Interview: Jürgen Hardt (CDU) über den neuen US-Präsidenten "Trump wird immer für Überraschungen gut sein"
Wuppertal / Washington · Am Freitag (20. Januar 2017) wurde Donald Trump als 45. Präsident der USA vereidigt. Die Art, wie er seinen Wahlkampf geführt hat und erste Äußerungen in Interviews über die NATO, den Handel mit Europa sowie zahlreiche andere Facetten lassen auch hier die Wogen hochschlagen.
Rundschau-Redakteur Stefan Seitz sprach über Trump mit dem Wuppertaler CDU-Bundestagsabgeordneten Jürgen Hardt, der Experte für das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland ist.
Rundschau: Sie sind eng mit den Themen USA und NATO verbunden. Die jüngsten Äußerungen Donald Trumps über die NATO beunruhigen viele. Sie auch?
Hardt: Ich sehe vor allem, dass die Aussagen widersprüchlich sind. Im selben Satz hat Präsident Trump ja gesagt, dass die NATO einerseits "obsolet", sie ihm andererseits aber "sehr wichtig" sei. Der designierte Außenminister Tillerson oder Verteidigungsminister Mattis haben sich eindeutig zur Bündnisverpflichtung durch die USA bekannt. Auch wichtige US-Senatoren haben in jüngsten Gesprächen mit mir keinen Zweifel daran gelassen, dass die USA an der engen Partnerschaft unter dem Dach der NATO festhalten werden. Nach meinem Eindruck gibt es aber noch kein klar ausgearbeitetes außen- und sicherheitspolitisches Konzept.
Rundschau: Glauben Sie, dass Donald Trump der "polterige" Präsident werden wird, den er jetzt in seinen ersten öffentlichen Äußerungen vermuten lässt?
Hardt: Donald Trump hat den Wahlkampf bewusst als Kandidat fern des politischen "Establishments" bestritten und ist als solcher gewählt worden. Er wird bis zu einem gewissen Grad seiner Linie auch weiterhin treu bleiben. Aber bereits seine Kabinettsbenennungen — darunter zahlreiche aus ebendem von ihm kritisierten "Establishment" — deuten auf eine pragmatische Linie entlang der Grundlinien bisheriger Politik der republikanischen Partei hin. Er wird aber sicherlich auch immer für Überraschungen gut sein.
Rundschau: Ginge von einer Weltmacht USA, die sich ganz anders aufstellt, eine Gefahr für die Stabilität im transatlantischen Verhältnis aus?
Hardt: Davon gehe ich nicht aus. Ein geringeres sicherheitspolitisches Engagement der USA in Europa und damit in der NATO wäre nämlich auch schlecht für die USA. Die euroatlantische Sicherheitsarchitektur wird durch Russlands Völkerrechtsverletzung in der Ukraine, durch den islamistischen Terrorismus, durch neue Gefahren, etwa Angriffe auf digitale Netze und durch Desinformation, sowie durch die Folgen von Staatsversagen in vielen Teilen der Welt herausgefordert. Es sind nicht immer Angriffe auf Grenzen, immer aber Bedrohungen unserer freien Gesellschaftsordnung und unseres offenen Lebensstils, der uns über den Atlantik hinweg verbindet. Kein Nationalstaat, auch nicht die USA, ist in der Lage, hierauf effizienter zu reagieren als die NATO. Dies wird Präsident Trump bald erkennen, wenngleich die neue US-Administration auch weiter mehr Bereitschaft von den Europäern einfordern wird, Verantwortung zu übernehmen. Dieser Verantwortung wird Deutschland auch gerecht, etwa indem wir den Verteidigungshaushalt zuletzt um acht Prozent erhöht haben. Und: Europa muss in der Verteidigungspolitik effizienter zusammenarbeiten.
Rundschau: Wie glauben Sie, dass die Trump-Präsidentschaft des Verhältnis Europas zu Russland beeinflussen wird?
Hardt: Ich glaube, dass Präsident Trump tatsächlich versuchen wird, seine Ankündigungen umzusetzen und im Kontakt mit der russischen Führung auszuloten, in wie weit eine gemeinsame Basis zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen besteht. Das ist nicht per se schlecht und kann durchaus in unserem Interesse sein, wenn dies zum Beispiel zu echten und von allen Seiten akzeptierten Fortschritten bei politischen Lösungen der Ukraine-Krise oder in Syrien führt. Dabei bin ich mir aber sicher, dass auch die Trump Administration sehr schnell zur Einsicht gelangen wird, dass eine Basis hierfür nur die Achtung des Völkerrechts und des auch von Russland unterschriebenen internationalen Ordnungssystems sein kann. So lange Russland in der Ukraine und anderswo Völkerrecht bricht und in teils offener, teils versteckter Weise die euroatlantische Sicherheitsarchitektur herausfordert, kann und wird es hier keine nachhaltige Verbesserung der Beziehungen geben.
Rundschau: Zurzeit ist die Aufregung angesichts des Trump-Starts groß. Was raten Sie persönlich Deutschland, der NATO und Europa?
Hardt: Ich rate zur Besonnenheit. Der neue Präsident ist frei und demokratisch gewählt. Er verdient Respekt und sicher auch einen Vertrauensvorschuss. Das wird uns nicht daran hindern, unterschiedliche Auffassungen auch offen auszusprechen. Ich denke, er spricht klare Worte und kann auch selbst klare Worte vertragen. Wir sollten als Deutschland, NATO und Europa unsere eigenen Erwartungen, Ziele und Prioritäten definieren und mit diesen frühzeitig an die neue US-Administration, aber auch an den US-Kongress heran treten. Dann bin ich zuversichtlich, dass wir den fruchtbaren transatlantischen Dialog fortsetzen werden.