Krisenstab der Stadt Wuppertal Steigende Corona-Infektionszahlen erfordern Maßnahmen-Paket
Wuppertal · Eklatante Fallzahlsteigerungen um 40 Prozent, ein Inzidenzwert, der in einer Woche von 93 auf über 141 geschossen ist, und eine zunehmende Belegung von Krankenhausbetten: Die steigenden Corona-Infektionszahlen erfordern nach Ansicht des Wuppertaler Krisenstabs ein Maßnahmen-Paket. Das Gremium hat eins verabschiedet.
In seiner Sitzung am Mittwoch (17. März 2021) hat der Krisenstab der Stadt ein Maßnahmen-Paket verabschiedet, das nun mit dem Land abgestimmt werden muss. Einschneidendste Forderung ist eine umgehende Schließung der Schulen für den Präsenzunterricht, um bis zu einem Neustart nach den Osterferien eine verlässlich funktionierende Test- und Impf-Strategie umzusetzen.
Beschlossen wurde außerdem die konsequente Ablehnung aller Öffnungsanträge aus Wirtschaft, Kultur, Sport und allen sonstigen Bereichen. Hierunter fallen auch die vom Land beschlossenen Öffnungen für die Altenheime. Kurzfristig sollen Selbsttests für die Kitas und priorisierte Teile der Stadtverwaltung für mehr Sicherheit sorgen. Weiterhin sollen Eltern von Kita-Kindern, wo immer möglich, diese zu Hause betreuen.
Der Krisenstab hat seinen Tagungsrhythmus wegen der Lage auf 48 Stunden verkürzt, so dass bereits am Freitag (19. März) bei weiter steigenden Zahlen über deutlich weitreichendere Schritte entschieden werden könnte. Im schlimmsten Fall steht die Rücknahme aller Lockerungen im Raum.
OB Schneidewind: „Müssen als Stadt extremen Vertrauensverlust auffangen“
Oberbürgermeister Uwe Schneidewind: „Das Allerwichtigste ist jetzt, dass wir alles tun, um den extremen Vertrauensverlust aufzufangen, der durch die Aussetzung der Astra-Impfungen und die so kontrovers geführten Diskussionen um Distanzunterricht entstanden sind. Solange es in den Schulen nicht mehr Sicherheit durch umfassende Schnelltests und eine abgeschlossene Impfung der Lehrkräfte gibt, wirkt Präsenzunterricht aus unserer Perspektive vor Ort ganz klar als Infektionsbeschleuniger, zumal alle aktuellen Erkenntnisse dafür sprechen, dass die neuen Virus-Varianten deutlich ansteckender auch für junge Menschen sind. Wir müssen unbedingt verhindern, dass durch eine unnötige Eskalation der Corona-Diskussionen die Gesellschaft noch mehr gespalten wird. Daher bitten wir das Land hier um eine pragmatische und aus unserer Sicht sehr wirkungsvolle Unterstützung.“
Auf weitergehende Rücknahmen von Lockerungen will der Krisenstab zunächst verzichten: „Wir sehen das große Dilemma des Handels, der mit viel Aufwand die Wiederöffnung der Geschäfte vorbereitet hat und nun nicht dafür bezahlen soll, dass die Impf- und Test-Strategie von Bund und Land insgesamt ins Wanken geraten ist. Wir wollen ein kluges, ausgewogenes Maßnahmenbündel an das Land adressieren, das effektiv ist, ohne zu übersteuern.“
Krisenstabsleiter Slawig: „Für Lockerungen der völlig falsche Zeitpunkt“
Krisenstabsleiter Johannes Slawig sieht den Zeitpunkt der Öffnungen als Keimzelle der aktuellen Probleme: „Die Lockerungen kamen unter erheblichem politischen Druck zu einem Zeitpunkt, an dem sie eigentlich angesichts wieder steigender Zahlen gar nicht mehr vertretbar waren.“ Die folgende Entwicklung sei leider absehbar gewesen. Sehr deutlich erteilt Slawig daher denen eine Absage, die derzeit mit weiteren Öffnungsanträgen an die Verwaltung herantreten: „Aus allen Bereichen, von Chören über Schwimmbäder bis zum Autohaus, kommen Bürgerinnen und Bürger mit zusätzlichen Lockerungswünschen. Die sind angesichts eines Inzidenzwertes über 140 völlig ausgeschlossen. Im Gegenteil: Wir müssen die Entwicklung sehr engmaschig überwachen und jeweils kurzfristig entscheiden, ob die aktuellen Maßnahmen überhaupt ausreichen. Auch eine völlige Rücknahme der Lockerungen ist nicht ausgeschlossen, wenn die Infektionszahlen weiter steigen.“
Slawig wies zudem darauf hin, dass die Regeln für Zusammenkünfte sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum weiter in Kraft sind. „Seit Öffnung der Schulen in Präsenz sehen wir wieder verstärkt Gruppen Jugendlicher in den Innenstädten. Das ist ein weiteres schlagendes Argument für Distanzunterricht.“
Selbsttests für Schulen und Kitas, Appell an die Eltern
Steigende Fallzahlen in Schulen und Kitas: Gesundheits- und Familiendezernent Stefan Kühn prognostiziert einen Fortgang dieser Entwicklung. „Die britische Variante dominiert an manchen Tagen das Infektionsgeschehen bis zu 90 Prozent. Wir verzeichnen erstmals, dass in den Kitas in NRW die Zahl infizierter Kinder die der infizierten Erzieherinnen und Erzieher übersteigt. Außerdem gab es von Montag bis Mittwoch bereits 21 neue Fälle an Schulen. Das alles nährt den Verdacht, dass die Mutationen, anders als das Wild-Virus, auch für jüngere Menschen sehr infektiös sind.“ In dieser brisanten Situation seien der Abbruch der Impfungen für die Lehrkräfte und das Kita-Personal und fehlende Schnelltests in den Einrichtungen fatal. „Wir brauchen hier ganz dringend mehr Sicherheit, sonst können Bildung und Betreuung nicht funktionieren.“
Neben dem eindringlichen Appell an das Land, sehr kurzfristig dem Distanzunterricht bis zu den Osterferien zuzustimmen oder die Ferien um eine Woche vorzuziehen, erneuert der Krisenstab daher seinen Appell an die Eltern, ihre Kita-Kinder, wenn irgend möglich, zu Hause zu betreuen. „Jede Entlastung in den Einrichtungen führt zur Minderung der Infektionsgefahr. Damit leisten die Eltern, die dies tun können, einen riesigen Solidaritätsbeitrag im Kampf gegen Corona“ so Kühn. „Eine erneute Schließung der Kitas wollen wir unbedingt verhindern. Daher sollen so schnell wie möglich ausreichend Selbsttests zur Verfügung gestellt werden.“
Wuppertal bei Schnelltestzentren „sehr gut“ aufgestellt
Beim Angebot von Schnelltestzentren sei Wuppertal angesichts eines frühen Aufrufs des Krisenstabs und eines pragmatisch-schlanken Prüfverfahrens aktuell auch im Städtevergleich sehr gut aufgestellt. Inzwischen sind rund 20 Zentren entweder bereits gestartet oder kurz davor. Dazu kommen zahlreiche niedergelassene Arztpraxen, die den kostenlosen Schnelltest künftig anbieten möchten.
Der Krisenstab der Stadt ruft alle Wuppertalerinnen und Wuppertaler auf, von diesem Angebot Gebrauch zu machen. Eine Übersicht über alle aktuell bereits aktiven Zentren gibt es auf der Stadt-Homepage wuppertal.de. „Man kann das Virus verbreiten, ohne selbst Symptome zu haben. Daher ist jeder Test ein Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie“, betont Schneidewind. „Bitte nehmen Sie die Angebote wahr.“
Ganz klar verneint der Krisenstab die Theorie, die zusätzlichen Schnelltestangebote seien ursächlich für die Steigerung des Inzidenzwertes oder der Infektionszahlen. Positive Schnelltestergebnisse flössem erst nach einer Bestätigung durch einen PCR-Test in die offizielle Erhebung der Infektionszahlen ein. Ihre absolute Zahl sei derzeit so gering, dass sie nicht ausschlaggebend für die Entwicklung des Gesamtgeschehens seien.
Optimismus für weitere Impfungen
Trotz des massiven Rückschlags durch die bundesweite Aussetzung des AstraZeneca-Impfstoffs hofft der Krisenstab der Stadt darauf, kurzfristig den vollen Betrieb im Impfzentrum am Freudenberg wieder aufnehmen zu können. Die Planungen dazu stehen. Sollte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) AstraZeneca am Donnerstag (18. März) wieder zulassen und der Bund eine Freigabe erteilen, steht das Wuppertaler Impfzentrum in den Startlöchern, um sofort die Impftermine wieder in vollem Umfang anbieten zu können. In diesem Fall werden ab Freitag alle bereits gebuchten Termine aktiviert. Die Menschen mit „verlorenen“ Terminen seit Montagnachmittag erhalten so schnell wie möglich eine neue Einladung ab Anfang der kommenden Woche. Das Impfangebot enthält grundsätzlich ein umfassendes ärztliches Informationsgespräch, in dem zu allen Fragen möglicher Impfrisiken umfassend aufgeklärt wird.
Inzwischen nutzt die Koordinierungsgruppe für das Impfzentrum am Freudenberg eine zusätzliche Lieferung des Moderna-Impfstoffes durch das Land, um weitere priorisierte Berufsgruppen und Klienten im Bereich der Eingliederungshilfen zu versorgen. Nach wie vor gilt: Nur wer in den priorisierten Gruppen nach Landeserlass aufgelistet ist, kann einen Termin zur Impfung erhalten. Auch bleibt es dabei: Eine Auswahl des Impfstoffes gibt es nicht. Wer den für seine Gruppe zugelassenen Impfstoff ablehnt, muss dann eben warten, bis irgendwann genügend Impfdosen jeder Produktion für alle zur Verfügung stehen.