Unterbarmen Hilfe für verwaiste Eltern
Wuppertal · In der Gemeinde Unterbarmen-Süd entsteht ein neues Trauerangebot für verwaiste Eltern. Ein Interview mit Pfarrer Michael Seim.
Herr Seim, Sie bieten ab September eine offene Selbsthilfegruppe für verwaiste und trauernde Eltern an. Gibt es ein solches Angebot bisher nicht?
Seim: „Ich habe im letzten Herbst in der Gemeinde die Eltern eines Sternenkindes (Als Sternenkind werden Kinder bezeichnet, die vor, während oder bald nach der Geburt verstorben sind) begleitet und habe die Erfahrung gemacht, dass diese mit der Sternenkinderambulanz am Bethesda Krankenhaus sehr gut betreut werden.
Auch verwaiste Eltern, deren Kinder im Hospiz verstorben sind, finden dort viele Angebote. Anders sieht das bei Familien aus, die ihr Kind durch einen Unfall, plötzliche Krankheit oder Suizid verloren haben.Im Kirchenkreis Altenkirchen habe ich eine ähnliche Gruppe über zehn Jahre lang begleitet. Ich denke, dass der Bedarf viel größer ist, als man denkt. Wo junge Menschen sterben, sind auch Eltern, die plötzlich alleine sind.“
Trauern verwaiste Eltern anders und wie kann eine Gruppe dabei helfen?
Seim: „Eine Mutter, die ihren Mann schon verloren hatte und deren Kind dann nach einem Unfall starb, hat es mir einmal so beschrieben: Mein Mann wurde mir vom Herzen gerissen, aber mein Kind wurde aus meinem Herzen gerissen. Ich denke, dass das ein ganz anderer Schmerz ist und als Vater kann ich mir ansatzweise vorstellen, wie groß das Leid ist. Den betroffenen Eltern ist es vor allem wichtig, dass über ihre Kinder gesprochen wird, auch wenn das aufwühlt.
Sie wollen, dass ihre Kinder nicht vergessen werden. Sie wollen über ihre Trauer reden und über die Erfahrungen, die sie nach dem Tod ihrer Kinder mit der Umwelt gemacht haben. Das geht in der Gemeinschaft der Gruppe gut. Viele Eltern berichten davon, dass Nachbarn die Straßenseite wechseln oder an der Supermarktkasse ausweichen, weil sie den verwaisten Eltern nicht begegnen wollen und nicht wissen, wie sie reagieren sollen. So ein Verhalten verletzt natürlich massiv.“
Auch Paare reagieren ganz unterschiedlich auf den Verlust des Kindes ..
Seim: „Genau. Jeder geht anders mit der Trauer um und das halten auch nicht alle Beziehungen aus, aber in einem solchen Austausch kann man durchaus lernen, andere Arten der Trauer zu akzeptieren.
In der Gruppe sprechen wir auch über konkrete Fragen: Darf ich das Zimmer des Kindes nach seinem Tod ausräumen? Wasche ich seine Wäsche oder soll der Geruch des Kinders möglichst lange im Sweater bleiben? Gucke ich Fotos von der verstorbenen Tochter an? Wie wird das Grab gestaltet? Jede Mutter und jeder Vater geht mit diesen Themen ganz anders um.
Aber es kann helfen, mit anderen Betroffenen darüber zu sprechen und seine Trauer zu teilen. Verwaiste Eltern haben oft untereinander ein tiefes Verständnis, und können sich Dinge sagen, die andere nicht sagen dürften.“
Durch den Tod des eigenen Kindes wird das Grundvertrauen in Gott und die Welt doch sicher massiv verletzt …
Seim: „Ja. Häufig kommt die Frage, wie Gott das zulassen kann. Oder die Frage, wie es nach einem solchen Verlust überhaupt noch Hoffnung geben kann. Viele verwaiste Eltern erleben auch Zeichen wie zum Beispiel den Gruß von ihrem Kind. Auch damit muss man durchaus sensibel umgehen.“