Vier Neue von Arco
Christoph Haacker, der mit seinem Arco-Verlag in Wuppertal und Wien zu Hause ist, hat gerade ein Quartett von Neuerscheinungen präsentiert, das das jüngste Buchmesse-Thema Finnland ebenso abdeckt wie ein Stück (seinerzeit sehr umstrittener) englischer Literatur der 30er Jahre.
Zugleich gibt es den ungewöhnlichen "Rückreise-Bericht" eines aus der Tschechoslowakei stammenden US-Journalisten in seine Geburtsstadt — am Schluss des Zweiten Weltkrieges.
Joseph Wechsberg: " Heimkehr". Wechsberg (1907-1983) war als polyglotter rasender Reporter legendär und führte ein abenteuerliches Leben als Geheimagent, Schiffsmusiker, Feinschmecker, Weltenbummler. Seit 1938 im Exil, macht er in den USA als Bestsellerautor Karriere, ehe er mit der US-Army zurück nach Europa kommt. Anfang Mai 1945, in Böhmen wird noch gekämpft, macht er sich vom besiegten Deutschland aus auf nach Prag und in seine Geburtsstadt Mährisch Ostrau. Das ist farbig, spannend, sehr persönlich und mitten aus dem Leben geschrieben. Außerdem aufwändig bebildert und mit — wie bei Arco-Verlag eigentlich selbstverständlich — mit einem hochinformativen Nachwort ausgestattet. Preis: 15 Euro
James Hanley: "Fearon". Als Tagträumer in der Schule sehnt sich Fearon, aus der bedrückenden Enge seiner Hafenarbeiterherkunft auszubrechen, nach Bildung, danach, Drogist zu werden. Aber sein Vater setzt diesen Träumen ein jähes Ende: Sein erster Tag als halbwüchsiger Hilfsarbeiter in den Docks von Liverpool wird zur brutalen, erniedrigenden Erfahrung. Nachdem der Roman 1932 erschienen war, folgte ein Skandal: Das Buch wurde wegen seiner schonungslosen Darstellungen menschlicher Abgründe und sexueller Phantasien in England sogar öffentlich verbrannt. Der Arco-Verlag sorgt jetzt für die erstmalige Gelegenheit, "Fearon", der von Faulkner, E. M. Forster, Henry Miller oder Nick Hornby gefeiert wurde, auf Deutsch zu lesen. Preis: 22 Euro
Volter Kilpi: "Die Albatros". Kilpis monumentaler Roman "Alastalon salissa" von 1933 zählt zu den Klassikern der finnischen literarischen Moderne. In Finnland genießt das etwa 1.000-seitige Werk bis heute Kultstatus. Innerhalb des Buches wird die in sich geschlossene Geschichte des Schiffes "Albatros" erzählt, die der Arco-Verlag hier als eigenes Buch vorstellt. Es geht um den Traum eines Buchhalters, zum großen Reeder zu werden. Volter Kilpi wird in der finnischen Literatur mit Marcel Proust und James Joyce verglichen — wegen seiner inneren Monologe, Bewusstseinsströme, Neologismen und Allegorien. "Die Albatros" ist nur 110 Seiten lang — steckt aber voller überbordender Bilder: Ein echtes Stück klassisches Seemanns-Garn… Preis: zwölf Euro
Hagar Olsson: "Im Kanaan-Express". Und noch ein Stück Finnland: Im Schnellzug von Turku nach Helsinki bricht die Beziehungslosigkeit der Reisenden auf. In der zufälligen Begegnung zwischen einem Autor und einer jungen Frau entzünden sich Wünsche nach Wagnissen. Die für ein paar Stunden geteilte Sehnsucht nach einem erfüllteren Leben verwandelt den Turku-Express in den Kanaan-Express, in dem sich exotische Bilder entfalten. Aber im Rausch von Freizügigkeit, Alkohol und Drogen drohen die idealistischen Lebensentwürfe zu scheitern... Die finnlandschwedische Autorin Hagar Olsson schrieb dieses ganz und gar experimentelle Buch im Jahr 1929: Der Text ist kein leichter Stoff — und die quasi futuristisch-abstrakte Schreibweise stellt hohe Ansprüche an den Leser. Preis: 22 Euro
Der Arco-Verlag verdient sich mit diesen vier Büchern die Auszeichnung, einmal mehr Autoren (beziehungsweise auch eine Autorin) ans Licht geholt zu haben, die in Deutschland schon wegen ihrer exotischen Unbekanntheit etwas Besonders darstellen. Jeder Band ist bis ins Detail wunderschön gemacht — und definitiv eine Entdeckung.