Schleifsteine und der "Kotten-Otter"

Der Manuelskotten in Wuppertal-Cronenberg: Fleischkutter-Maschinenmesser, Maurer- und Zimmermannswinkel und Lineale wurden hier in Form und Schliff gebracht. Teilweise bis zu 250.000 Heckenscheren gingen von hier hinaus an die Händler.

Der 89-jährige Helmut Morsbach erinnert sich noch gut an seine Zeit im Manuelskotten.

Foto: Eduard Urssu

Aber die große Zeit der Industrieschleiferei im Kaltenbachtal ist längst vorbei. Einer, der die Blütezeit und den Niedergang der Kottenschleiferei miterlebte, ist Helmut Morsbach. Seine Lebensgeschichte ist eng mit der Geschichte des Manuelskottens verwoben.

Wenn zum "Internationalen Mühlentag"wieder unzählige Menschen das Mühlenfest rund um den Manuelskotten besuchten, war er nicht dabei. Dabei hätte er, wie kaum ein anderer, großes Interesse an "seinem" Kotten. Hat er doch schließlich mehr als sein halbes Leben im Manuelskotten zugebracht.

Mehr noch, der Kotten ist sogar nach seinem Großvater Emanuel benannt und hat das Leben seines Vaters und sein eigenes geprägt. Obwohl seinem Vater Karl eigentlich eine große Musikerkarriere bevorstand, ging er 1918 in den Familienbetrieb.

"Das habe ich nie verstanden. Er war der Erste Geiger am Kaiserhof und ging nach dem Krieg in den väterlichen Betrieb. Vom Feingeist zum Arbeiter in Kotten, kaum vorstellbar", erinnert sich Helmut Morsbach. Er selbst ging 1941 in die Lehre. Aber bloß nicht im Familienbetrieb. "Das wollte der Vater nicht", sagt Helmut Morsbach. Nach dem Krieg stieg er dann doch ganz in den Familienbetrieb ein, hatte er doch seine gesamte Kindheit ohnehin schon dazu gehört. Er lernte die Feinheiten vom Vater und vom Onkel.

Was wo an welcher Stelle man im Kotten zu stehen und zu arbeiten hatte, das weiß Helmut Morsbach noch heute. "Um 1934 haben wir dann einen neuen Dieselmotor angeschafft — an Stelle der Dampfkraft. Dafür hat mein Vater gesorgt. Die Vorteile lagen auf der Hand. Wenn das Wasserrad mal ausfiel, dann war es mit dem Dieselmotor einfacher das Rad ans Laufen zu bekommen", erinnert sich Helmut Morsbach.

Technische Details hat der 89-jährige Cronenberger immer noch so schnell parat wie ehedem. Allein die Beschreibungen der einzelnen Zahnräder, Vorgelege und Co. begeistern ihn noch heute: "Das große Wasserrad allein hatte einen Durchmesser von sechs Metern. Das waren riesige Brocken Sandstein aus der Eifel. Aber bereits Mitte der 1930er-Jahre haben wir die nicht mehr verwendet. Da hatten wir schon die kunstgebundenen Magnesit-Steine."

Und selbst an die Fabelwesen, etwa an den "Kotten-Otter" im Kaltenbachtal, kann sich Helmut Morsbach noch gut erinnern: "Der kam immer dann, wenn man zu lange auf dem Hüsken gesessen hatte." Nachdem mit der traditionellen Schleiferei nichts mehr zu verdienen war, wurde der Kotten an die Stadt Wuppertal verkauft. "Das ist so 1983 gewesen", blickt Helmut Morsbach zurück. Schöne Erinnerungen wechseln sich mit weniger schönen ab...

Warum Helmut Morsbach "seinen" Kotten bereits seit über 20 Jahren nicht mehr betreten hat, das verrät er nur im Vertrauen: "Schreiben Sie das nicht", mahnt er. Und weiter: "Ich will kein böses Blut. Sich darüber aufzuregen lohnt sich nicht mehr. Das ist eine andere Geschichte."

(Rundschau Verlagsgesellschaft)