Syrischer Flüchtling in Wuppertal Aus überfülltem Schlauchboot zum Einser-Abitur
Wuppertal · Als Ahmad Alshikh vor vier Jahren gemeinsam mit seiner Familie in einem völlig überfüllten Schlauchboot mit anderen Flüchtlingen mitten auf dem Mittelmeer saß, war der Gedanke an einen Schulschluss noch weit weg. Es drehte sich alles nur ums Überleben. Heute hält der mittlerweile 20-jährige Abiturient ein Zeugnis mit der Durchschnittsnote 1,0 in der Hand.
Für Ahmad Alshikh ist sein bestandenes Abitur etwas ganz Besonderes. Nicht nur, weil er es mit der Note 1,0 absolvierte. Viel mehr ist es der schwere Weg, den er meisterte, um überhaupt erst die Gesamtschule Barmen in Wuppertal besuchen und ein erfolgreiches Abitur ablegen zu können. Vor rund viereinhalb Jahren flohen der damals 15-jährige Junge, seine Eltern und beiden Brüder vor dem Krieg in Syrien. Die Fluchtroute führte, wie für viele andere, über das Mittelmeer. „Wir hatten Todesangst, das Boot war überfüllt und wir wussten nicht, ob wir jemals die andere Seite des Meeres erreichen“, erinnert sich Ahmad.
Trotzdem kann der junge Mann den schlimmen Erlebnissen etwas Positives abgewinnen. Sie haben seine Persönlichkeit geformt, sagt er: „Die Angst, der Krieg, der harte Weg, die Flucht, das hat mich alles stark gemacht. Nun weiß ich, dass ich alles erreichen kann, was ich mir zum Ziel setze.“ Und Ziele hat sich Ahmad gesetzt. einige davon hat er bereits erreicht. Innerhalb eines Monats hat er sich selbst die deutsche Sprache beigebracht. „Ohne geht es einfach nicht“, sagt er. Neben seiner Muttersprache Arabisch und der erlernten deutschen Sprache, spricht er Englisch, Französisch und Türkisch. Ein guter und wissbegieriger Schüler war der aus Damaskus stammende Junge schon immer. Es gibt kein einziges Schulfach, das er nicht mag: „Ich liebe es, mich weiterzubilden. Das war schon immer so und das wird auch niemals aufhören.“ Schon jetzt büffelt der frisch gebackene Abiturient für sein angestrebtes Medizinstudium. Fachliteratur hat er sich schon besorgt und lernt fleißig vor. Die Bewerbungen an verschiedene Universitäten sind natürlich auch schon längst verschickt.
Aber einfach „nur“ Arzt zu werden, damit gibt sich Ahmad nicht zufrieden: „Ich möchte Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie werden. Dabei soll es aber nicht bleiben. Danach möchte ich in die Forschung gehen und Medikamente entwickeln, die vielen Menschen helfen können. Ich glaube fest daran, dass wir irgendwann alle Krankheiten heilen können. Daran möchte ich arbeiten.“
Nicht nur ans deutsche Schulsystem hat sich der junge Syrer schnell gewöhnt, auch an das Leben in Deutschland. Natürlich sei es hier anders als in seiner Heimat, aber er betont immer wieder, wenn ihn jemand danach fragt: „Ich bin zwar in einem anderen Land mit einer vielleicht anderen Kultur geboren, aber ich komme doch vom selben Planten. Ich habe eine offene und tolerante Persönlichkeit, wir sind alle Menschen und das macht uns gleich.“
Seinen Geburtsort kenne er gar nicht so genau, sagt er. „Eigentlich kenne ich Damaskus und Syrien nur in der Kriegssituation. Schon als Kind flohen meine Eltern mit uns in die Türkei. Meine Heimat ist mir sozusagen gar nicht so vertraut.“
In Wuppertal fühlt sich Ahmad aber schon richtig heimisch, schwärmt von der guten Luft im Tal, dem vielen Grün und hält sich gerne auf der Hardt oder der Nordbahntrasse auf. Stolz sagt er: „Mein kleinster Bruder, mittlerweile sind wir vier, wurde hier geboren. Er ist ein richtiger Wuppertaler.“