Schnelltests in Schulen „In der Pause sind alle gelöst und happy“
Wuppertal · Wie laufen eigentlich die Schnelltests in den Schulen? Funktioniert der Ablauf? Die Wuppertalerin Karen Heitkamp unterrichtet in Düsseldorf an einem Berufskolleg. Ihr Erfahrungsbericht.
„Es ist Montagmorgen. Ich muss in die Schule, denn ich bin Lehrerin an einem Berufskolleg. Nach den Schulschließungen ist wieder Präsenzunterricht angeordnet in Zeiten von Corona. Denn wir können ja jetzt testen!
Vor den Osterferien waren die Corona-Schnelltests noch freiwillig. Jetzt gibt es die Testpflicht für alle Schülerinnen und Schüler im Schulgebäude. Das soll Sicherheit schaffen. Ich muss also in der ersten Stunde als Erstes die Schülerinnen und Schüler in meinem Unterricht anleiten, wie sie sich testen. Prima, denke ich. Zuhause habe ich schon zweimal selbst solch einen Test gemacht. Ich weiß also, wie das geht. Das sollte ich wohl auch in der Klasse schaffen.
In der Schule angekommen, hole ich die Schnelltests im Sekretariat ab. Vor den Ferien gab es noch eine Liste, welche Lehrerin bzw. welcher Lehrer für welche Klasse ein Paket Schnelltests abholt. Jetzt bekomme ich einfach ein ganzes Paket mit 20 Stück in die Hand gedrückt – obwohl zum Präsenzunterricht ja nur halbe Klassen kommen. Als es klingelt, kommen schnell neun Schülerinnen und Schüler in den Raum. Alle mit Maske – und noch tragen sie die Masken auch recht gut über Mund und Nase. Sie verteilen sich einigermaßen im Raum. An ein oder zwei Stellen muss ich jemanden umsetzen, damit die Abstände untereinander besser eingehalten werden können.
Nach einer kurzen Begrüßung – wir haben uns schließlich seit vielen Wochen nicht mehr live gesehen – kommen die Tests dran. Ich mache das Paket auf und nehme die ersten Tütchen heraus. Einige Schülerinnen und Schüler verziehen das Gesicht. Das ist ihnen irgendwie unheimlich. Zumindest unangenehm. Andere unken: ,Ich mache den Test nicht.‘ Aber allen ist klar: Das ist ja jetzt Pflicht. Wer nicht mitmacht, muss wieder nach Hause gehen.
Ich verteile die Tütchen mit den Teststäbchen, der ersten Utensilie für den Schnelltest. Und sofort merke ich: Der Ablauf, wenn ich mich alleine zu Hause teste, war ganz einfach und logisch. Aber für neun Personen im Raum gleichzeitig habe ich mir keinen Plan gemacht. Und leider auch niemand sonst, etwa als Vorlage.
Ich bin inzwischen einmal durch den ganzen Klassenraum gelaufen, an jeden Tisch, und habe mit zwar frisch desinfizierten Händen, aber ohne jeden weiteren Schutz jedem Schüler das erste Tütchen auf den Tisch gelegt. Eigentlich soll und will ich den Einzelnen ja gar nicht so nah kommen, aber wie soll ich denn sonst alles austeilen? Sollen die Schülerinnen und Schüler besser alles vorne am Lehrertisch abholen? Dann laufen aber neun Personen mehrfach durch den Raum.
Jetzt haben alle ein Wattestäbchen. Danach muss ich noch neun Röhrchen auspacken, in einen kleinen Pappständer stecken, damit sie stehen können, jeweils zehn Tropfen Testflüssigkeit einfüllen, die Deckel für die Röhrchen verteilen. Das alles fasse ich mit meinen Händen an. Spätestens jetzt denke ich, ich hätte mir Einmalhandschuhe besorgen und anziehen sollen. Zu spät. Ob ich jetzt schon etwas kontaminiert habe? Keine Ahnung. Schließlich verteile ich noch die Teststreifen. Inzwischen reichen die Schülerinnen und Schüler die Sachen weiter durch den Raum. Das ist unter normalen Umständen auch ganz üblich. Aber jetzt unterschreiten wir ständig Mindestabstände.
Nun kommt das eigentliche Testen. Jede und jeder muss sich das Stäbchen in die Nase stecken. Wie geht das denn jetzt? Alle gleichzeitig? Dann sitzen wir für einige Minuten alle ohne Maske im Raum. Oder einer nach dem anderen? Dann ist die Stunde endgültig rum, bis wir fertig sind. Oder schicke ich sie nacheinander vor die Tür? Erstens weiß ich dann nicht, was sie dort wirklich tun. Zweitens begegnen sich dann dort alle aus den verschiedenen Klassen. Und in der Zwischenzeit findet im Raum kein guter Unterricht statt, weil ständig jemand rein- und rausgeht. Das war mir vorher so nicht klar. Und niemand anders hat für uns Lehrende darüber nachgedacht, geschweige denn Ideen entwickelt. Da springen mit mir in ganz NRW Tausende Lehrerinnen und Lehrer genauso ins kalte Wasser wie ich!
In meinem Klassenraum legen die Schülerinnen und Schüler nach und nach los. Maske ab, Stäbchen rein. Na gut. Die Fenster sind auf, die Luft ist gut. Ich versuche zu zeigen und darauf zu achten, wie weit die Stäbchen in die Nase geschoben werden sollen. Die ersten Augen tränen, einige hüsteln, andere niesen. Als nächstes müssen die Röhrchen mit der Flüssigkeit verteilt werden – wie auch immer… - und die Stäbchen dort eingetunkt. Ich zeige deutlich, wie gedrückt und geknetet werden soll, um das Sekret aus der Nase auch wirklich in die Testflüssigkeit zu bekommen.
Jetzt muss ja der kleine Deckel auf das Röhrchen gesteckt werden – in der einen Hand das Röhrchen mit der Flüssigkeit, in der anderen das benutzte Wattestäbchen. Ehe ich reagieren kann, liegen die ersten Stäbchen auf dem Tisch. ,Halt, stopp! Steckt doch das Teststäbchen bitte wieder zurück in die Verpackung!‘ Der Appell kommt zu spät. Und geht an der Realität vorbei. Beide Hände waren voll. Jetzt sind mehrere Tische verschmutzt. Hoffentlich nicht kontaminiert!
Schließlich tropfen alle ihre Testflüssigkeit auf den eigentlichen Teststreifen. Nun heißt es warten. Ich schnappe mir einen Mülleimer und sammle alles, was zu diesem Zeitpunkt nicht mehr benötigt wird, ein. Die Verpackung der Teststreifen soll liegenbleiben. Da können wir ja die Streifen nach Ablauf der Wartezeit wieder reinstecken, bevor sie in die Mülltüte wandern. Je verpackter, desto besser, denke ich mir. Klappt aber auch nur begrenzt. Die meisten schmeißen schnell alles weg. Da hätte ein Plan in der Vorbereitung geholfen…
Einige Schülerinnen und Schüler wollen den gelben Mülleimer nehmen, den wir neuerdings haben. ,Das ist doch Plastik!‘ Aber die Vorstellung, aus den Corona-Testkits Plastikbecher oder Lebensmittelverpackungen zu recyceln ließ uns doch zum Restmüll greifen. An dieser Stelle hätte ich gerne den Müllbeutel zugeknotet. Aber wir müssen ja noch 15 Minuten warten, um das Testergebnis zu sehen.
Die 15 Minuten sind um. Alle Tests sind negativ. Ich greife schon zum Müllbeutel, um jede Verbreitung von was auch immer zu vermeiden. Schließlich sagen Experten, dass Schnelltests nur höchstens 50 Prozent der Viren erkennen. Da kommt noch ein Schüler zu Tür herein. Er hat verschlafen. Also geht bei ihm alles von vorne los. Und seine Maske sitzt unter der Nase. Nicht das letzte Mal in dieser Stunde.
Am Ende der Stunde haben wir noch ein wenig Unterricht gemacht. Kein Test hat eine Corona-Infektion angezeigt. In der Pause sind alle gelöst und happy. Freuen sich über das Wiedersehen und gehen zu ungezwungen miteinander um, weil ja gerade herauskam: Keiner von uns hat Corona. Also können wir …“