Leserbrief Generationengerechtigkeit sieht deutlich anders aus
Betr.: Kommentar von Roderich Trapp zum Vorschlag einer sozialen Pflichtzeit
Prinzipiell will ich der Meinung von Herrn Trapp bezüglich des Erfahrungs-Mehrwerts eines sozialen Engagements von jungen Menschen nicht widersprechen bzw. kann diesen aus eigener positiver Erfahrung mit meinen Kindern bestätigen.
Auch im Diskurs über gesellschaftliche (dann aber bitte generationsübergreifende) Pflichten kann ich ihm (zumindest ein Stück weit) folgen, soweit die geleistete Arbeit angemessen entgolten wird.
Der (rückwärtsgewandte) Blick auf die "80er" und die damit einhergehende (meinerseits interpretierte) Sicht, nach dem Motto „... mussten wir damals auch und hat uns nicht geschadet ...“, verkennen meines Erachtens aber ein wenig, dass sich die Verhältnisse und Lebensumstände innerhalb von 40 Jahren doch sehr zu Ungunsten junger Menschen verändert haben, was letztendlich auf die davor liegenden Generationen zurückgeht. Wer da heute meint oder glaubt, dass es „jungen Menschen so gut wie nie“ geht, hat sich mit deren Realität wahrscheinlich nicht sonderlich befasst.
Da die Gesamtheit immer mehr als die Summe ihrer Einzelteile ist, haben eben „wir“ doch die heute bestehenden Not- und Schiefstände in den relevanten Lebensbereichen selbst zu verantworten (und komme mir bitte jetzt niemand damit, dass „die Politik“ an allem schuld sei) und geben sie unseren Kindern als Erblast mit auf den Weg.
Die Idee, über den Weg einer Pflichtzeit für junge Erwachsene diese Defizite jetzt (teilweise) zu kompensieren. ist ja aus praktischer Gemeinwohlsicht durchaus nachvollziehbar. Ich fürchte nur, dass eben diese Menschen alleine schon sehr bald sehr, sehr viel damit zu tun haben werden, die Hinterlassenschaften (welch treffendes Wort in diesem Zusammenhang!), insbesondere ökologischer und sozialer Art, ihrer Boomer-(Groß-)Eltern zu beseitigen, um sich selbst noch eine Lebensgrundlage und -perspektive zu sichern.
Eine viel diskutierte Generationengerechtigkeit sieht aus meiner Sicht doch deutlich anders aus. Mir will in diesem Kontext das Bild eines Mannes, der mit seinem Kind vor seinem Schrottplatz steht und gönnerhaft sagt „Eines Tages wird all das dir gehören“, nicht aus dem Kopf gehen.
Ich würde daher vielmehr vorschlagen, unseren „jungen Erwachsenen“ ein (gutes!) Angebot zu machen und sie (freundlich!) darum zu bitten, uns bei der Berichtigung unserer Fehler (soweit noch möglich) zu unterstützen. Ansonsten bekommt der Begriff „Humankapital“ aus meiner Sicht eine ebenso archaische, wie sarkastische neue Deutungsvariante.
Roland Gusek