Hagen Rether in der Stadthalle Doppelmoral und Wurstigkeit

Wuppertal · „Wir können die Welt nicht retten? Ja, wer denn sonst?“ Es ist kein klassisches Kabarett, was Hagen Rether seinem Publikum am 24. Januar um 20 Uhr in der Historischen Stadthalle Wuppertal serviert. Eher ein assoziatives Spiel, ein Mitdenkangebot.

Bei Hagen Rether geht vielen mehr als ein Licht auf ...

Foto: Klaus Reinelt

Der Kabarettist verweigert die Verengung komplexer Zusammenhänge und gesellschaftlicher wie politischer Absurditäten auf bloße Pointen. Auch das Schlachten von Sündenböcken und das satirische Verfeuern der üblichen medialen Strohmänner sind seine Sache nicht, denn die Verantwortung tragen schließlich nicht allein „die da oben“.

In aller Ausführlichkeit verknüpft Rether Aktuelles mit Vergessenem, Nahes mit Fernem, stellt infrage, bestreitet, zweifelt. An zentralen Glaubenssätzen westlicher „Zivilisation“ rüttelt er gründlich, so genannte Sachzwänge gibt er als kollektive Fiktionen dem Gelächter preis. Mit überraschenden Vergleichen verführt er das Publikum zum Perspektivwechsel – zu einem anderen Blick auf die Welt, in die Zukunft, in den Spiegel, auch unbequemer Wahrheit ins Auge. Und er ruft dazu auf, dass wir uns von unserer vielfach instrumentalisierten Angst und Wut befreien.

Rethers „Liebe“ ist tragisch, komisch, schmerzhaft, ansteckend: Das ständig mutierende Programm mit dem immer selben Titel verursacht nachhaltige Unzufriedenheit mit einfachen Erklärungen und stiftet zum Selberdenken und -handeln an. Bis zu dreieinhalb Stunden plädiert der Kabarettist leidenschaftlich für Aufklärung und Mitgefühl, gegen Doppelmoral und konsumselige Wurstigkeit: Wandel ist möglich – wenn wir wollen.