Flüchtling findet auch in Wuppertal keine Ruhe Folterübertragung per Telefon
Wuppertal · "Wir haben deinen Bruder und deinen Cousin. Entweder ihr zahlt oder beide sterben." Mit diesem Anruf begann für Johannes Tekle vor drei Wochen ein Alptraum, der ihn zurückzieht in die Abgründe seiner Heimat in Eritrea.
Seit Jahren versuchen Tausende der Zustände in Eritrea zu entfliehen, wo Armut, Hunger und ein menschenverachtendes Regime eine Symbiose des Schreckens bilden. Von den Behörden verfolgt, machte sich auch Johannes Tekle auf in Richtung in Freiheit - zu Fuß. Doch im Sudan angekommen, wurde er verhaftet, ins Gefängnis gesteckt und täglich zur harten Feldarbeit gezwungen.
Im Juli 2014 gelang ihm die Flucht nach Libyen und von dort nach Lampedusa, ein Jahr später fand er in Wuppertal eine neue Heimat. Auch wenn er seine Mutter und vier Geschwister vermisste, war er froh, hier in Ruhe und Frieden leben zu können. Bis vor drei Wochen der ominöse Anruf kam.
"Seitdem versucht er, mit Hilfe von Verwandten und Bekannten das Lösegeld von 8.000 Dollar pro Person aufzutreiben. Selbst wenn es ihm gelingt, eine Garantie für das Leben der Geiseln ist das nicht", erklärt Kesette Awet. Der Sozialpädagoge und Dolmetscher mit eritreischen Wurzeln unterstützt Johannes Tekle nach Kräften. Und er kennt die Situation vor Ort: "Entführungen, Erpressungen und Organhandel gehören in Eritrea und Nachbarstaaten zur Tagesordnung. In den letzten Jahren sind schätzungsweise 30 000 Eritreer Opfer von Gangstern geworden, die Menschen auf die grausamste Art umbringen."
In der Regel läuft das so ab: Menschen auf der Flucht werden gekidnappt, dann wird in ihren Handys nach Familienmitgliedern, Verwandten und Bekannten gesucht, die Lösegeld zahlen sollen.
Noch während Kasette das sagt, klingelt das Handy von Tekle. Sofort verändert sich der Gesichtsausdruck des 24-Jährigen. Der Dolmetscher weiß sofort, was passiert ist: "Während solcher Telefonate werden die Opfer gefoltert, damit die Angehörigen ihre Schreie hören." Und weiter: "Zahlt die Familie, besteht die Chance auf Freilassung. Aber genauso gut kann es passieren, dass die Geiseln dennoch ermordet werden. Ein solches Schicksal, eine solche Hypothek aus der alten Heimat steht leider für viele Flüchtlinge aus Afrika am Anfang ihrer Freiheit in Europa."
Auf Nachfrage der Rundschau bestätigt Sozialdezernent Stefan Kühn, dass die menschenverachtenden Verhältnisse in Eritrea bekannt sind: "Dort presst und plündert eines der weltweit brutalsten Regimes die Bevölkerung gnadenlos aus, wie es schlimmer nicht geht."