Nach dem Urteil Paschalis: "Das ist eine verkehrte Welt"
Wuppertal / Düsseldorf · Dass es schwierig werden würde, hatte Panagiotis Paschalis schon vor Prozessbeginn geahnt. Nach dem Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts ist nun klar: Der ehemalige Rechtsdezernent wird nicht mehr an seinen Schreibtisch im Rathaus zurückkehren - seine Klage wurde abgewiesen.
Der juristischen Klärung vorausgegangen war ein Ratsbeschluss im Juni 2017, mittels dessen Paschalis mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit aus dem Amt gewählt worden war. Ohne Angaben von Gründen, wie nun nochmals vor Gericht zu hören war. Warum das bei kommunalen Wahlbeamten wie Panagiotis Paschalis nicht nur gängige Praxis, sondern sogar in der Gemeindeordnung verschriftlicht und damit durchaus gewollt sei, begründete der Vorsitzende Richter so: "Es soll keine schmutzige Wäsche gewaschen werden."
Nur einmal habe das Bundesverwaltungsgericht in einer ähnlichen Sache zugunsten des Klägers entschieden. In jenem Fall sei ein politischer Wahlbeamter abgewählt und dessen Abwahl sei ausführlich begründet worden. Der Kläger habe dies als "Scheinbegründung" zurückgewiesen und seinen Rauswurf aus dem Amt ebenso juristisch angefochten, wie es nun auch Paschalis getan hatte. "In dieser Sache hier gibt es hingegen keine Begründung, deshalb bewegen wir uns im Bereich der Motivsuche", klärte der Vorsitzende Richter die Prozessbeobachter darüber auf, an welcher Stelle es beim Wuppertaler Fall anders gelagert sei.
Für Panagiotis Paschalis war das Motiv hingegen von Anfang an klar. "Ohne ASS wäre ich noch immer im Amt", so der ehemalige Rechtsdezernent, der gegen seine Abwahl vor dem Verwaltungsgericht geklagt hatte. Dazu muss man wissen, dass er es war, der die mittlerweile vor dem Bochumer Landgericht verhandelten Verträge der Stadt Wuppertal und der Wuppertal Marketing Gesellschaft mit der Firma ASS als nichts rechtskonform eingestuft und deren juristische Klärung auf den Weg gebracht hatte.
Zum Hintergrund: Die in Bochum ansässige Sportsponsoring-Firma ASS soll bereits seit 2004 jährlich etwa 8.000 Autos beim Wuppertaler Straßenverkehrsamt zugelassen haben. Im Gegenzug soll die Wuppertal Marketing GmbH für Werbeaufkleber bezahlt haben, die - auf den zugelassenen Autos angebracht — für die Stadt werben sollte. Dass es sich dabei um einen Scheinvertrag und um unzulässige Rabatte bei den Zulassungsgebühren gehandelt haben soll, hatte das Bochumer Landgericht im Sommer 2018 in seinem Urteil festgestellt — und damit Paschalis im Nachgang Recht gegeben. Bei der Stadt Wuppertal ist man hingegen anderer Rechtsauffassung - ob der eingelegten Berufung stattgegeben wird, muss nun das Oberlandesgericht in Hamm entscheiden.
Für die Urteilsfindung des Verwaltungsgerichts, das jetzt darüber zu befinden hatte, ob Panagiotis Paschalis als Dezernent ins Rathaus zurückkehren kann, hatte die "Causa ASS" nach Bekunden des Gerichts keine maßgebliche Bedeutung. Man habe lediglich darüber zu befinden, ob es allein rechtsmissbräuchliche Gründe gewesen seien, die zu dessen Abwahl geführt hätten. Dabei komme dem Wort "allein" eine besondere Bedeutung zu, weil man zwar nicht ausschließen könne, dass die Vorgänge rings um die ASS-Verträge für die Ratsentscheidung zu Ungunsten des Dezernenten eine Rolle gespielt hätten. Allerdings sei der eingetretene Vertrauensbruch zwischen Rat und Beigeordnetem als ausschlaggebend für die Abwahl anzusehen. Und dieser wiederum müsse nicht begründet werden, um rechtswirksam zu sein.
Bereits vor der Urteilsverkündung hatte Panagiotis Paschalis über seinen Anwalt sein Befremden hinsichtlich dieser Rechtsauffassung kundtun lassen. Der hatte sich wie folgt geäußert: "Das kommunalpolitische Umfeld entzieht sich bei derartigen Entscheidungen regelmäßig der Überprüfbarkeit." Aus Sicht seines Mandanten sei dessen Abwahl einer Bestrafung gleichgekommen, die dazu noch habe die Debatte um aufgeworfene Korruptionsvorwürfe "einhegen" sollen. Im Klartext: Hier sei jemand für seine "illoyale" Vorgehensweise gegenüber dem Oberbürgermeister und der Verwaltung abgestraft worden, der Missstände habe aufklären wollen, die man dort lieber unter den Teppich gekehrt hätte.
Zuvor war ein vom Paschalis-Anwalt eingebrachter Beweisantrag abgelehnt worden, der unter anderem die Protokolle des Ältestenrates zum Bestandteil der Verhandlung gemacht hätte. Dort soll bereits im Vorfeld über die Abwahl des Dezernenten gesprochen worden sein. Der Fraktionsvorsitzende der Partei "Die Linke" - Gerd-Peter Zielezinski - hätte als Zeuge gehört werden sollen und äußerte sich — weil es aufgrund des abgelehnten Beweisantrages nicht mehr zu einer Aussage gekommen war — nach der Verhandlung als Mitglied des Ältestenrates mit deutlichen Worten zu dem, was dort besprochen worden sein soll: "Es war von vornherein kein ,Fall ASS‘, sondern ein ,Fall Paschalis‘, so Zielezinski.
Nachdem das Rechnungsprüfungsamt "den Deckel zugemacht" habe und man die Sache habe nicht juristisch weiterverfolgen wollen, habe Panagiotis Paschalis das nicht für rechtskonform gehalten. Hinzu sei noch gekommen, dass man den Rechtsdezernenten nicht in den Ältestenrat geladen habe und er selbst auf seine Anregung, das doch zu tun, nur ausweichende Ablehnungsgründe gehört habe. Die Angriffe auf Paschalis hätten im Ältestenrat stattgefunden. Von dort aus seien ebenjene Angriffe in die Fraktionen hineingetragen worden, wo man unter anderem kritisiert habe, dass Paschalis die Entscheidung des Rechnungsprüfungsamtes nicht akzeptiert und ohne Absprache ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben habe. Es soll sogar Ratsmitglieder gegeben haben, die es als Aufgabe des Rechtsdezernenten angesehen hätten, das von ihm kritisierte ASS-Geschäft rechtskonform zu machen.
Das Urteil hat Verwaltungsgerichts hat nun jedenfalls die Voraussetzungen für eine Neubesetzung der Beigeordnetenstelle geschaffen. Zuvor hatte die Bezirksregierung entschieden, dass trotz der Entgeltfortzahlung an Paschalis bis zum Ende seines über insgesamt acht Jahre laufenden Vertrages die fünfte Dezernentenstelle neu besetzt werden kann.
Oberbürgermeister Andreas Mucke und Stadtdirektor Dr. Johannes Slawig bewerteten das Urteil in einer ersten Stellungnahme als Bestätigung des korrekten Handelns von Rat und Verwaltung, aber auch als klare Absage an die vom ehemaligen Beigeordneten wiederholt öffentlich erhobenen, haltlosen Vorwürfe in Zusammenhang mit seiner Abberufung.
Paschalis selbst will nun die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, um dann zu überlegen, ob er beim Oberverwaltungsgericht in Münster die Berufung beantragen wird. Die Situation sei für ihn belastend und er bedaure sehr, dass er nicht habe in sein Amt zurückkehren können. Er habe einen Korruptionsfall aufgedeckt und stehe nun selbst am Pranger. "Das ist aus meiner Sicht eine verkehrte Welt", sagte er noch kopfschüttelnd, bevor er mit seinem Anwalt das Gericht verließ.