Am Limit lenkt nur noch der Zufall
Wuppertal · Wenn es um sicheres Motorradfahren geht, arbeiten Polizei und die Biker-Gruppe "Limiter" im Bergischen Land eng zusammen.
Sonntags gegen 10 Uhr auf dem Gelände der Wuppertaler Bereitschaftspolizei: 40 Biker und Bikerinnen, überwiegend im gestandenen Alter, die sich zum Verkehrssicherheitstag mit geführter Tour angemeldet haben, sind eingetroffen.
Nach einer kurzen Begrüßung durch die Polizeihauptkommissare Rainer Feller und Dieter Moors vom Team der Verkehrssicherheitsberatung geht's direkt zur Sache: Ein Autofahrer blickt vorm Abbiegen nach links und rechts, fährt los: Der Motorradfahrer, durch die A-Säule des Wagens verdeckt, hat keine Chance... Die Videosequenz ist so kurz wie hart — verfehlt ihre Wirkung nicht ...
"2015 hat es in der Region etwa 200 Motorradunfälle gegeben. Zu schnell gefahren, zu spät erkannt, das sind die häufigsten Unfallursachen", so Rainer Feller. "75 Prozent der verunglückten Motorradfahrer sind zwischen 40 und 60 und in der Regel Wiedereinsteiger, aber auch hin und wieder Neuanfänger. Und die wollen wir in erster Linie mit Aktionen wie dieser erreichen", ergänzt "Limiter" Rainer Christmann.
Er gehört zu den 220 Bikern in der Region, die sich als Mitglieder des lockeren Netzwerkes "Limiter" verpflichtet haben, nach dem Motto "Am Limit lenkt der Zufall" verantwortungsvoll und vorbildlich Motorrad zu fahren — und die Polizei in Sachen Verkehrssicherheit zu unterstützen.
Gegen 10.30 Uhr werden die durchaus PS-starken Motoren gestartet, in Kleingruppen geht es auf unterschiedlichen Touren in Richtung Wipperfürth. Die von Dieter Moors begleitete Gruppe, in der auch Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher fährt, stoppt bereits kurz hinter der Kohlfurth in Fahrtrichtung Solingen auf einem Waldweg.
Anschauungsunterricht ist angesagt: "Vor Wochen ist hier ein Biker, vermutlich wegen überhöhter Geschwindigkeit, gegen den Bordstein gekommen, gestürzt und gegen den Pfahl eines Verkehrsschildes geprallt. Er liegt noch schwer verletzt im Krankenhaus", berichtet Moors und untermauert das Szenario mit Fotos von der Unfallmaschine.
Es geht weiter — bis sich alle Gruppen auf einem Supermarkt-Parkplatz in Wipperfürth treffen. Die Biker bilden eine Gasse, "Limiter" Stefan Kirscht startet seine 1.200er BMW, dreht eine Schleife, fährt mit 30 km/h in die Gasse und macht eine Vollbremsung, kommt nach 4,50 Metern zum Stehen. "Wie viel Meter werden es bei 60 Stundenkilometern sein?", fragt Feller. Die Antworten reichen von acht bis zu 16 Metern. Die korrekte Antwort wäre gewesen: 16,50 Meter.
"Bremswege einschätzen zu können, und zu wissen, wann ich mit beiden, wann nur mit dem Hinterrad bremsen sollte, sind elementare Faktoren in Sachen Sicherheit", so Rainer Feller. Eine Teilnehmerin: "Das Bergische Land ist für Motorradfahrer eine Offenbarung. Kurvenstrecken, Hügel und Tälern, da macht das Fahren, das Gefühl von Freiheit, einfach Spaß. Das ist das Gefährliche. Und das Gasgeben auch..." Weiter führt die Tour Richtung Wuppertalsperre, wo das Mittagessen angesagt ist.
Und zum Nachtisch werden dann noch die Leviten gelesen: Feller & Co. haben unterwegs ständig auch ein Auge auf Fahrstil und Fahrverhalten der Biker geworfen. Jetzt werden diese mit ihren Stärken und Schwächen konfrontiert.
Mit einem Brainstorming nach sechs Stunden und etwa 170 gefahrenen Kilometern endet die Veranstaltung: "Uns ist es wichtig, Motorradfahrer für ihre individuellen Defizite zu sensibilisieren. Wer die verinnerlicht hat, arbeitet daran, fährt aufmerksam und sicher. Und das ist die beste Voraussetzung, um lange Spaß am Motorradfahren zu haben", sagt Dieter Moors.