Oper Wuppertal: Händels „Julius Caesar“ Gekürzt und zerrissen: Machtkampf im Malersaal

Wuppertal · Out of Opernhaus – und verdammt nah am Volkshochschulkurs: Die Premiere von Händels „Julius Caesar“.

Viel Zeit für erotische Eskapaden bleibt Caesar (Yosemeh Adjei) und Cleopatra (Ralitsa Ralinova) in dieser Aufführung nicht, denn die Musik dazu ist weitgehend gestrichen. 

Foto: Bettina Stöß

Erst die Pandemie, dann das Hochwasser – die Zeiten sind gerade nicht gut für die Wuppertaler Bühnen. Weil das Opernhaus nach den Wasserschäden nicht bespielbar ist, hat Intendant Berthold Schneider Händels „Julius Caesar“ in die Werkstätten auf dem Riedel-Gelände an der Uellendahler Straße (wo neulich schon „Moby Dick“ gespielt wurde) verlegt.

Im großen Malersaal sitzt das Publikum, verteilt auf vier Ecken, um die Spielfläche herum, die aus allerlei Podesten besteht (Raum: Julica Schwenckhagen). Etwas unbeholfen nennt sich die Veranstaltung eine „Konzertinstallation“, wobei die szenische Einrichtung (Karin Kotzbauer-Bode) durchaus die Bezeichnung „Inszenierung“ verdient.

Eine Frau und zwei Männer liefern sich ein Triell um die Macht – sage da noch einer, Oper sei nicht mehr aktuell. Wir sind in der Schlussphase des römischen Bürgerkriegs, Caesar verfolgt seinen geschlagenen Widersacher Pompejus nach Ägypten, der dort aber kurzerhand von Ptolomäus ermordet wird. Der nämlich möchte mit Caesars Gunst ebenso den ägyptischen Thron für sich sichern – dasselbe will aber auch seine legendär schöne Schwester Cleopatra. Und weil mit Cornelia, der Witwe des Pompejus, noch eine ausgesprochen attraktive Frau vor Ort ist, sind alle Opernzutaten für ein publikumswirksames Spiel um Macht und Liebe gegeben.

Georg Friedrich Händel hat eine wunderbare Musik dazu geschrieben, eine Arie schöner als die andere, insgesamt fast drei Stunden Musik – von der hier leider nur etwa die Hälfte zu hören ist.

Dabei wird toll gesungen. Countertenor Yosemeh Adjei imponiert als agiler, koloratursicherer Caesar, und auch Gegenspieler Ptolemeus wird von einer hohen Männerstimme gesungen – Etienne Walch aus dem Opernstudio macht das sehr ordentlich. Sebastian Campione ist ein stimmgewaltiger Handlanger Achilla, Joslyn Rechter trotz Indisposition eine eindrucksvoll leidende Witwe Cornelia. Iris Marie Sojer schwankt als deren Sohn Sesto mit intensiv leuchtendem Sopran zwischen Wut und Trauer.

Die Krone aber gebührt Ralitsa Ralinova in der Partie der Cleopatra, mit enormer Energie und luxuriös strahlender Stimme.

Unter dem gestenreichen Dirigat von Clemens Flick, ein Hingucker für sich, spielt das Sinfonieorchester ganz ausgezeichnet und unter Hochspannung. In den langsamen Arien allerdings dürfte die Musik für meinen Geschmack ruhiger ausschwingen. Es wird schließlich auch viel geweint und getrauert in dieser Oper.

Szenisch steckt Karin Kotzbauer-Bode die Darsteller in moderne Kostüme (Sarah Prinz) und gibt ihnen zwischendurch auch mal Maschinenpistolen in die Hand – Machtkampf ist ein zeitloses Thema, da ist das nicht falsch. Originell allerdings auch nicht.

Bei Cleopatras Kostüm auf die Oberweite zu fokussieren, gehört freilich zu den eher schlichten Ideen, um es freundlich zu formulieren.

Und das Finale abzuändern und, historisch unkorrekt wie auch entgegen Händels Absichten, mit Caesars Tod enden zu lassen, lässt die Oper ohne vernünftigen Schluss im dramaturgischen Nirgendwo enden.

Aber die Komposition wird nicht nur durch die Kürzungen arg zerzaust, sondern auch durch drei lange Lesungen zerrissen, wobei in jeder Aufführung ein anderer prominenter Rezitator auf der Bühne sitzt.

In der Premiere war das Philippine Pachl, die von 2014 bis 2019 Ensemblemitglied am Wuppertaler Schauspiel gewesen ist.

Sie hätte vermutlich lieber Unterhaltsameres gelesen als Auszüge aus Niccoló Macchiavellis staatsphilosophischem Hauptwerk „Der Fürst“ von 1513. Sehr erfolgreich war ihr Versuch nicht, dem Text erzählerische Momente abzugewinnen.

Die eindimensionale Regie mit einem bedeutsamen, in dieser Form aber ermüdenden philosophischen Werk zu untermauern, rückt die Produktion in die Nähe eines Volkshochschulkurses zum Thema Staat und Macht.

Den meisten Opernliebhabern wäre eine konzertante Aufführung einer vollständigeren Fassung da wohl lieber gewesen.