Tierwohl-Siegel Verlässliche Gütesiegel für das Leben der Tiere?
Das Tierwohl liegt zwar den meisten Menschen am Herzen, aber nicht immer lässt sich prüfen, was Tieren guttut und was nicht. Bestimmte Initiativen und Zertifikate sollen dabei helfen, Menschen wissen zu lassen, wie sie Tieren helfen können. Wir haben uns angeschaut, was für Projekte in Frage kommen.
Was ist Tierwohl?
In Deutschland gibt es keinen allgemeingültigen Standard in Bezug auf das Tierwohl. Viele Projekte und Initiativen kochen also ihr eigenes Süppchen. Das muss nicht schlimm sein, aber erschwert die Vergleichbarkeit.
Generell geben diese Tierwohllabel Konsumenten einen Eindruck über die Haltung, den Transport oder auch die Schlachtung von Tieren. Dies soll bei der Auswahl von Produkten helfen. Vereinfacht ausgedrückt wissen Konsumenten dadurch: "Ja, diese Socken bestehen aus Schafswolle und ich habe dem Schaf diese Wolle weggenommen, aber es führt ein gutes Leben." Der Bedarf nach Konsum wird also mit dem Wunsch nach Tierwohl in Einklang gebracht.
Ein staatliches Kennzeichen für Tierwohl wurde immer wieder ins Gespräch gebracht, doch passiert ist in dieser Hinsicht nichts. Dennoch gibt es viele von verschiedenen Branchen ins Leben gerufene Label, die einen vergleichbaren Zweck erzielen.
Initiative Tierwohl und andere Kennzeichnungen
Die Initiative Tierwohl ist ein Zusammenschluss zahlreicher Supermärkte, Landwirte und Akteuren aus der Fleischwirtschaft. Für jede Tiersorte gelten dort andere Regeln, unterschieden wird aber immer in vier Stufen. Je höher die Stufe, desto deutlich wird auf das Tierwohl geachtet (und desto teurer das Produkt):
In Stufe 1 werden Schweine beispielsweise ausschließlich im Stall gehalten, außerdem ist der Einsatz von Gentechnik erlaubt. Auslauf kann erfolgen, ist aber nicht vorgeschrieben. Woher das Futter kommt, bleibt dem Landwirt überlassen. Stufe 4 hingegen sorgt für vorgeschriebenen Auslauf, Futtermittel aus der Region, das Verbot von Gentechnik und ähnliche Eigenschaften. Die genauen Angaben zu jeder Stufe lassen sich auf den Packungen im Handel ablesen.
Für mehr Tierschutz
Der Deutsche Tierschutzbund hat das Kennzeichen "Für mehr Tierschutz" ins Leben gerufen. Dort gibt es zwei Stufen, die sich auf die Produktion von Schweinefleisch beziehen. So erhalten die Tiere zwischen 50 und 100 % mehr Platz im Vergleich zu den Mindestanforderungen. Außerdem wird die maximale Anzahl der Tiere pro Betrieb auf 2.000 bis 3.000 Stück begrenzt.
Ein weiteres Siegel ist "Tierschutz-kontrolliert", das unter anderem von der globalen Tierschutzorganisation Vier Pfoten ins Leben gerufen wurde. Auch hier stehen zwei Qualitätsstufen zur Auswahl. Der Goldstandard räumt Tieren weitgehende Freiheiten ein, wie etwa eine artgemäße Tierhaltung inklusive Auslauf im Freien und, falls notwendig, einen Weidegang. Viele dieser Siegel legen außerdem fest, dass Tiere Beschäftigungsmaterial erhalten müssen, um sich aktiv zu betätigen.
Weiterhin existiert das Label der Marke Neuland. Damit soll sichergestellt werden, dass Tiere beispielsweise auf Stroh schlafen, Auslauf erhalten, Tageslicht im Stall genießen, regionale Futtermittel erhalten und Gentechnik verboten ist. Die insgesamt hohen Anforderungen sorgen dafür, dass die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung dafür ein besonderes Lob ausgesprochen hat.
Artgerechte Haltung: Was bedeutet das?
Unter dem Begriff der artgerechten Haltung kann sich zwar jeder etwas vorstellen, allgemein offiziell definiert ist jedoch nichts. Grundsätzlich existieren jedoch Gesetze, die bestimmte Mindeststandards vorschreiben: für Platzbedarf, Fütterung, Pflege, Transport, medizinische Betreuung und so weiter. Das Ziel ist es, unnötiges Leid von den Tieren fernzuhalten. Als Nebeneffekt wird die Umwelt geschont. Wenn beispielsweise Nahrung aus der Region genutzt wird, ist dies umwelttechnisch besser als Nahrung, die erst einige hundert Kilometer gefahren werden muss.
Die schwammige Definierung von "artgerecht" sorgt jedoch dafür, dass es auch Kritik gibt. Da niemand verlässlich sagen kann, was dieser Begriff bedeutet, ist es schwierig, aus diesem Begriff konkrete Handlungsschritte für die Tiere abzuleiten. Das wirkt verunsichernd, weshalb Umweltschutzverbände immer wieder fordern, die Mindestanforderungen zu erhöhen, sodass "artgerecht" in jedem Fall ein Mindestmaß an Tierwohl sicherstellt.
Nutzen der Tierwohl-Kennzeichen
Generell sind die diversen Tierwohl-Kennzeichen in Deutschland zunächst zu begrüßen. Ein Tier, das mehr Auslauf bekommt, lebt besser als ein Tier mit weniger Auslauf. Die Frage ist jedoch, ob diese objektiv besseren Kriterien am Ende tatsächlich umgesetzt werden.
Für viele Tierwohl-Kennzeichen gibt es Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass zwar in der Theorie das Tierwohl großgeschrieben wird. Die Praxis hat damit dann aber wenig zu tun: Schweine bekommen nicht den angedachten Auslauf, Kühe bekommen das falsche Futter und so weiter. Ohne eine Kontrollinstanz steht den Betreibern der Einrichtungen also Tür und Tor offen, um trotz Siegel so zu handeln, wie sie es wirtschaftlich am besten empfinden.
Betrug, aber...
Ganz so düster wie soeben beschrieben sieht es aber nicht aus. Zwar werden immer mal wieder Fälle bekannt, in denen Siegel für etwas vergeben werden, was in der Realität nicht existiert. Die allergrößte Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe hält sich jedoch an die Vorgaben. Kontrollen werden unangekündigt durchgeführt, bei Verstößen drohen hohe Strafen. Die Landwirte halten sich also allein schon aus eigenem Interesse an die Vorgaben, die die Kennzeichen diktieren.
Einige wenige schwarze Schafe sorgen dann dafür, dass eine Branche in Verruf gerät. Hier sollte man es aber nüchtern betrachten: Fallen fünf Betriebe von fünfhundert negativ auf, ergibt das eine Quote von gerade einmal 1 %. Besseres Tierwohl für 99 % der Tiere ist eine insgesamt gute Sache. Durch die verschiedenen Qualitätsstufen wird außerdem sichergestellt, dass Fleisch nicht komplett in einen Preisbereich fällt, in dem es nur noch für Besserverdienende erschwinglich ist.
Beispiel für Tierwohl: mulesingfreie Merinowolle
Ein gutes Beispiel für verbessertes Tierwohl ist mulesingfreie Merinowolle. Das Mulesing ist eine Praxis bei Schafen, bei der bestimmte Teile der Haut von Schafen in der Nähe des Schwanzes entfernt wird. Dies wird gemacht, damit sich dort keine Fliegenmaden einnisten können, was bei Schafen zu einer Krankheit namens Myiasis führen kann - die im schlimmsten Fall tödlich endet.
Das angesprochene Entfernen der Haut, das Mulesing, wird jedoch ohne Betäubung durchgeführt und ist daher sehr schmerzhaft. Der Grund dafür ist, dass die Heilung der Wunde von allein zu Narbengewebe führt, wo kein Fell mehr wachsen kann und wo dann auch keine Fliegen ansässig werden können. Es gibt jedoch für das Tier weitaus bessere Methoden:
- Regelmäßige Entfernen der Wolle in der Afterregion.
- Gezielte Zucht der Schafe, welche das Wollwachstum im Afterbereich verringert.
- Die gefährdeten Bereiche können durch (für Schafe harmlose) Insektizide behandelt werden.
Mulesingfreie Merinowolle bedeutet daher: Das Tier musste kein schmerzhaftes Mulesing über sich ergehen lassen, aber ist trotzdem nicht von Krankheit bedroht. Eine gute Idee, wenn einem das Tierwohl am Herzen liegt. Um also sicherzugehen, dass man mulesing-freie Wolle kauft, sollte man auf entsprechende Zertifizierungen achten.
Tierwohl auf eigene Faust
Für Verbraucher, denen das Tierwohl am Herzen liegt, gibt es glücklicherweise noch eine andere Methode als das Vertrauen in Kennzeichnungen. Diese Konsumenten sollten dort einkaufen, wo sie die Herkunft und Haltungsmethoden ganz einfach kennen. Das heißt: kein Fleisch aus dem Supermarkt, sondern vom Bauern in der Nähe. Dort können sie sich selbst informieren, wie es vor Ort aussieht. Die Preise werden höher sein, aber wenn sie darauf nicht angewiesen sind und das Geld lieber den Tieren zukommen lassen, ist dies die beste Alternative.
Hier kommt es stark auf den Wohnort an: Mitten in einer Großstadt wird es schwieriger sein als auf dem Land - aber nicht unmöglich. Es gibt immer wieder kleine Geschäfte, die sich auf das Angebot regionaler Lebensmittel spezialisiert haben. Dort können Interessierte in der Regel nachfragen, um zu erfahren, wie die Haltungsbedingungen für Tiere vor Ort genau aussehen. Die Betreiber dieser Läden sind in der Regel sehr kooperativ. Wer sich nicht auf Tierwohl-Siegel allein verlassen will, findet hier die beste Methode, um die Haltung von Tieren nachhaltiger zu machen.