Ev. Kirchenkreis Wuppertal „Geistliche Begleiter“: Gott erfahren mit Leib und Seele

Wuppertal · Elisabeth Werth und Christoph Nüllmeier sind „geistliche Begleiter“ im ev. Kirchenkreis Wuppertal. Doch was ist das überhaupt? Im Interview berichten sie über diese etwas andere Form der Seelsorge.

Elisabeth Werth und Christoph Nüllmeier.

Foto: Sabine Damaschke

Was unterscheidet eine geistliche Begleitung von klassischer Seelsorge?

Elisabeth Werth: „Seelsorge ist in der Regel anlassbezogen. Bei einem Tauf- oder Trauergespräch kommen die aktuellen Fragen und Sorgen zur Sprache, die die Menschen beschäftigen. Andere wenden sich gezielt mit einem konkreten Thema, das sie bedrückt und über das sie reden möchten, an eine Seelsorgerin bzw. einen Seelsorger.“

Die geistliche Begleitung sehe ich dagegen als ein Lebensgespräch mit Gott. Man verabredet sich zu einem regelmäßigen Gespräch, bei dem es um das persönliche spirituelle Leben geht. Zweifel und Krisen gehören meistens dazu. Sie sind oft der Anlass dafür, dass Menschen eine geistliche Begleitung suchen und zugleich der Wendepunkt für eine Veränderung.“

Christoph Nüllmeier: „Lebensfragen, die uns beschäftigen, sind oft auch Glaubensfragen. Die stellen sich konkret, wenn es um Trauer und Tod geht, um Ängste und unerfüllte Sehnsüchte. Wo ist Gott in meiner Not? Gibt es ihn überhaupt und wie und wo erfahre ich ihn? Das sind Fragen, denen wir in der geistlichen Begleitung nachgehen.“

Was erwarten Menschen, die Sie um eine geistliche Begleitung bitten?

Elisabeth Werth: „Viele wünschen sich eine neue Gotteserfahrung. Sie möchten den christlichen Glauben als Kraftquelle für ihren Alltag erfahren und Gott erleben – und zwar nicht nur im Kopf durch eine intellektuelle Auseinandersetzung mit ihm, sondern mit Herz, Leib und Seele.

Sie möchten aus dem Hamsterrad der Sorgen, des Leistungsdrucks und der inneren Unruhe, die unsere heutige Zeit prägen, herauskommen. Die geistliche Begleitung sieht den ganzen Menschen und bietet ihm an, sich Zeit für eine ruhigere Strecke zu nehmen, um dabei Gott neu und anders zu begegnen.“

Wie sieht diese ganzheitliche Begleitung im Glauben aus?

Christoph Nüllmeier: „Wir reden nicht nur, sondern schweigen und meditieren. Still zu werden und ohne eine Erwartung in Gottes Gegenwart zu sitzen, ist ganz schön schwer und will eingeübt werden. Da können wir übrigens auf viele alte Rituale aus Klöstern zurückgreifen. Gerne übe ich das „Herzensgebet“ ein.

Es ist ein Beten ohne Gedanken, Bilder und Vorstellungen, ähnlich der Zen-Meditation. Wir wiederholen still ein biblisches Wort oder einen Satz wie ein Mantra. Das hilft uns, wirklich ruhig und empfänglich für Gottes Gegenwart zu werden. Übrigens kann diese Erfahrung auch in der Natur beim Pilgern machen. Ich biete deshalb in meiner Gemeinde regelmäßig Pilgerwanderungen an.“

Kann eine geistliche Begleitung auch in Gruppen stattfinden?

Elisabeth Werth: „In der Regel begleiten wir Einzelpersonen über einen längeren Zeitraum, aber ich nutze die Übungen auch in Gruppen. Inzwischen kommen immer mehr kirchliche Gremien auf meine Kolleginnen und Kollegen in der Gemeindeberatung und mich zu, die sich ganzheitlich mit ihrem Glauben beschäftigen möchten. Sie verantworten so wichtige Entscheidungen für die Gemeinden, dass sie diese gern auf Grundlage des christlichen Glaubens und seiner Werte treffen wollen.

Dafür braucht es innere Ruhe und Kraft. In den Gruppen bieten wir Bibel- und Gebetsmeditation, eutonische Körperübungen und auch Tanz an. Oft bin ich erstaunt, wer sich darauf einlässt (lacht). Das sind keineswegs nur Frauen mittleren Alters, sondern auch junge Männer.“

Christoph Nüllmeier: „Die Erfahrung mache ich auch. Wenn ich Pilgerwanderungen anbiete, nehme daran auch ,echte Kerle‘ teil, die wir im Gottesdienst nicht sehen. Mit diesen spirituellen Angeboten erreichen wir Menschen, die auf der Suche nach Gott sind, aber dafür nicht unbedingt in eine Kirche gehen würden.“

Sollten sich die christlichen Kirchen auf dem großen Markt der spirituellen Angebote stärker engagieren?

Elisabeth Werth: „Mehr geht natürlich immer. Und darin liegt wohl die Schwierigkeit. Doch das Engagement könnte anders verteilt werden. Ich fände es gut, wenn die Kirche als kompetenter Player auf dem Markt der Sinnsucher sichtbarer wird. Denn es wächst der Bedarf, sich auf Glaubenserfahrungen einzulassen, die Körper und Herz berühren.

Interessanterweise gibt es zwischen Kirchenaustritten und Sinnsuche eine gegenläufige Bewegung. Obwohl viele aus den Kirchen austreten, wächst doch gleichzeitig der Bedarf an spirituellen Angeboten. Menschen suchen gezielt nach Wegen, um Sinn und inneren Frieden zu finden.“