Friedrich König kämpft vor dem Lutherstift um einen Besuch Wenn Corona den Abschied unmöglich macht
Wuppertal · Seit 10 Uhr am Mittwochvormittag (8. April 2020) harrt Friedrich König vor den verschlossenen Türen des Lutherstifts auf dem Ölberg aus. Ein Anruf des Arztes seiner 86-jährigen Mutter hatte den gebürtigen Wuppertaler, der seit einigen Jahren in Schottland lebt, mit der Annahme, seine Mutter läge im Sterben, in seine alte Heimatstadt geführt.
Am Montag noch, so König, sei seine Mutter palliativ betreut worden. Am Dienstag habe sie dann doch wieder Nahrung zu sich genommen. Zu dem Zeitpunkt aber saß König schon im Flugzeug von Schottland nach Deutschland.
Eine seiner zwei Schwestern habe bereits am Dienstag versucht, der Mutter einen, vielleicht letzten, Besuch abzustatten – ohne Erfolg. Aufgrund der verschärften Sicherheitsmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie besteht im Lutherstift (wie in allen Wuppertaler Altenheimen) Besuchsverbot. Außerdem gehe es, so die Aussage der Heimleitung, der Mutter wieder besser.
Friedrich König versuchte am Mittwochmorgen trotzdem sein Glück. „Ich bin extra aus Schottland angereist und hatte gehofft, die besonderen Umstände würden es möglich machen, kurz Kontakt zu meiner Mutter aufzunehmen“, berichtet er. Seit den Morgenstunden sitzt er nun auf einer Bank vor dem Lutherstift und sucht verzweifelt nach einem Weg, Abschied zu nehmen. Am Donnerstag geht sein Flieger zurück nach Schottland, ab Freitag greift eine Verordnung, die vorsieht, dass Ausländer, die nach Deutschland einreisen, 14 Tage lang unter Quarantäne gestellt werden. Friedrich König geht fest davon aus, dass er seine Mutter nicht wiedersehen wird, wenn er heute nicht die Gelegenheit erhält, sich zu verabschieden.
Was nun? Die Leitung des Lutherstifts habe er nicht erreichen können, berichtet er, die Heimaufsicht habe ihm gesagt, dass sie aktuell keine Besuche erlauben könne. Am Nachmittag kommt schließlich eine von Königs Schwestern hinzu, Anna Brunschoen. Als eingetragene Betreuungsperson der Mutter hofft sie, mehr erreichen zu können als ihr Bruder. Aber auch sie wird abgewiesen.
Auf Nachfrage der Rundschau verweist der Sozialdienst des Lutherstifts auf die Leitung des Hauses, die wiederum verweist an Michael Lehnen, den Leiter des Wuppertaler Sozialamtes. „Das Heim macht alles richtig. Herr König hat seine Mutter seit einem Jahr nicht mehr besucht. Es gibt eine eindeutige Vorschrift für das Betretungsverbot“, erklärt dieser der Rundschau am Telefon.
Lehnen habe mit folgendem Ergebnis Rücksprache mit der Pflegedienstleitung des Lutherstiftes gehalten: „Bei der Mutter von Herrn König gibt es überhaupt gar keine Anzeichen für eine sogenannte finale Lebenssituation“. Nur wenn eine solche Situation vorläge, könnte es einen Besuch – allerdings nur unter strengen Schutzmaßnahmen – geben. „Es wäre unverantwortlich und außerdem auch verboten, wenn das Heim den Besuch erlauben würde“, so Michael Lehnen.
Friedrich König möchte, wie er sagt, das Lutherstift nicht anprangern. „Das Lutherstift hat ein Recht, so zu entschieden“, sagt der 48-Jährige. Trotzdem würde er sich wünschen, dass in seinem besonderen Fall eine Ausnahme gemacht werde. Ein Abschied am offenen Fenster würde ihm genügen. „Es geht doch darum, wie man in der Corona-Krise seine Menschlichkeit bewahren kann“, schließt Friedrich König seine Geschichte. Und am Ende bekommt er seine Mutter dann doch noch kurz zu Gesicht, wenn auch nur auf dem Bildschirm seines Smartphones. Per WhatsApp-Video-Anruf wird er auf die Station geschaltet und kann Abschied nehmen. Das zuvor gefasste Vorhaben des Lutherstifts, das Bett seiner Mutter aus ihrem Zimmer herauszuschieben, um den Abschied durch eine Glasscheibe möglich zu machen, scheiterte dann doch an einem fest installierten Schrank. „Alles etwas merkwürdig“, kommentiert König.