Interview mit Wolfgang Niedecken Wer holte BAP 1980 nach Wuppertal?

Wuppertal / Köln · Wolfgang Niedecken wird am Dienstag (30. März 2021) 70. Ein großartiger Anlass für eine Jubiläumstournee. Doch die wird wegen Corona auf nächstes Jahr verschoben. Vor hoffentlich dann wieder vollen Rängen. Zum Beispiel in der Historischen Stadthalle auf dem Johannisberg, wo er mit BAP Ende 2022 auftritt. Hendrik Walder sprach mit dem kölschen Rock-Urgestein am Telefon – auch über ein noch ungelöstes Rätsel aus den Anfangstagen der Band.

Wolfgang Niedecken (vorne) mit der aktuellen BAP-Besetzung, die sich nächstes Jahr im Rahmen der Tour 2022 auf den Weg vom Kölner Dom nach Wuppertal machen wird.

Foto: Tina Niedecken

Ich hatte BAP-Gründer Niedecken schon einmal interviewt. 2008 war das, mittags, am Rheinufer vor dem Konzertschiff des österreichischen Mundart-Rockers Hubert von Goisern. „Stimmt“, sagt Niedecken, „tolles Konzert damals. Das war die Zeit, als ,Pandora’ gerade herauskam.“

Vermutlich hatte ich auch damals das Gespräch mit dem ersten BAP-Konzert außerhalb Kölns begonnen: Denn es fand 1980 in Wuppertal statt. „Genau, wir hatten da einen frühen Fan in Wuppertal, der uns für einen Gig im Jugendzentrum verpflichtet hatte. Und weil er unser erstes Album wohl rauf und runter gespielt hatte, sangen die im Publikum die ganzen kölschen Lieder textfest mit“, erinnert sich Niedecken mit hörbarem Spaß. Er wollte immer schon mal rausfinden, wer das damals war. Gut, sage ich, wir fragen die Leserinnen und Leser, die damals dabei waren, ob sie sachdienliche Hinweise oder andere Erinnerungen liefern können (bitte an redaktion@wuppertaler-rundschau.de).

Schließlich hat BAP ein treues Publikum im Tal. Das immer mit ausufernden Konzerten belohnt wird. Unvergessen die „Marmor, Stein und Eisen bricht“-Zugaben, wenn nach über drei Stunden fast alles eigene Material gespielt war. „Klar“, bestätigt Niedecken, „wir haben in den 80ern gerne am Ende rumgeblödelt, dann wurde sogar ,Wähle 333 auf dem Telefon‘ von Graham Bonney gespielt.“

Bevor wir weiter in Erinnerungen schwelgen, müssen wir uns jetzt aber der Gegenwart stellen. 70 wird Niedecken in diesen Tagen. So hört er sich nicht an, und so wirkt er auch nicht. Hat er denn noch vor Augen, wie er seinen Opa mit 70 erlebt hat? „Leider nicht, beide Großväter waren in dem Alter schon tot. Wobei der eine im gleichen Krankenhaus starb, in dem ich eine Woche später geboren wurde.“ Und in dem 2020 Niedeckens ebenfalls dort geborene älteste Tochter auch ihr erstes Kind bekam. „Ja, ich bin jetzt selbst schon zweifacher Großvater. Das ist natürlich großartig – aber als ich die jungen Eltern mit dem kleinen Bündel sah, lief für mich ein Daumenkino mit dem eigenen Leben ab. Es wurde mir bewusster, dass ich selbst jetzt wohl nicht mehr so ganz viele Jahre haben werde. Anders als mit 60 beschäftigt einen dann gelegentlich das Lebensende“.

Zumal mit der Erfahrung eines schweren Schlaganfalls, den er 2012 erlitt, glücklicherweise aber gut überstanden hat. „Es ist wichtig, sich nicht zu übernehmen“, hat er die nötigen Lehren gezogen. „Ich bin demütiger geworden, lebe bewusster und nehme nicht mehr alles als selbstverständlich hin.“

Eine Einstellung, die in der Corona-Zeit vielleicht ebenso wertvoll wie Disziplin ist. Wäre er heute 50 Jahre jünger, so unbekümmert, wild und lebenshungrig wie damals – würde er die geltenden Maßnahmen befolgen? Kurzes Nachdenken, dann: „Es entspricht vielleicht nicht meinem Image, aber ich glaube doch, dass ich vernünftig wäre. Obwohl ich mich gut in die Lage der Jugendlichen von heute versetzen kann – mitten im Balz-Alter diese monatelangen Einschränkungen, die man früher kaum ein Wochenende durchhielt. Das ist hart ...“

Hart ist die Situation momentan auch für Bands, die nicht den Bekanntheitsgrad von BAP haben. „Das stimmt, die haben es schon ohne Lockdown schwer genug. Wir dürfen ja noch richtige Alben aufnehmen, da sind wir regelrecht privilegiert. Doch viele bekommen nur noch die Chance für einen einzigen Song, allenfalls eine EP. Und wenn die nicht einschlägt, wird’s problematisch.“ Besser laufe es allenfalls für Rapper mit heftigem Vokabular, denen die Kids auskömmliche Klicks in den einschlägigen Kanälen bescheren.

Apropos, wie sieht es denn bei BAP mit dem Fan-Nachwuchs aus? „Es gibt durchaus junge Gesichter im Publikum, aber das ist natürlich nicht die Mehrheit.“ Liegt es auch an der Mundart, die viele nicht mehr verstehen? „Das mag sein, meine beiden Söhne sind Mitte 30, die können noch kölsch, aber wenn meine zehn Jahre jüngeren Töchter es probieren, klingt das schon eher süß. Die Dialekte sterben immer mehr aus“, bedauert Niedecken, doch für ihn bedeutet die kölsche ,Sproch’ immer ein Stück Heimatgefühl – das viele auch in Wuppertal gut verstehen.