Wichlinghausen Abschied vom „Jäger 90“: Wie ein zweites Wohnzimmer
Wuppertal · Manon Klümann muss den „Jäger 90“ abgeben. Sie hofft, dass die Wichlinghauser Kult-Kneipe in gute Hände kommt. Ein Abschiedsgespräch zwischen Theke, Quiz, Küche – und natürlich Elchen.
Die Wirtin liebt die Nostalgie im „Jäger 90“, die Stammgäste, den Austausch, die kleinen Fluchten aus dem Alltag. Zwischen frischen Rosen auf jedem der alten Holztische und einer Menge Elchfiguren erzählt Manon Klümann davon, dass ihr der Abschied von der Kneipe alles andere als leicht fällt und nennt die Gründe dafür, dass sie den „Jäger 90“ doch abgibt: die viele Bürokratie in der Gastronomie, die Kosten, die Mehrwertsteuer von 19 Prozent und dass die Gäste immer älter werden, aber wenig jüngere nachkommen.
Eine einfache, aber liebevoll geführte Kneipe wie der „Jäger 90“ treffe vielleicht nicht mehr den Zeitgeist, überlegt Klümann. „Heutzutage muss alles irgendwie Eventcharakter haben. Muss das Rad denn immer neu erfunden werden?“ Live-Musik, das Kneipen-Quiz mit Specials zu Harry Potter oder der Fußball-WM, Tastings, vegane Gerichte, Stadtteilwanderungen scheinen nicht auszureichen. Klümann kommt zu dem Schluss, dass Schank- und Speisewirtschaften einfach nicht mehr im Trend sind.
Hinzu kommt die Lage: Im Gegensatz zum Ölberg und Luisenviertel gibt es nicht viel anderes, auch der BOB Campus und die Färberei sind weiter weg. Diejenigen, die in den „Jäger 90“ wollen, kommen extra deswegen – und finden vermutlich keinen guten Parkplatz in der Nähe.
Auch das war früher anders: Das Viertel war sehr bel(i)ebt, als Herbert Hees und sein Sohn die Kneipe eröffneten. „Hier haben viele die Taufe ihrer Kinder gefeiert, es gibt Bilder, auf denen die Kleinen auf dem Koch herumklettern“ – diese Kleinen sind heute erwachsen und längst weggezogen.
Die Gastronomin und ihr neunköpfiges Team haben eine Menge ausprobiert, doch auf lange Sicht fehlen der Wirtin die Mittel, um die Schank- und Speisewirtschaft weiterzuführen. „Und bevor ich Insolvenz anmelden muss oder meine Mitarbeiter nicht mehr bezahlen kann, höre ich lieber auf.“ Die 56-Jährige arbeitet ohnehin noch in einem Getränkehandel, das wird sie in Teilzeit weitermachen – und hofft, auch nach dem Ende des „Jäger 90“ noch etwas mit Menschen machen zu können. Weil ihr Herz gerade aber noch so sehr an der Kneipe hängt, trifft sie lieber noch keine Entscheidung.
Für die Nachfolge hofft Klümann auf jüngere Menschen, vielleicht einen Verein, vielleicht könnte es auch ein Konzept sein, den „Jäger 90“ wieder zur Künstlerkneipe zu machen – auch wenn die Entwicklung im Viertel mit BOB Campus und Färberei noch am Anfang stehe. Konkret wünscht sie sich, dass der „Jäger 90“ keine Döner- oder Pizzabude wird – sondern „ein Ort der Begegnung bleibt, ein zweites Wohnzimmer, ein Ort des Austauschs“.
Darüber, was mit dem berühmten Elch passiert, muss natürlich der Vermieter entscheiden. Schön fände Klümann, wenn er seinen Platz über dem Eingang behalten dürfte. Denn er gehört zur Sage (oder doch einer Mär?). in der es heißt, dass sich die einfachen Bauern den Regeln ihrer Herren widersetzten: Damals, als die Elche noch mit knackenden Hufen durch Wichlinghausen zogen, durften die einfachen, meist hungernden Bauern sie nicht jagen, dann hätten sie selbst ihr Leben verloren. Aber sie fällten schlicht die vielen Bäume, an die gelehnt die Elche gewöhnlich schliefen – die Elche fielen deshalb um und so konnte das Volk die großen Tiere einsammeln und kurz darauf zum festlichen Dinner laden.
Der Widerstand war geboren – und mit ihm ihr Symbol: der Elch.