AZ-Messerattacke-Prozess in Wuppertal "Für die Polizei von besonderer Bedeutung"
Wuppertal · Der Prozess um einen beinahe tödlichen Messerangriff am Autonomen Zentrum (AZ) an der Gathe ist am Mittwoch zu Ende gegangen. Er bringt einen 25-jährigen Angeklagten aus der rechten Szene wegen versuchten Totschlags für acht Jahre ins Gefängnis.
Das Landgericht verurteilte einen Mitangeklagten (43) zu 18 Monaten Haft, gegen einen Dritten (39) sind neun Monate Bewährungsstrafe verhängt worden. Die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig.
Laut Feststellungen besuchten die drei die Kneipe im AZ — wissend, mit ihrer Einstellung dort unwillkommen zu sein. Zwei von ihnen hatten sich dafür bewaffnet. Sie wurden erkannt und des Hauses verwiesen. Zur Messerattacke kam es danach: Die drei Täter waren auf der Straße vor dem AZ kurz allein mit ihrem Opfer, einem links eingestellten Gastwirt aus der Nordstadt. Laut Ärzten muss er mit lebenslangen Folgen seiner Verletzungen rechnen.
Einiges bekannt geworden ist zum Hintergrund der Angeklagten: Der 25-Jährige, angehender Koch und früher in der NPD, gab an, bei den rechtsgerichteten "Hooligans gegen Salafisten" (Hogesa) zu sein. Bei "Pegida" werde "ja nur gequatscht"...
Er berichtete sichtlich herablassend, wie er am Tatabend auf dem Frauen-WC des linken Zentrums in eine Ecke uriniert hat, weil es ihm "zu dreckig" gewesen sei. Der 39-jährige, ein Remscheider ohne Ausbildung, der auch als Obdachloser gelebt hat, erklärte, er interessiere sich vor allem für Fußball. Und dann gab es den 43-Jährigen, der von seinen Mitangeklagten als Aussteiger bezeichnet wird. Im laufenden Prozess heiratete er seine Freundin und mögliche Belastungszeugin — verhalf ihr damit zum Schweigerecht. Er hat womöglich noch im November ein Foto ins Internet gestellt, das seine Brust mit einem Hakenkreuz-Tattoo zeigt. Das Gericht nannte ihn den "Ideen-Geber" des AZ-Auftritts.
Ganz ungewöhnlich hatten Ermittler der Kriminalpolizei die Beweisaufnahme des Gerichts lückenlos mitverfolgt. Das Präsidium bestätigte unserer Zeitung auf Anfrage, dass es um mögliche Änderungen im Aussageverhalten der Beteiligten ging — und um eventuelle zusätzliche Ermittlungen. Ein Polizeisprecher: "Der Prozess ist für die Polizei Wuppertal von besonderer Bedeutung. Die Polizei wertet das Prozessgeschehen auch selbstkritisch aus. Wenn wir Verbesserungsmöglichkeiten in unseren Arbeitsabläufen erkennen, dann setzen wir diese auch um."
Ein Kriminalbeamter hatte als Zeuge auf kritische Nachfragen des Gerichts bestätigt, den ältesten Angeklagten kaum befragt zu haben. Ein anderer gab an, dass ihm Unterlagen nicht vorlagen, die er für wichtig gehalten hätte. Und möglicherweise gab es vor einem Imbiss an der Gathe weitere Augenzeugen, die nicht befragt wurden.