Gelungene Inklusion in Wuppertal Weil Lasse mit den Händen spricht
Wuppertal · Im evangelischen Kindergarten in Sonnborn gibt es einmal in der Woche Unterricht in der Gebärdensprache. Der Grund dafür ist zwei Jahre alt und hat blonde Löckchen.
Das Lieblingswort von Horst Schaufler ist Schildkröte. Er legt die Hände übereinander, rudert mit den Daumen — und schon sieht man sie. Wäre doch nur alles so leicht wie diese Gebärde. Das meiste in seinem Leben und dem Leben seiner Frau Katrin Krantz ist kompliziert. Dem gehörlosen Lasse und seinen zwei hörenden älteren Geschwistern gerecht zu werden ist nicht leicht.
Das Schwierigste ist aber die Kommunikation mit den Behörden. Wöchentlich erfährt die Familie, dass Inklusion oft mehr eine große Phrase statt gelebtes Miteinander ist. Wie leicht sie sein kann, zeigt die evangelische Kindertagesstätte Kirchhofstraße in Sonnborn, die Lasse ab September besuchen wird. Hier versteht jeder die Schildkröte und die ganzen anderen Wörter, die in die Luft gemalt werden.
Einrichtungsleiterin Diana Gerhardt spricht gerne mit den Händen. Sie, ihr Team und die Kinder nehmen für Lasse Unterricht in der deutschen Gebärdensprache. "So lebt man Inklusion", sagt Gerhardt und haut mit der Faust auf den Tisch. Sie bot der Familie sofort an, Lasse aufzunehmen. Denn auch die zwei größeren Geschwister fühlen sich an der Kirchhofstraße wohl. Bereits seit einem Jahr bereiten sie sich auf Lasse vor und lernen nach Feierabend die Gebärden, mit der sich in Deutschland rund 200.000 gehörlose und hörgeschädigte Menschen ausdrücken.
"Unser Team ist klasse, jeder tut das für Lasse gerne", sagt Gerhardt. Nachmittags lernen die Erzieher, vormittags die Kinder. Die Gebärdensprachen-Lehrerin setzt sich dann mit an den Spieltisch und zeigt den Kindern die Gebärden für Stifte, Farben und Kuscheltiere.
Diana Gerhardt ist überzeugt: Jeder ihrer Schützlinge wird durch Lasse und den Unterricht für das ganze Leben profitieren. Erst neulich sei ein chinesischer Junge neu in den Kindergarten gekommen. "Wenn er etwas nicht versteht, gebärden die Kinder mit ihm", erzählt Gerhardt. Sie weiß: "Die Kinder lernen zwei Kompetenzen: eine Fremdsprache und das Verständnis, dass alle Menschen an allem teilhaben sollen."
Dass Inklusion keine Empfehlung, sondern ein Rechtsanspruch ist, erfahren Lasses Eltern sonst in Wuppertal nur selten. Ihre Unterlagen wandern zwischen Gesundheits-, Sozialamt und Krankenkasse. Der Unterricht im Kindergarten begann eher als der für die Familie — jeder Antrag ein Kraftakt und alle Genehmigungen für Unterstützung sind befristet.
"Ein schlechter Witz", findet der Vater. "Lasse wird sein Leben lang gehörlos bleiben. Und wir sollen es jedes Jahr wieder beweisen." Lichtblicke tun sich für die Familie im Kindergarten auf. Wenn Lasse in die Kita kommt, um seine Geschwister zu besuchen, möchte jeder mit ihm sprechen. "Wir können es kaum erwarten, unser Wissen täglich anzuwenden", sagt Gerhardt.
Wo Lasses Weg hinführen mag, weiß die Familie nicht. Gehörlosenschule oder Regelschule, das wird die Zukunft noch zeigen. "Wir wollen Bildung für unser Kind", sagt die Mutter. Katrin Krantz und ihr Mann hoffen, dass bis dahin auch die Institutionen in der Lage sind, Lasse ein bisschen besser zu verstehen.