Rundschau: Frau Salem, wie viele Bücher beherbergt der Lesewagen und was für Geschichten können sich die Kinder aus dem Regal nehmen?
Wuppertaler Nachbarschaftsheim „Wer liest, hat Schlüssel fürs Leben“
Wuppertal · Drei Stufen geht es hoch, hinein zu unendlichen Welten. Der Kinderlesewagen lädt seit anderthalb Jahren Kinder mitten auf dem Platz der Republik ein, sich in Büchern verlieren und verlieben zu lernen. Nun ist das Projekt des Nachbarschaftsheims für einen Preis nominiert. Manuela Salem vom Nachbarschaftsheim sprach mit Rundschau-Redakteurin Nina Bossy über Bildung und Begeisterung – vereint in einem Rückzugsort vor der Haustür.
Salem: „Bestimmt sind es mittlerweile ein paar hundert Bücher. Wir haben Bücher in deutscher Sprache, ukrainischer, türkischer und arabischer. Sie handeln von fantasievollen Abenteuern, lustigen Alltagsgeschichten, Detektivfällen und vielem mehr. Wir haben wundervolle Sachbücher, die in die Welt der Dinosaurier entführen genauso wie in die Tiefsee. Die meisten Bücher sind nicht die dicken Schmöker, sondern Bücher mit Bildern, geeignet für Leseanfänger, um einen Einstieg zu ermöglichen und die Freude am Lesen zu stiften.“
Rundschau: Wie viele Kinder erreicht der Lesewagen?
Salem: „Der Lesewagen ist montags bis freitags täglich von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Und an einem schönen, trockenen Tag kommen bestimmt rund 30 Kinder. Einige wehen vom Spielplatz rüber, andere besuchen vorher unsere Kinderkantine und die Hausaufgabenbetreuung, um dann im Lesewagen den Nachmittag ausklingen zu lassen.“
Rundschau: Wie finanziert sich der Wagen?
Salem: „Der Wagen wurde mit dem Geld des städtischen Förderprogramms ,Gemeinsam im Quartier‘ angeschafft, auch die Bücher haben wir aus Fördermitteln bezahlen können. Die wundervollen Bänke vor der Tür hat uns erst vor kurzem die Firma Knipex gespendet. Und die Menschen, die täglich aufschließen und vor allem vorlesen und die Kinder betreuen, sind Ehrenamtliche, ohne die es dieses Angebot nie geben könnte.“
Rundschau: Was ermöglichen die Bücher den Kindern?
Salem: „Leseförderung ist ein Thema, das dringlicher wird. Die Grundschulen berichten, dass die Kompetenz der Kinder immer schlechter wird. Dem wollen wir uns annehmen. Die Idee ist es, nicht mit den Kindern in die Bibliothek zu fahren, sondern die Bücher zu ihnen zu bringen – vor die Haustür und auf den Spielplatz. Denn wir sind überzeugt: Kinder wollen lesen, sie brauchen nur ein gutes Angebot. Und wer gerne liest, erhält einen Schlüssel für das ganze Leben.“
Rundschau: Was erleben Sie an dem Wagen selbst für Situationen? Was bedeutet er den Kindern aus dem Quartier?
Salem: „Dieser wunderbar-gemütliche Holzschäferwagen ist zu einem wichtigen, geschützten Rückzugsort für die Kinder im Quartier geworden. Die Kinder finden dort Menschen, die sich Zeit für sie nehmen, erfahren Wertschätzung und Aufmerksamkeit und feiern Erfolgserlebnisse beim gemeinsamen Lesen. Die Atmosphäre im Wagen erlebe ich oft als sehr wohlig und qualitativ hochwertig. Und auch die ehrenamtlichen Lesepatinnen und Lesepaten möchten die Begegnungen, die im Kinderlesewagen zustande kommen, nicht mehr missen.“
Rundschau: Jetzt die Nominierung für den Bundespreis der Mehrgenerationenhäuser: Was bedeutet Ihnen das?
Salem: „Die Nominierung zeigt, wie richtig unser Ansatz ist. Von rund 550 Bewerberinnen und Bewerbern für die Top Ten ausgesucht worden zu sein, ist eine Ehre. Wir hoffen, dass viele Wuppertalerinnen und Wuppertaler für uns abstimmen. Zu gewinnen gibt es übrigens 8.000 Euro. Eine tolle Summe, die wir direkt wieder in den Wagen und die Leseförderung investieren würden.“