Vorfall bei Demo gegen Rechte Lenz-Festnahme: Ermittler erheben schwerere Vorwürfe

Wuppertal / Düsseldorf · Polizei und Justiz wollen den Vorstandsvorsitzenden des Wuppertaler Jobcenters, Thomas Lenz, nicht nur wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, sondern wegen des erheblich schwereren Verdachts des Angriffs auf Polizisten belangen.

Ein Screenshot des inzwischen gelöchten Internet-Videos, das die Festnahme von Jobcenter-Chef Thomas Lenz zeigt.

Foto: Screenshot Rundschau

Das teilte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch (4. Juli 2018) mit.

Das betreffende Strafverfahren läuft derzeit gegen Lenz und bezieht sich auf eine örtlich begrenzte Ausschreitung bei einer Demonstration gegen einen Aufmarsch der Partei "Die Rechte" am 16. Juni in Barmen und Oberbarmen.

Unter dem Vorwurf des tätlichen Angriffs sind Haft- und Bewährungsstrafen ab drei Monaten möglich; das Höchstmaß liegt bei fünf Jahren Gefängnis. Die Demonstrationen am mutmaßlichen Tattag hatten den Bereich rund um Berliner Platz, Berliner Straße, Alter Markt und Bahnhof Barmen umfasst. Lenz hatte sich privat an Demos gegen die Rechten beteiligt.

NRW-Innenminister Herbert Reul.

Foto: www.herbert-reul.de

Polizisten nahmen ihn und einen weiteren Beschuldigten getrennt voneinander am Rand des Geschwister-Scholl-Platzes gewaltsam in Gewahrsam. Das gesamte Geschehen und die Diskussion über Demonstrations-Wege und -Auflagen aus den Tagen zuvor will der Innenausschuss des Landtags am Donnerstag (5. Juli) auf Anträge der CDU-, FDP-, SPD- und Grünen-Fraktionen besprechen.

In Unterlagen für den Ausschuss beschreibt Reul ausführlich das Verhalten Lenz‘ während der Kundgebungen aus Sicht der Polizei und den konkreten Vorwürfen. Der Beschuldigte habe sich einem Platzverweis widersetzt und sei festgesetzt worden, um weitere Straftaten zu verhindern. Er hätte sich zuvor an mehreren Schauplätzen in Auseinandersetzungen mit Polizisten begeben. Das habe sich bis zum Versuch gesteigert, sich körperlich gegen Beamte zu drängen - anscheinend zunächst ohne dass die Polizei das als Straftat wertete.

Offen bleibt, ob die Ermittler ein mutmaßliches Entlastungsvideo von Augenzeugen bereits berücksichtigt haben. Lenz, der auch Verwaltungsratsvorsitzender des Fußball-Regionalligisten WSV ist, hatte darauf öffentlich verwiesen. Der Innenminister stellte klar, dass die Polizei kein eigenes Video von der Festnahme hat. Er verwies auf das künftige Ergebnis des Strafverfahrens, das noch andauert. Darüber hinaus werte das Polizeipräsidium die Abläufe intern aus.

Reul stellte klar, dass die Polizei bereits seit dem Tag der Demonstration gegen Teilnehmer der rechten Demo wegen Volksverhetzung, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Aufrufs zu Straftaten ermittelt. Die mutmaßlichen Verstöße seien auf Polizei-Videos dokumentiert. Linken zufolge hätten die Beamten diesen Teil des Geschehens übergangen.

Außerdem bezog Reul Stellung zu einem Schreiben der Polizei an einen Wuppertaler, der vor dem Demonstrationstag Auskunft zur Planung verlangt hatte. Der Betroffene hatte den Behördenbrief öffentlich gemacht, der sich abschnittsweise wie eine Liste von Unterstellungen liest. Reul zitierte den Polizeipräsidenten aus dessen dienstlicher Stellungnahme dazu: "Es war nicht beabsichtigt, Mitglieder der Zivilgesellschaft unter Generalverdacht und in eine gewaltbereite, paramilitärische Ecke zu stellen. So einen Sprachgebrauch hat es weder in der Vergangenheit gegeben noch wird es ihn in der Zukunft in meiner Behörde wieder geben."

Reul fügte hinzu: "Die Landesregierung teilt den Standpunkt, dass es sich verbietet, Mitglieder der Zivilgesellschaft unter Generalverdacht und in eine gewaltbereite, paramilitärische Ecke zu stellen." Sie begrüße, dass der Polizeipräsident versuche, solche Formulierungen und die dadurch bedingten "Kommunikationsfehler" künftig zu vermeiden.