Rundschau-Serie "Die Fehlbesetzung" Im Blaue-Löwen-Disco-Hexenkessel

Wuppertal · Rundschau-Redakteur Stefan Seitz hat 1978 sein erstes und einziges Handball-Spiel gesehen. Damals stand seine allerallererste Freundin auf dem Feld. Für unsere Spaß-Serie "Fehlbesetzung" war er am Mittwoch beim Spiel des BHC gegen Melsungen.

Eigentlich ist Rundschau-Redakteur Stefan Seitz gar nicht so klein, aber beim Bundesliga-Handball bekam er es mit großem Sport und noch größeren Männern wie BHC-Sportdirektor Viktor Szilágyi zu tun.

Foto: Dirk Freund

Der Wahnsinn! Ist das laut, ist das schnell, ist man hier nahe dran. Und wie lang eine halbe Stunde sein kann — ewig. Dieses irrsinnige Hin und Her. Mann, das wär nichts für mich. Da darfst du ja keine Sekunde weggucken. Nachspielzeit und solche Sachen gibt's hier nicht: Wenn die Zeit um ist, ist sie um. Hier dauert ein Spiel 60 Minuten, zwei Schiedsrichter sind unterwegs: Und die braucht man auch, denn auf dem Feld geht's irre rasant und sehr körperlich zu. Alles, was man im TV sehen kann, ist 'ne Pommesbude dagegen.

Bei Pina Bausch stehen die Leute erst am Ende der Vorstellung: Hier stehen sie schon am Anfang — und auch zwischendurch. Ein Krawall-Kessel, in dem man kaum sein eigenes Wort versteht, und eigentlich auch nicht, was der Hallensprecher sagt.

Ist aber egal, denn das Ding auf dem Feld spricht für sich: Irgendwie läuft der BHC immer erst einem Tor Vorsprung des Gegners aus Hessen hinterher, dann zwei, dann drei, einmal sogar fünf. Aber aufgegeben wird nicht, in Halbzeit zwei kommen die Bergischen wieder ran auf zwei Tore. Doch trotz mehrerer spektakulärer Sprungwürfe (schätze, das nennt man so) von Fabian Gutbrod gibt's keinen Ausgleich — und schon gar keine Führung. Ärgerlicher Endstand — 26:28 für Melsungen.

Nach einen Spiel, in dem es einmal sogar drei Zeitstrafen am Stück gab (das heißt, es ging überhaupt nicht zimperlich zu ...), und dem der entscheidende Punch genau dann fehlte, als der Zweitorevorsprung der Hessen hätte weggewischt werden können wie der Schweiß auf dem Boden, den die von der "Barmenia präsentierten und ausgestatteten BHC-Wischerinnen" (der Hallensprecher stellt sie immer wieder gern genauso vor...) blitzschnell wegfeudeln.

Die heißeste Phase war so um die 48. und 50. Minute rum: Arnor Gunnarsson (Isländer hab' ich mir immer größer vorgestellt), dessen Siebenmeter bisher so sicher waren wie das Amen in der Kirche, trifft nicht — der BHC kommt aber trotzdem wieder in Ballbesitz, Riesensprungwurf von Gutbrod, der Abstand schmilzt auf zwei Tore. Die Halle tobt, ein 2.324-Zuschauer-Hexenkessel, in dem ein DJ an den Turntables sitzt, der es vorher, nachher, zwischendurch mächtig krachen lässt: "Rhythm is a dancer", "Sing Hallelujah", Safri-Duo, "Insomnia", "Don't be so shy" und, und, und... Mann, das ist genau meine Mucke, wenn's um Party geht.

Eine echte Elektro- und Sprechchöre-Sound-Turbinenhalle — manchmal unterbrochen von Schiedsrichterpfiffen. Warum? Keine Ahnung. Es hat viel mit diesem Kreis vor dem Tor zu tun — aber auch nicht immer. Das Klatschen, das Krachen, das Ächzen, Stöhnen, lautstarke Protestieren — alles ganz nah. Wie gesagt: TV ist 'ne Pommesbude dagegen.

Zwischendurch war übrigens auch mal Halbzeit. Wie lang? Keine Ahnung. Aber wie lang die beim Fußball ist, weiß ich ja auch nicht. Sieht man dann schon, wenn's wieder weitergeht. Bei Pina im Opernhaus wird sanft gegongt — hier gibt's fetten Dancefloor-Pop auf die Ohren.

Apropos Pina: Ich habe bei Bausch-Stücken schon geweint. Weil mich so glücklich machte, was ich auf der Bühne sah. Hier in der Uni-Halle hab' ich geschwitzt, mich über jedes Tor gefreut, geflucht, wenn der BHC (leider immer mal wieder) so saudämliche Fehlwurf-Dinger hinlegte — und mich richtig geärgert, dass das Ganze nicht wenigstens unentschieden ausgegangen ist. Denn heute hätte der Erstliga-Klassenerhalt klar gemacht werden können. Biss beim Team dafür war da, aber nicht genug. Schade. Nein, seien wir mal ganz ehrlich: Scheiße!

Geil — so ein Handballspiel. Würd' ich wieder hingehen.