Gut zur Linden an der Gruitener Straße Der Landrat liebte es edel...
Wuppertal · Auf Gut zur Linden an der Gruitener Straße wurde ein altes Schätzchen nach langem Dornröschenschlaf wieder zum Leben erweckt. Momentan hat es sogar das Wetter, das es für seinen Einsatz benötigt.
Frisch gewienert steht er in der stahlblauen Wintersonne, die Pferde sind bereits geputzt und eigentlich könnte es gleich losgehen, doch zur Fahrt mit dem ehemaligen Landratsschlitten fehlen satte zehn Zentimeter Schnee unter den Kufen.
"Das war ein hartes Stück Arbeit, den Schlitten wieder so hinzukriegen. Immerhin hat das gute Stück mindestens 200 Jahre auf dem Buckel", erinnert sich Landwirt Karl Bröcker an die mühselige Restaurierung des Landratsschlittens. Dem Mettmanner Landrat Thomas Hendele hat er sein Juwel schon präsentiert — und probehalber Platz nehmen durfte der auch schon. "Spontan hat Hendele zugesagt, bei Schnee eine Fahrt mit mir durch das Osterholz anzutreten. Die Strecke habe ich schon ausgewählt und für eine Überraschung werde ich auch sorgen", hofft Bröcker sehnsüchtig auf eine kräftige Schüppe Schnee.
Wie der Mettmanner Schlitten nach Vohwinkel kam? Auch das kann Karl Bröcker erklären: "Nach dem Abgang Napoleons wurde 1816 der Kreis Mettmann gegründet und der Sitz des Landrats war erst in Cronenberg und dann Vohwinkel. Ohne Eisenbahn blieb zu Fahrten durch den Kreis nur die Kutsche, im Winter eben der Schlitten, mit dem Landrat und Sekretär durch den Kreis fuhren. Die Bauern stellten die Pferde, so auch meine Vorfahren, die immer zwei Warmblüter für den Milchwagen im Stall stehen hatten", kennt sich Karl Bröcker in der Geschichte des Kreises und seiner Familie, die die Flächen im Krutscheider Bachtal seit 1448 bewirtschaftet, bestens aus.
Dass der Schlitten überlebte, ist dem Zufall zu verdanken, denn während des Zweiten Weltkriegs stand er auf einem anderen Hof in Mettmann. "In den letzten Kriegstagen beim großen Angriff auf Vohwinkel ist unser Hof fast vollständig zerstört worden, 160 Bombentreffer wurden auf der gesamten Betriebsfläche gezählt. Als mein Vater 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, holte er auch den Schlitten wieder hierher". Dann geriet der Schlitten in Vergessenheit...
Ein Umbau und das Ausräumen der alten Scheune brachte ihn wieder an den Tag. Karl Bröcker und seine Familie waren fasziniert und man beschloss, den alten Schlitten wieder in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.
"Zuerst haben wir den Schlitten in seine Einzelteile zerlegt. Er ist in Handarbeit gefertigt, ein befreundeter Nachbar, der Schreiner ist und ursprünglich aus Schlesien kommt, schätzt das Alter auf über 200 Jahre und meint, dass der wohl nicht in unseren Breiten gebaut worden ist. Zu jeder Schraube gibt es nur eine passende Mutter, also mussten wir alle Teile genau durchnummerieren. Die Seitenteile sind aus Nussbaum und Esche, durch einen Unfall war die rechte Seite beschädigt, sie wurde neu geschnitzt, die Eisenteile mit dem Sandstrahler bearbeitet und neu lackiert. Zuletzt haben wir die Polster erneuert und den Schlitten dann im Wohnzimmer wieder zusammengebaut. Ursprünglich muss es auch ein Dach zu dem Schlitten gegeben haben. Wir konnten es jedoch nicht finden, es ist wahrscheinlich hier auf dem Hof verbrannt, so wie auch die gesamten Dokumente über unsere Familiengeschichte", ist der vielseitige Landwirt auch ohne Dach zu Recht stolz auf sein Meisterwerk.