Kurzserie „Mein Moment 2022“ Absolut Annalena
Wuppertal · Ich habe die junge Frau zum ersten Mal in einer Talkshow gesehen. Sieben, acht Jahre muss das her sein. Sie saß da, sehr aufrecht, zwischen vielen Männern und erklärte die Chance vom Ausbau von Windkraft innerhalb der EU. Sie schwafelte nicht, sondern erklärte, hatte keinen Pathos, sondern Fakten.
Und die Männer um sie herum wanden sich, mit Spott im Mundwinkel und Erstaunen in den Augen. So habe ich es jedenfalls in Erinnerung. Und wie ich zu meinem Freund gesagt habe: Guck mal, die ist cool. Die junge Frau war Annalena Baerbock.
Immer wenn sie auf der politischen Bühne auftauchte, sah ich seitdem besonders gerne hin. Ich freute mich mit ihr, als Thomas de Mazière in einem „Zeit“-Interview sagte, sie sei für ihn die beeindruckendste politische Figur bei den gescheiterten Ampel-Gesprächen gewesen. Nicht nur mich, sondern sogar den ehemaligen CDU-Innenminister schien die junge Grüne in den Bann gezogen zu haben, mit ihrer Expertise, ihrer Argumentation an der Sache. Dann wollte sie Kanzlerin werden, stolperte und wurde Außenministerin.
Im Mai dieses Jahres, es war Muttertag, trat sie in dieser Funktion am Laurentiusplatz auf und sie und ich begegneten uns, irgendwie zwischen Hunderten von Leuten. Und so vieles, was ich nur durchs Fernsehen oder durch Zeitungsartikel kannte, schwirrte in der Luft über dem vollgefüllten Platz. Hype und Hass. Krieg und Krisen, die mich selbst oft um Haltung ringen lassen.
Und vorne zeigte die junge Frau, auf die sich Aufmerksamkeit, Bewunderung, vor allem Wut richtete, genau das. Haltung. Sie sprach unbeirrt, war bei sich oder vielmehr ihren Überzeugungen und Werten, die sie in diesen Tagen sogar schwere Waffen liefern lassen. Sie stand für diese Entscheidung ein. Für mich an diesem Tag: ikonisch stark.
Ich habe das Glück, schon viele berühmte Menschen getroffen zu haben. Aber dieser Tag hat mich bewegt. Als Journalistin, als Mutter einer Tochter in einer immer schwieriger werdenden Welt. Ich reise weiter mit Annalena Baerbock, über die Medien, beobachte ihren vollkommen neuen Ansatz der feministischen Außenpolitik und ihren für mich so authentisch wirkenden Einsatz für Frauen und Kinder in Nigeria, im Iran und Indien.
Manchmal habe ich das Gefühl, die Sache mit der Haltung wird durch sie leichter. Gerade in Krisenzeiten tun Vorbilder gut.