Prof. Dr. Bettina Rulofs (Bergische Uni) Mehr Maßnahmen gegen Gewalt im Sport notwendig
Wuppertal / Berlin · Der Sportausschuss des Bundestages hat sich in einer öffentlichen Anhörung mit dem Thema „Psychische, physische und sexuelle Gewalt gegen Sportlerinnen und Sportler“ auseinandergesetzt. Eine der Sachverständigen war Prof. Dr. Bettina Rulofs von der Bergischen Universität Wuppertal.
Hintergrund der Anhörung waren verschiedene Fälle von Gewalt im Sport, die in den vergangenen Monaten durch Sportlerinnen und Sportler offenbart wurden. So wurden zum Beispiel aus dem Turnsport schwere Fälle von psychischer Gewalt an einem Olympiastützpunkt berichtet, im Deutschen Schwimmverband musste ein Bundestrainer wegen sexueller Übergriffe gegen Sportlerinnen von seinem Amt zurücktreten und im Boxsport waren ebenfalls Fälle von sexualisierter Gewalt bekannt geworden. Ein gemeinsames Merkmal der Vorfälle scheint zu sein, dass die Betroffenen sich von den jeweiligen Verbänden nicht genügend gehört und unterstützt fühlen.
Der Verein „Athleten Deutschland“, der sich für die Interessen und den Schutz von Athletinnen und Athleten im organisierten Sport in Deutschland einsetzt, nahm dies zum Anlass, die Einrichtung eines unabhängigen Zentrums für „Safe Sport“ zu fordern, um Sportlerinnen und Sportlern eine externe und unabhängige „Clearingstelle“ zu bieten, die Beschwerden entgegennimmt, Betroffene unterstützt und Verbände bei der Umsetzung von Interventionsmaßnahmen beraten kann.
Um diesen konkreten Vorschlag und weitere Schutzmaßnahmen gegen Gewalt im Sport ging es bei der Anhörung im Sportausschuss. Die Sachverständigen wurden gebeten, zu einem umfassenden Fragenkatalog Stellung zu beziehen. Neben zahlreichen Verbänden, wurde Dr. Rulofs (Professorin für Sportsoziologie an der Bergischen Universität) gebeten, aus wissenschaftlicher Perspektive Stellung zu beziehen. Die Sportsoziologin kommt (gemeinsam mit Dr. Ohlert von der Deutschen Sporthochschule Köln) auf Basis ihrer Studien zu der Einschätzung, dass die Sportverbände in Deutschland in den letzten Jahren verschiedene wichtige Maßnahmen im Bereich der Prävention von sexualisierter Gewalt auf den Weg gebracht haben und die Präventionsarbeit auch weiterhin eine genuine Aufgabe der Verbände bleiben sollte. Es stehe jedoch an, neben sexualisierter Gewalt auch psychische und physische Gewalt im Sport in die Präventionsarbeit einzubeziehen.
„Es gibt zudem noch kein externes Monitoring der Verbände und keine systematische Evaluation der Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen. Im Sportsystem fehlt zudem eine unabhängige Clearingstelle, die Betroffene anhört und sie beraten kann. Für die Aufarbeitung von Gewaltvorfällen im Sport und den Umgang mit Betroffenen existieren bislang weder systematische Konzepte noch entsprechende Ressourcen im Sport“, fasst Prof. Rulofs zusammen.
Ein Blick in andere Länder (z.B. in die Schweiz, nach Großbritannien, USA, Kanada und Australien) zeigt, dass dort inzwischen vom Sport unabhängige Institutionen für den Schutz von Athlet*innen vor Gewalt gegründet wurden oder zurzeit aufgebaut werden. Für die Sportpolitik in Deutschland steht somit die Entscheidung an, ob ein ähnlicher Weg eingeschlagen wird und die Forderung der Ahtletinnen- und Athleten-Vereinigung nach einem Unabhängigen Zentrum für „Safe Sport“ aufgegriffen wird. Für die konkrete Planung und Umsetzung sind noch Fragen offen, die aber – so Rulofs – in einem konstruktiven Konsultationsprozess zwischen Politik, Sportverbänden, Athletinnen und Athleten und der Wissenschaft gelöst werden können.