Polizei Wuppertal Ein Nackt-Selfie und seine Folgen

Wuppertal · Mal eben ein Nackt-Selfie machen? Kein Problem für zwei acht und neun Jahre alte Geschwister. Das Handy ist schnell zur Hand. Als sie das Foto auf YouTube hochladen, nimmt das Unheil seinen Lauf. Über solch einen Fall und seine problematischen Hintergründe informierte die Justiz jetzt beim traditionellen Pressegespräch des Wuppertaler Landgerichtes.

Jugendrichter Markus Adams berichtete beim Pressegespräch des Wuppertaler Amtsgerichtes von der Vielfalt hochproblematischer Facetten beim Umgang mit Nackt-Selfies von Minderjährigen.

Foto: Sabine Maguire

Irgendwann klingelt die Polizei an der Wohnungstür. Nicht nur das Kinderzimmer wird durchsucht, sondern gleich das ganze Haus. Der Vater der Kinder wird als Beschuldigter geführt, auch seinen Dienstlaptop nehmen die Ermittler mit. Die Auswertung kann Monate dauern. Das Jugendamt wird informiert, die Nachbarn beobachten die Hausdurchsuchung: Für die Familie bricht eine Welt zusammen.

„Würdest Du mir ein Bild von Dir schicken? Ohne Klamotten?“ Das sogenannte „Sexting“ liegt im Trend – zuweilen auch schon bei Grundschülern. Steckte man der Angebeteten früher Zettelchen unter der Schulbank zu, scheint es heute anders abzulaufen: Da greifen auch schon 13-Jährige zum Handy, um ein Selfie vor dem Spiegel zu machen und es dem Freund zu schicken. Geht die Beziehung in die Brüche, landen solche Bilder nicht selten in den sozialen Netzwerken und irgendwann im Freundeskreis und in der Schule.

Abgesehen vom „Spießrutenlauf“, der den Betroffenen dann droht, kann es auch für die Eltern schwierig werden. „Nacktfotos von Kindern im Netz werden automatisch in den USA gescannt und als Verdachtsfall an das BKA weitergeleitet“, weiß Markus Adams. Als Jugendrichter kennt er sich aus in der Szene, mittlerweile werden bis zu 50 Prozent der Ermittlungsverfahren gegen Jugendliche dem Bereich „Besitz von Kinderpornografie“ zugerechnet.

Dazu gehören nicht nur ahnungslos gemachte Selfies, sondern auch „echte“ Kinderpornografie. Damit einem der Besitz vorgeworfen werden kann, genügt es, wenn solche Bilder über Chat-Gruppen geteilt und nicht sofort gelöscht werden. Offenbar sind die Handys von Kindern und Jugendlichen voll davon – anders lässt sich die steigende Zahl der Ermittlungsverfahren nicht erklären.

Wie schnell so etwas geht, hört man auch von Richter Markus Adams: Hunderttausendfach sei ein Video eines Jungen geteilt worden, der ein Huhn sexuell missbraucht habe. Das Huhn lief am Ende gackernd davon, viele Adressaten scheinen das lustig gefunden zu haben. Der junge Mann, der sich aufgrund des Videos auf seinem Handy wegen des „Besitzes von Kinderpornografie“ vor Gericht verantworten musste, wurde zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Den erhofften Job als Lehrer kann er sich mit dieser Strafe „abschminken“.

Womit man auch schon beim nächsten Problem wäre: Stößt man als Mutter auf dem Handy seines Kindes auf Kinderpornografie und macht einen „Screenshot“, um damit zum Lehrer oder zur Polizei zu gehen, steht man selbst mit einem Bein vor dem Richter. „Auch das ist schon Besitz von Kinderpornografie“, stellt Markus Adams klar. Das Gleiche gilt für Lehrer, die ein Foto zur Beweissicherung machen: „Schlimmstenfalls ist man als Beamter seinen Job los.“

Dazu muss man wissen, dass solche Fotos bei entsprechender Einstellung auf dem Handy in der sogenannten „Cloud“ gespeichert werden – mit Zugriff der Kontrollstelle in den USA. Auch wenn die Gerichte versuchen, solche Verfahren möglichst straffrei enden zu lassen, können sie für Eltern zur persönlichen Katastrophe werden. Denn ermittelt wird in jeden Fall, die Kaskade der Ereignisse ist kaum zu stoppen.

Was also soll man tun? Landen kinderpornografische Fotos auf dem eigenen Handy: sofort löschen! Nicht nur auf die Löschtaste drücken, sondern auch aus dem Ordner „gelöschte Bilder“ entfernen.

Eltern sollten ihre Kinder für das Thema sensibilisieren und offen darüber sprechen, was mit Selfies passieren kann – und dass man sie keinesfalls in sozialen Netzwerken teilen sollte.

Übrigens: Auch mit „normaler“ Pornografie macht man sich strafbar, wenn man sie an Minderjährige weiterleitet. Chat-Gruppen sind groß und unübersichtlich: Wer weiß schon, wie alt diejenigen sind, die man oftmals noch nicht einmal persönlich kennt?