen sozialen Charakter, denn in einem Öko-Dorf – so das Konzept – soll niemand allein sein. Hier geht es um eine bewusste Organisation des Miteinanders und eine gemeinsame Lebenseinstellung. Aber auch für Bauherren, die nicht in einer ökologisch geprägten Siedlung leben, bleiben trotzdem Einzelaspekte des Projekt in mehrerlei Hinsicht interessant: In Unterbach zum Beispiel, dort in der Grassiedlung, wo rund 30 Häuser stehen, können sich Häuslebauer mit eigenen Augen davon überzeugen, dass Grasdächer nicht nur toll aussehen, sondern auch tatsächlich funktionieren. Mit einem solchen Gründach ist die Dachbedeckung nicht nur nachhaltig, energieeffizient und klimafreundlich: Die Dämmwirkung zum Beispiel steht herkömmlichen Methoden zur Eindeckung des Hausdachs in nichts nach, und auch das Regenwasser wird deutlich besser abgeleitet. Gleichzeitig bietet ein Gründach einen natürlichen Lebensraum, und: es hält länger als Dachziegel oder Bitumen.

Fast ohne Beton

Nicht nur beim Dach – sondern auch bei allen anderen Komponenten wurde in Unterbach Wert auf die ausschließliche Verwendung von Naturmaterialien gelegt – ein Ziel, das die einstigen Bauherren fast erreichen konnten. Gerade Holz gilt bekanntlich als besonders naturfreundlicher Baustoff, wenn das Material aus zertifizierten Wäldern stammt. Beton zum Beispiel sucht man in der Grassiedlung so gut wie vergebens, stattdessen sind alle Außenwände der 30 Gebäude mit Holz verkleidet worden. Die Niedrigenergiehäuser selbst sind in Holzständerweise errichtet und mit Mineralwolle ökologisch gedämmt worden. Mittlerweile sind es auch andere Dämmmaterialien aus Naturstoffen, die seit einiger Zeit mehr und mehr in den Fokus rücken  – zum Beispiel Hanf, Schafwolle, Lehmputz oder Flachs und Stroh. Sie schneiden bei der Ökobilanz  laut einer Studie besser ab als Produkte, die auf mineralischer Basis (zum Beispiel Stein- oder Glaswolle) hergestellt werden. Am besten kommen in dieser Studie Holzfaser-Einblasdämmung sowie Hanf- und Jutematten weg. Der Grund ist klar: Die Stoffe sind nicht nur besonders umweltfreundlich hergestellt, sie verursachen auch bei ihrer Entsorgung keine nennenswerten Umweltbelastungen.

Holz und Sonne: Natürliche Ressourcen nutzen

In den vergangenen Jahren hat der Baustoff Holz einen deutlichen Anstieg erlebt. Waren es vor 30 Jahren nur wenige Häuser aus Holz, die in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern errichtet worden sind, erlebt der Baustoff derzeit eine ungeahnte Renaissance. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es viele gute Gründe gibt, warum Bauherrn und Architekten verstärkt auf Holz setzen – darunter Wirtschaftlichkeit und gute Materialeigenschaften, aber auch einen messbaren Einfluss auf das Wohnklima und die Wohngesundheit. 

Beheizt werden die Häuser über Fernwärme durch zwei zentrale Heizungsanlagen mit Brennwerttechnik, für die Bereitstellung von Warmwasser sorgen Sonnenkollektoren.

Umweltbewusste Maßnahmen, die Bauherrn mit grünem Bewusstsein auf Ideen bringen. In erster Linie sind es Photovoltaik-Anlagen, auf die beim Hausbau unter dem Stichwort energetisches Wohnen gesetzt wird: Der Dezember gilt laut Bundesnetzagentur als der zubaustärkste Monat für Photovoltaik des Jahres 2020. Der Brutto-Zubau in Deutschland aller Solaranlagen ist damit auf 4884,701 Megawatt gestiegen – das bedeutet eine Erhöhung um knapp ein Gigawatt im Vergleich zu 2019. Während Sonnenkollektoren die Energie der Sonne absorbieren und in Wärme umwandeln, wird über Photovoltaikanlagen elektrischer Strom produziert.

Gemeinsam an das Fernwärmenetz

Auch Fernwärme wie sie in Unterbach genutzt wird gehört in vielen Fällen zu besonders umweltschonenden Methoden des Heizens. Wie die Verbraucherzentrale mitteilt, hängt die Klimafreundlichkeit von verschiedenen Faktoren ab – zum Beispiel vom eingesetzten Energieträger, der Effizienz bei der Erzeugung und die Höhe der Leitungsverluste. Eine hohe Wärmeausbeute verspricht der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung oder auch die Nutzung von Abwärme, zum Beispiel durch Müllverbrennung.

Und: Fernwärme ist nur dort möglich, wo ein entsprechendes Netz vorhanden ist. Fernwärme eignet sich in erster Linie als ein Gemeinschaftsprojekt. Sie rechnet sich dann, wenn so viele Nutzer wie möglich an das Netz angeschlossen werden. Gerade in dicht besiedelten Neubaugebieten ist diese Art der Energieerzeugung deshalb besonders geeignet. Das ist auch dann der Fall, wenn es sich um ein Mischgebiet handelt und industrielle oder gewerbliche Betriebe über Fernwärme erreicht werden. Bei Bestandsbauten gibt es ebenfalls die Möglichkeit, die ausgediente Heizung gegen einen Anschluss an das Fernwärmenetz einzutauschen.

Grünes Grundstück

Die Unterbacher lassen das anfallende Regenwasser versickern. Gut für die Umwelt, insbesondere für das Mikroklima im eigenen Garten. Gleichzeitig leisten sie damit einen erheblichen Beitrag zum Gewässerschutz; hinzu kommen Einsparungen bei den Abwassergebühren. Auch für potenzielle Bauherrn interessant, denn in vielen Kommunen ist es mittlerweile verboten, Niederschlag in das öffentliche Kanalnetz abzuleiten.

Zur Versickerung im Garten eignen sich zum Beispiel Muldensysteme oder sogenannten Rigolen. Bei einem größeren Grundstück besteht auch die Möglichkeit, das Regenwasser in einen Sickerteich oder -schacht zu leiten. Das vielerorts geltende Verbot, Niederschläge in die öffentliche Kanalisation zu lenken, folgt den negativen Auswirkungen eine großflächige Versiegelung von Grundstücken: Zum einen ist die Kanalisation in solchen Fällen bei heftigen Niederschlägen stark belastet und kann die Mengen kaum noch ableiten. Oft kommt es deshalb zum Rückstau von Schmutzwasser. Zum anderen wird der Natur das Wasser entzogen, das für die Bildung ausreichender Grundwassermengen erforderlich ist. Wer ökologisch baut, versiegelt deshalb auch so wenig Flächen wie möglich und schafft damit gleichzeitig Flächen für den Artenschutz. Darüber hinaus kann die Nutzung von Regenwasser über eine entsprechende Regenwassernutzungsanlage auch in die Hausplanung integriert werden, zum Beispiel bei der Toilettenspülung.

Naturschutz im Garten

Dem Ansatz des nachhaltigen Bauens folgend gehört auch ein Komposthaufen auf dem Grundstück zu einer ökologischen Planung. In Unterbach wird die damit mögliche Abfalltrennung konsequent umgesetzt. Dabei können sich Bauherrn durchaus auch mit den Nachbarn zusammentun und gemeinsam ein Eckchen auf der Grundstücksgrenze für die Entsorgung von kompostierbaren Materialien nutzen. Darüber hinaus: Wer den Garten möglichst naturnah gestaltet, trägt einen weiteren Teil zum Umweltschutz bei. In Zeiten des Klimawandels und des Artensterbens schaffen Bauherrn damit größere und zusätzliche Lebensräume für Flora und Fauna. Dabei sollten sie besonders die immer schwieriger werdenden Lebensbedingungen für die Bienen im Blick behalten und auf dem Grundstück möglichst große Flächen für bienenfreundlichen Pflanzen reservieren.