Bergische Uni Wo Geographie greifbar wird
Wuppertal · Mit den „Bergischen Transfergeschichten“ zeigt die Bergische Universität beispielhaft, wie sich Forscherinnen und Forscher mit ihrer Arbeit in die Region einbringen, mit anderen Partnern vernetzen und die Gesellschaft so aktiv mitgestalten. Professor Dr. Britta Stumpe leitet in Wuppertal den Arbeitsbereich allgemeine Geographie/Mensch-Umwelt-System.
„Nahezu alle Konflikte auf der Erde haben geographische Ursachen“, sagt Karl Walter Hoffmann, Vorsitzender des Vorstandes Deutscher Schulgeographen in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er macht damit deutlich, wie wichtig dieses, in deutschen Stundenplänen immer mehr verdrängte Fach ist.
An der Bergischen Universität gibt es seit 2015 am Institut für Geographie und Sachunterricht den Arbeitsbereich Allgemeine Geographie/Mensch-Umwelt-System, den die engagierte Wissenschaftlerin Britta Stumpe leitet. „Es gibt die Humangeographie und es gibt die Physische Geographie. Beide Disziplinen beschäftigen sich grundsätzlich damit, den Raum zu erklären“, sagt die Forscherin einleitend. Sie definiert: „Ich arbeite physisch geographisch. Das heißt, wir beobachten und beschreiben Landschaftsräume klimatologisch, geomorphologisch, aus vegetationskundlicher Sicht, hydrologisch und aus Sicht des Bodens. Wie sind diese Kompartimente (homogene Bereiche in der Umwelt; Anm. d. Red.) im Raum verteilt und welche Prozesse lassen sich beschreiben?“ Im Zusammenspiel der Human- und Physischen Geographie schaue man sich das Tun der Menschen und die direkten Auswirkungen auf die Räume an. Stumpe stellt konkrete Fragen wie: Wenn Menschen etwas tun, was bedeutet das für den Boden, das Klima, die Vegetation?
Um zu verstehen, wie Menschen „den Raum“ wahrnehmen, hat die Wissenschaftlerin während ihres Studiums u. a. das Fach Umweltpsychologie belegt. Darin geht es beispielsweise um das Empfinden von Geräuschen und Lärm, oder das Empfinden für das Element Wasser. „Man macht das häufig, um stadtplanerisch zu arbeiten. Wasser wird oft als etwas Entspannendes wahrgenommen und man versucht das entsprechend städtebaulich zu nutzen“, erklärt sie. Sie selbst hat sich in diesem Bereich mit kognitiven Karten beschäftigt, die jeder in seiner eigenen Lebenswelt individuell erstelle. Die Umweltpsychologinnen und psychologen wollen in diesen Fällen erfahren, warum jeder Mensch seine Umwelt so anders wahrnimmt.
Löschschaum und seine noch unbekannten Folgen
Die gebürtige Bottropperin hat während ihrer Promotionszeit intensiv zum Thema Böden geforscht. In ihrem Arbeitsbereich an der Uni Wuppertal beschäftigt sich die Wissenschaftlerin heute intensiv mit der Präsenz von Schadstoffen in terrestrischen und aquatischen Ökosystemen. Es gibt viele Giftstoffe, die wir nicht mehr loswerden und die die Umwelt belasten. So pauschal will Stumpe dies aber nicht stehen lassen: „Grundsätzlich muss man sagen, es gibt anorganische und organische Schadstoffe. Die anorganischen Schadstoffe, das sind die Schwermetalle. Das ist eine Handvoll, die kennt man und die sind auch gut charakterisiert. Aber die organischen Schadstoffe, das ist eine Schadstoffgruppe von zigtausenden Verbindungen ganz unterschiedlicher Art und Weise.“ Immer wieder werden Pestizide wie DDT oder Atrazin, die sich beispielsweise als krebserregend ausweisen, vom Markt genommen.
In Wuppertal beschäftigt sich das Team um die Erdkundlerin augenblicklich mit polyfluorierenden Tensiden, also Giftstoffen, die durch Löschschaum in die Umwelt gelangen. „Das war lange Zeit nicht als Problem bekannt. Das sind Tenside, die im Feuerlöschschaum enthalten sind. Man hat damit flächig Feuer gelöscht. Seit etwa fünf Jahren ist man sich des Problems bewusst und versucht nachzuvollziehen, wo räumlich belastete Flächen auftreten. Bei dieser speziellen Schadstoffgruppe ist das Problem, das es sich um eine fluorierte Schadstoffgruppe handelt, deren Verdingung nicht mikrobiell abbaubar und deren Verhalten bisher noch unvorhersehbar ist.“ Und das sei eben nur eine Schadstoffgruppe, die neben vielen anderen ein großes Schadenspotenzial böte.
Gefahren für Nahrungsgrundlage minimieren
In Stumpes Forschungen geht es immer wieder primär um die Bodenbelastungen in Bezug auf den Menschen. „Der Boden ist ein Speichermedium oder auch ein Transfermedium“, erläutert sie. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Frage nach den Wirkungen auf den Menschen nach dem Verzehr von Pflanzen, die auf diesen Böden angebaut werden. „Es gibt da ganz unterschiedliche Maßnahmen. Wenn man zum Beispiel eine Belastung durch Schwermetall hat, die leicht pflanzengängig ist, würde man spezielle Anbaumaßnahmen empfehlen. Oder man würde spezielle Sorbenten dem Boden zusetzen, die dann diese Schadstoffe besonders gut binden, um sie weniger pflanzenverfügbar zu machen.“
Im Gegensatz dazu seien organische Schadstoffe prinzipiell abbaubar, so dass man dem Boden zusätzliche Stoffe verabreichen könne, um diesen Abbau zu stärken. „Wenn die Gefahr letztendlich zu groß ist, muss im schlimmsten Fall der Boden ausgekoffert werden.“ Stumpe arbeitet hier auch mit dem LANUV, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, zusammen. „Wir beschäftigen uns im Sinne der Grundlagenforschung mit den Grundmechanismen der Schadstoffe in den Böden. Das LANUV arbeitet praxisorientiert beispielsweise an entsprechenden Sanierungsmaßnahmen.“
Regenwasserbewirtschaftung in der Lehre
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt sind Techniken und Strategien der Regenwasserbewirtschaftung zur Anpassung an den globalen Klimawandel. Damit ist Wasser also keine Endlosressource. „Die Regenwasserbewirtschaftung behandle ich hauptsächlich in der Lehre, weil das ein ganz greifbares Thema ist. Da geht es um Wassermanagement, was im Zuge des Klimawandels immer wichtiger wird“, denn man wisse heute, dass die Extremwetterereignisse zunehmen werden und zwar sowohl in Form von extremen Niederschlägen und Hochwassersituationen als auch durch Dürrezeiten. Man versuche mit einem Regenwassermanagement Niederschlagsspitzen abzupuffern. Das geschehe beispielsweise durch Gründächer oder Regenversickerungsanlagen, berichtet die Forscherin. „Die Studierenden sollen dann häufig hier für die BUW ein Regenbewirtschaftungskonzept planen und berechnen, um die Grundprinzipien des Regenwassermanagements anschaulich verstehen zu lernen.“ Beim Thema Dürre geht es andersherum um die Frage, wie man genügend Feuchtigkeit in die Städte bekommt. Wo macht eine Zwischenspeicherung in der Stadt Sinn, so dass eine Verdunstung Abkühlung bringt?
Vernetzungen und Exkursion nach Island
Das interdisziplinäre Arbeiten und die Vernetzung mit anderen Partnern hat bereits erfolgreich begonnen. Stumpe fördert Zusammenarbeiten hochschulintern mit dem Lehr- und Forschungsgebiet Boden- und Grundwassermanagement – Prof. Dr. Jörg Rinklebe ist international für seine Forschung an Auenböden bekannt –, ministeriell durch Kooperationen mit dem LANUV und auch stadtweit mit der Junior-Uni, dem Wupperverband oder der Station Natur und Umwelt.
Im Bereich der Exkursionen, die Pflichtteil der Studienordnung sind, bietet das Fach in diesem Jahr ein besonderes Highlight an: Eine Gruppe von 20 Studierenden reist nach Island. Im Rahmen des Moduls „Regionale Geographie“ betrachten sie dort ein Raumbeispiel aus verschiedenen Blickwinkeln der Geographie. Die Hauptstadt Reykjavik wird unter der Prämisse betrachtet, welche Bedeutung die Region aus wirtschaftlicher und touristischer Sicht hat, aber auch naturräumliche Gegebenheiten, wie die landestypischen Vulkane und Geysire stehen im Fokus.
GeoIT: Besondere Laborlandschaft
Für Schülerinnen und Schüler ab der achten Klasse läuft seit rund einem Jahr ein durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördertes Schülerlabor, ein EU-Projekt mit Alleinstellungsmerkmal: „Wir arbeiten mit Drohnen und versuchen die Welt aus der Vogelperspektive für die Schülerinnen und Schüler greifbar zu machen“, so Stumpe. In drei unterschiedlichen Modulen – „Wärmeinsel Stadt“, „Smart Farming“ und „Erneuerbare Energien“ – erkunden die Schülerinnen und Schüler dabei mit verschiedenen Kamerasystemen ihre Umwelt.