Wuppertaler Schauspiel mit „Mephisto“ von Klaus Mann Abwaschbares, aalglattes Abziehbild

Wuppertal · Mit einer Theaterfassung von „Mephisto“, dem bekanntesten (Exil-)Roman von Klaus Mann, hat Regisseur Nicolas Charaux für das Wuppertaler Schauspiel einen schrägen und ambivalenten 90-Minüter auf die Opernhaus-Bühne gebracht.

Doppel-Tänzchen auf dem Vulkan – unter den Augen der Nazi-Kultur-Schickeria: Konstantin Rickert (links), Thomas Braus (Mitte), Stefan Walz und Paula Schäfer.

Foto: Björn Hickmann

Klaus Manns Text erschien schon 1936. Das Buch thematisiert – kaum verhüllt – den Beginn und Karriere-Aufstieg von Star-Schauspieler Gustaf Gründgens, der den schlechten Ruf, sich den Nazis nicht widersetzt, sondern im Gegenteil mit den Wölfen geheult zu haben, zeit seines Lebens nicht los wurde. Trotz der Tatsache, bis heute die einzig wahre deutschsprachige „Mephisto“-Rollenlegende zu sein.

Die Charaux-Version (die Bühnenfassung ist zusammen mit Marie-Philine Pippert entstanden) verdichtet den Mann-Text, bringt ihn in ein abgemagertes, heutiges Bühnenbild. Für das hat Albert Frühstück, der auch für die zeitlosen Kostüme verantwortlich zeichnet, einen kahlen Raum geschaffen, in dem sich ein schlecht funktionierender Kaffee-Automat, eine Designer-Leuchte, ein paar Möbel und eine Reihe rätselhafter Holzscheite abwechseln.

Auf diesem Areal geht’s um den zuerst links-anarchistischen Provinzschauspieler Hendrik Höfgen, der ganz unmerklich sein Fähnchen nach dem aufkommenden Nazi-Wind dreht – und „rubbeldiekatz“ Mega-„Mephisto“ und Staatstheater-Intendant wird. Konstantin Rickert spielt diesen sonnenbebrillten, selbstverliebten und zugleich zutiefst selbstunsicheren Schauspieler als aalglattes, abwaschbares Abziehbild. Schrecken oder Abscheu ruft er nicht hervor, dafür Kopfschütteln und Gelächter. Höfgen, der sich stets, wenn’s (politisch) brenzlig wird, zurückzieht, fährt gut mit dieser Tour. Seinen Geliebten Julian lässt er fallen, seine Ehefrau Barbara, Tochter eines Geheimrats, heiratet er nur aus Gründen des gesellschaftlichen Aufstiegs.

Gefeiert wird der Höfgen-Karrierestart bei einer skurrilen Fete im Provinz-Theater, das er nun bald verlassen wird. Das schräge Fest ist sehr Charaux-like – abstrus, grotesk mit Teufelshörnchen kostümiert und trotzdem ungeschminkt. Inklusive aufgemaltem Slogan „Gustaf, du geile Sau“ – knackige Anspielung auf Gründgens.

Konstantin Rickert spielt einen Hendrik Höfgen, der zwar niemanden tatsächlich vernichtet, aber alle allein lässt. Und allein bleibt er auch selbst. Nur einmal startet er eine Rettungsaktion für seine frühere Kollegin Anna Ulrichs. Oft möchte man ihn packen und schütteln, doch Konstantin Rückerts Höfgen bekommt man nicht zu fassen.

Die anderen spielen mehrere Rollen. Thomas Braus ist gut als Staatstheater-Chef von Muck, der seinen Job an Höfgen verliert: Gemeinsam liefern sie eine Tanz-Performance „auf dem Vulkan“.

Stefan Walz punktet vor allem als klar von Göring inspirierter „Ministerpräsident“: Und ja, vor ihm und seiner schneidend bedrohlichen Stimme kann man sich fürchten.

Paula Schäfer ist intensiv als kommunistische Schauspielerin Anna Ulrichs, dann erschreckend niedlich als das exakte Gegenteil, die „Bühnen-Volksgenossin“ Lotte Lindenthal. Da gelingt es ihr, tatsächlich auszusehen und zu wirken wie eine Mischung aus Giorgia Meloni und Marine Le Pen. Luise Kinner dagegen verliert sich etwas in ihren Rollen: Ob die Schauspielerin Dora Martin oder Höfgen-Ehefrau Barbara Brückner – beide vertreibt das System der neuen Machthaber.

Sehr stark Alexander Peiler als zwei komplett unterschiedliche Gesichter: Den Höfgen-Geliebten Julian gibt er verzweifelt, den erst von den Nazis begeisterten, dann enttäuschten Schauspieler Hans Miklas verbittert authentisch.

Dieser Wuppertaler „Mephisto“, der optisch mit den für Charaux typischen großen Gesichter-Projektionen und Texten aus dem Off arbeitet, hat wie in Wellenbewegungen fesselnde schauspielerisch-szenische Höhepunkte. Aber ein Ganzes, das einen mitreißt, ergibt sich nicht.