Beyenburg Unerwartete Begegnung mit der Vergangenheit
Wuppertal · Auf der Suche nach einem geeigneten Standort für ein neues, zentrales Archiv des Kirchenkreises Wuppertal waren auch Gewerbeflächen an der Beyenburger Straße im Angebot. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass es sich um die Reste des ehemaligen KZ Kemna handelt.
Neben der Eignung der Flächen für das Archiv war auch eine andere Frage zu klären: Kann der Kirchenkreis an dieser Stelle zu einer würdige Erinnerung an die Zeit eines der ersten Konzentrationslager in Deutschland beitragen, das 1933 sehr bald nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ebendort in den Wupperwiesen bei Beyenburg errichtet wurde? Die beteiligten Gremien fanden nach Prüfung aller baurechtlichen Fragen ein schnelles und eindeutiges Ja. Mit dem Jahr 2020 beginnen nun die Planungen rund um das neue Archiv und einen möglichen Gedenkort.
Superintendentin Ilka Federschmidt hatte das Thema in ihrem Bericht vor der Kreissynode im November 2019 unter dem Thema: „Unerwartete Begegnung mit der Vergangenheit - Was uns vor die Füße gelegt ist“ öffentlich angesprochen: „Seit Längerem suchte der Gesamtverband unserer Gemeinden im Kirchenkreis ein geeignetes Gebäude und Gelände, um mit dem aus den Nähten platzenden kreiskirchliche Archiv und der ,Historische Bibliothek‘ dorthin umzuziehen. Man trat in Verhandlungen über ein gewerblich genutztes Fabrikgebäude und Gelände an der Beyenburger Straße. Schließlich wurde bei genauerem Hinsehen erschütternd bewusst, dass es sich bei dem Fabrikgebäude um das Hauptgebäude und das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Kemna handelt. Auf der anderen Straßenseite gegenüber befindet sich das kleine vom Wuppertal Jugendring errichtete Mahnmal.
Das Wuppertaler Konzentrationslager Kemna existierte vom 5. Juli 1933 bis zum 19. Januar 1934. Es war eines der sogenannten ,frühen Lager‘ und Vorläufer der späteren Vernichtungslager. Die Häftlinge waren vor allem Kommunisten, auch Sozialdemokraten und andere politische Gegner des Nazi-Regimes. Sie waren menschenverachtender Folter und einer Strategie des Zerbrechens ausgesetzt.
Befasst man sich näher mit der Geschichte des Lagers, stößt man auch auf eine beschämende Rolle evangelischer Kirche. Die beiden dort tätigen Seelsorger standen den ‚Deutschen Christen‘ nahe und waren an einem Beistand für die Opfer nicht interessiert, wohl aber daran, in ihren Augen irregeleitete Kommunisten und Sozialisten zur Kirche zurückzuführen.
Es ergab sich die einmalige Gelegenheit, Gebäude und Gelände durch einen Kauf aus einer gewerblichen Nutzung herauszubekommen und so das eigene Nutzungsanliegen damit zu verbinden, die Öffnung für die Gestaltung eines würdigen Gedenkortes zu ermöglichen. In enger Abstimmung mit dem Kirchenkreis und mithilfe der Beratung von Dr. Ulrike Schrader hat die Gesamtverbandsvertretung nach intensiver Prüfung der wirtschaftlichen Bedingungen und Risiken ganz bewusst entschieden, Gebäude und Gelände zu erwerben. Es gehört inzwischen dem evangelischen Gesamtverband. Für diese Entscheidung ist dem Gesamtverband sehr zu danken.
Der Kirchenkreis beteiligt sich wesentlich daran, in Zusammenarbeit mit dem Gesamtverband einen verantwortlichen Prozess in Gang zu setzen, um zu ermöglichen, dass ein der Bedeutung des Ortes entsprechender öffentlicher Erinnerungsort entstehen kann. Dazu sind viele Klärungen nötig, die ihre Zeit benötigen werden. Der Prozess soll wissenschaftlich und fachlich fundiert begleitet sein und angemessene Beteiligungsformen beinhalten. Nach der notwendigen Vorberatungsphase werden wir auf in der Sache berufene externe Partner zugehen. Es geht uns darum, die Voraussetzungen für die Entwicklung eines Erinnerungsortes zu schaffen, der dann aber eine eigene, verantwortliche und solide Trägerstruktur brauchen wird. Eine spätere finanzielle Unterstützung der Gestaltung durch die Kreissynode aus den Projektmitteln des Kirchenkreises wäre sehr zu begrüßen.“