Gastronomie Abschied einer Gastro-Legende
Wuppertal · Am 21. Dezember öffnet Jette Müller zum letzten Mal die Türen des Ottenbrucher Bahnhofs an der Nordbahntrasse. Mit ihr verschwindet eine wahre Gastronomie-Größe aus der Wuppertaler Kneipen-Szene — und ein ganzes Stück Wuppertaler Geschichte.
"Ich glaube, wir haben die Wuppertaler Kneipengeschichte hier mitgeschrieben", sagt Jette Müller bescheiden über sich und ihren Ex-Mann Klaus Müller, besser bekannt als "Fongie", der zuletzt das "KMB" in der Obergrünewalder Straße betrieb.
Angefangen hat alles vor 48 Jahren mit dem Jazz-Club in der Adersstraße. Sechs Jahre lang betrieben beide den Club. "Als wir uns dann getrennt haben, wollte ich erstmal raus aus der Gastronomie — und bin dann mit dem ,Fundus' kurze Zeit später doch wieder reingeschlittert", erzählt Jette Müller. Nach zehn Jahren im Fundus in der Luisenstraße, in den Räumen der heutigen "Minibar", landete sie schließlich 1991 im Ottenbrucher Bahnhof. "Das war Zufall", sagt Müller. "Die ehemaligen Betreiber wollten raus, und ich hatte Lust auf Veränderung."
Als Müller vor 26 Jahren gastronomisch und auch privat in den Ottenbrucher Bahnhof zog, fuhren noch Züge über die Nordbahntrasse. In ihrem Pachtvertrag stand, dass sie als Bahnhofsgastronomie nur an Reisende ausschenken dürfe. "Es kamen am Tag aber nur zwei Züge mit einem einzigen Fahrgast vorbei, der sofort nach Hause ging", erinnert sie sich. Ein paar Jahre später war es damit dann auch vorbei. Nur vereinzelt verirrten sich noch Reisende mit Koffern auf den Bahnsteig. "Da musste ich dann immer raus und ihnen sagen, dass hier leider kein Zug mehr fährt."
Aber nicht als Ort für gestrandete Reisende, sondern in erster Linie als Ort für Musik und Kunst machte sich der Ottenbrucher Bahnhof durch Jette Müller mit der Zeit einen Namen. "Ganz am Anfang habe ich hier noch Veranstaltungen zusammen mit der Jazz-AG organisiert. Über den Jazz-Club kannte ich ja die ganzen Musiker wie Brötzmann und Kowald, und Wuppertal war Hochburg des Free-Jazz", erzählt sie. Mit der Zeit gab sie die Organisation der Konzerte an Klaus Gronemeyer ab, der bis heute den Schwerpunkt mehr auf Blues als auf Jazz legt. Das letzte Konzert im Ottenbrucher Bahnhof findet am 16. Dezember mit "JINX" und "Special Offer" statt. "Die waren die ganzen Jahre über immer wieder hier und haben hier sogar eine CD aufgenommen."
Trotz ihrer tollen Stammgäste möchte die Gastronomin nicht weitermachen. "Ich bin jetzt 68 Jahre alt, und mir wird das einfach zu viel", sagt sie mit Nachdruck. Obwohl der Ottenbrucher Bahnhof erst abends öffnet, ist Müller täglich bereits ab mittags auf den Beinen, am Wochenende oft zwölf Stunden am Stück. Wie es sich für sie anfühlen wird, am 21. Dezember das letzte Mal auszuschenken, kann sie noch nicht sagen. "Das weiß ich, glaube ich, erst, wenn es soweit ist", sagt sie. Ausgezogen aus dem alten Bahnhof ist sie bereits, in eine kleinere Wohnung auf dem Ölberg. "Das war die erste Umstellung. Meine Wohnung hier war viel größer. Früher haben die Musiker immer noch bei mir übernachtet", sagt sie.
Zwischen Weihnachten und Neujahr soll das Inventar des Bahnhofs vertrödelt werden. "Dann findet hier ein großer Flohmarkt statt. Der neue Pächter möchte die Möbel nicht übernehmen." Bereits jetzt kann im Nebenzimmer die ein oder andere Suppenschüssel mitgenommen werden. Die Bierbänke der Außengastronomie hat Jette Müller bereits der Kinder- und Jugendfarm gespendet. Sie selbst hat bisher nur einen alten Tisch aus Schweden mit in ihre neue Wohnung genommen. "Das war ein Erinnerungsstück an die Jahre, in denen ich als Kind in Schweden aufgewachsen bin", sagt sie und erzählt, dass sie in dem Land sozusagen eine zweite Familie hat. "Die werde ich auch besuchen, wenn das hier vorbei ist, und vielleicht fliege ich noch nach Mexico zu einem Freund."
Konkrete Pläne für die Zeit nach dem Ottenbrucher Bahnhof hat Jette Müller noch nicht. Fest steht aber: "Ich werde in der Gastro weitermachen, vielleicht als Aushilfe, mal sehen." Einige Kollegen hätten schon bei ihr schon angefragt.