Nachruf auf Kurt A. Rosenberger Kleiner Gewichtheber ganz groß

Wuppertal · Als Kurt A. Rosenberger am 6. Februar 2023 gestorben war, erinnerte seine dankbare Familie: „Ein Leben im und für den Sport ging zu Ende. Sein Mut, Aufgaben anzugehen, war beispielhaft.“

Gewichtheber Kurt A. Rosenberger zählte zu den erfolgreichsten Sportlern Wuppertals.

Foto: Conrads

Der Sport lebt von Vorbildern, denen junge Menschen nacheifern können. In Barmen dauert die Suche nicht lange, denn der erfolgreichste Sportler ging noch 80-jährig mit lauter guten Beispielen voran. So sorgte der an der Gewerbeschulstraße wohnende und am 18. Februar 1928 in Lübbenau im Spreewald geborene Kurt A. Rosenberger dafür, dass sich „sein“ (seit 1948) Kraft-Sport-Verein an den Jugendaktivitäten auf dem Berliner Platz beteiligte.

„Es wäre schön, wenn sich mehr Buben und junge Männer an unseren Gewichten ,vergreifen‘ würden als an fremder Leute Gegenständen“, meinte das Urgestein einmal. „Beim KSV können Jugendliche mal zeigen, was in ihnen steckt“, schmunzelte das kleine Kraftpaket, auch in der Hoffnung, Nachwuchs für seinen Verein zu gewinnen. Und fügte hinzu: „Mögen sich die jungen Kerle einmal überlegen, ob sie nicht einmal etwas für ihr leibliches Wohl tun und Sport in der Gemeinschaft genießen.“

Erfolgsbilanz

Kurt A. Rosenbergers Erfolgsbilanz konnte sich sehen lassen: Zunächst hob er bis 1957 im Einzel und in der Mannschaft Gewichte für den KSV 1896 Barmen. In den sechs Auslandsjahren in Kanada stemmte er Eisen für den Club Harmonie in Toronto. Neben zahlreichen regionalen und deutschen Meisterschaften hatte er als Senior an neun Europameisterschaften mit Plätzen von eins bis vier und an neun Weltmeisterschaften mit Plätzen von eins bis fünf teilgenommen.

Das erfolgreichste Jahr war 1998: Er gewann alle Einzelmeisterschaften (Bezirk, Land, Staat, Europa, Welt) in der Altersklasse 70 bis 75 Jahre. Wer behauptet da, dass im Alter Menschen nicht mehr leistungsfähig sind? Die Krönung war die Masters-Olympiade 1995 in Portland/Oregon in den USA. „Rosi“ gelang es mit fast gleichem Körpergewicht von 93,4 kg in der 94-kg-Klasse und gleicher Leistung 52,5, 72,5, 175 kg, seine Goldmedaille von 1994 im australischen Brisbane zu verteidigen. 1999 im schottischen Glasgow hat es bei der Weltmeisterschaft zum dritten Platz gereicht. Erneuter Kampf um die Krone am 8. Oktober 2000 in Orlando/Florida in den USA. Bronze für Kurt!

Die Masters-Olympiaden waren ein Höhepunkt in seinem Sportlerleben. Etwa 28.000 Sportler aller zugelassenen Disziplinen waren in Brisbane, rund 19.000 in Portland, angetreten, alle über 35 Jahre alt: „Nicht nur der Sport, auch die Freundschaften, die geschlossen werden, sind das Training und die Reisen wert, zumal anschließend geurlaubt wird.“

Vom Ring- und Stemmclub zum KSV

Ob die Gründer des „Barmer Ring- und Stemmclubs“ am 17. Juli 1896 ahnten, dass der Verein, den sie im Lokal „Bünsing“ an der Dickmannstraße aus der Taufe hoben, einmal sein 100-jähriges Jubiläum und mehr feiern würde? Zwei Weltkriege mussten überstanden werden, dreimal wechselte der Verein den Namen. Sportlich sind die „Stemmer“ im Tal nicht wegzudenken, von der Kreisliga bis zur Regionalliga Nord und wieder zurück bis zur Bezirksliga Niederhein führte ihr sportlicher Weg.

Nur das Ringen ist nach dem Zweiten Weltkrieg eingeschlafen, waren doch Matten und Hanteln beim 1943er Luftangriff auf Barmen verlorengegangen. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als das provisorische Amt für Lebensmittel und Bezugsscheine aus der Turnhalle Hügelstraße ausgezogen war, begann der Neuaufbau unter dem Namen „Kraftsportverein 1896“. Einmal Training pro Woche, später zweimal, denn es waren viele Vereine, die Trainingsstätten in der stark zerstörten Stadt suchten.

Der große Aufschwung kam mit dem Umzug in das neue Schulzentrum an der Max-Planck-Straße, in den lichten Kraftraum der so genannten Sporthalle Wichlinghausen. Dort wurde montags bis freitags von 17 bis 20 Uhr trainiert. Jung und Alt, Frauen und Männer verbessern ihre Fitness. Hauptziel ist der Wettkampfsport. Die erste Mannschaft des KSV war mit wechselnden Athleten von der Bezirksklasse bis hinauf zur Bundesliga vertreten.

Lieber Funktionär

Ab 1965 war Kurt Rosenberger Kampfrichter-Obmann des Bezirks Niederrhein, seit 1966 auch Sportwart. 1971 hat Rosenberger die Bundeslizenz als Gewichtheberkampfrichter. 1972 war er Mitarbeiter bei den Olympischen Spielen in München und betreute ausländische Gewichtheber-Teams. Als Kampfrichter teilte er die Wettkämpfe ein.

1974 hat „Rosi“ die internationale Lizenz erhalten. 1976 wurde er Vizepräsident des Schwerathletenverbandes Nordrhein-Westfalen und 1981 Schatzmeister des Gewichtheberverbandes NRW. Ab 1967 fördert er die Sportjugend und wurde als Vertreter der Sportjugend 1968 Mitglied im Jugendring Wuppertal.

Großartiger Sportsmann

Für seinen großartigen ehrenamtlichen Einsatz erhielt Kurt A. Rosenberger mehrere Auszeichnungen. Er war Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande, Träger der Sportplakette des Wuppertaler Stadtsportbundes, Ehrenmitglied der Wuppertaler Sportjugend und Inhaber der Verdienstmedaille des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber. 1995 wurde ihm für herausragende Verdienste um den Wuppertaler Sport die Ehrenmedaille für seine engagierte Funktionärstätigkeit für den KSV Wuppertal und die Gewichtheberverbände verliehen.

KSV-Ehrenvorsitzender Rosenberger wurde die Landessportplakette des Ministerpräsidenten Wolfgang Clement verliehen, denn „Rosi“ war im Jahr 2000 Deutscher Meister und belegte bei Europameisterschaften den zweiten und bei Weltmeisterschaften den dritten Platz.

Die Jugend im Blick

Das Hauptaugenmerk war auf die Jugendarbeit gerichtet, denn mehrere Jahrgänge, von Umsiedlern gestärkt, entwickelten sich vielversprechend. Auch Frauen und Senioren sind im Verein gern gesehen. Bei vielen Teilnehmern steht die körperliche Ertüchtigung im Vordergrund. Und wenn‘s um Rückenschmerzen geht, ließ Kurt A. Rosenberger, der Ehrenvorsitzende, keine Ausrede gelten: „Auch im Liegen können Übungseinheiten durchgeführt werden und das Alter spielt keine Rolle.“

Der KSV wurde 1997 für die Verdienste um Pflege und Entwicklung des Sports mit der „Sportplakette des Bundespräsidenten“ ausgezeichnet. DSB-Präsident Manfred von Richthofen: „Vereine wie der KSV Wuppertal bieten den Bürgern Möglichkeit eröffnen, Gemeinschaft zu erleben und mitzugestalten. Gegenseitige Achtung, Gleichberechtigung, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit sind wertvolle Begriffe.“

Tonnen nicht gezählt

Es ist unbekannt, wie viele Tonnen Gewicht Kurt A. Rosenberger in seinem Leben gestemmt hat. Der Sport mit den schweren Hanteln hatte den überzeugten Sportler auch auf seinem Lebensweg stark gemacht. Die Pokale in seinem Wohnzimmer drücken nur bedingt die Erfolgsbilanz aus. Von 1991 bis 2007 hat „Rosi“ bei Welt- und Europameisterschaften acht Gold-, 12 Silber- und sieben Bronzemedaillen gewonnen. 2008 wechselte er in die Altersklasse M 80 – eine neue Herausforderung, weil die Konkurrenten zahlenmäßig immer weniger werden...

Und Chancen auf weitere Rekorde, obwohl er wohl schon über 20 gesammelt hat. Im Stoßen schraubte er den deutschen Rekord auf 54 kg. Der 167 Zentimeter große Athlet stemmte am 16. Februar 2008 bei den Niederrhein-Meisterschaften der Senioren mit heimischen Gewichten im Schulzentrum Ost 93,2 kg.

Nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft mit vier neuen Rekorden (Reißen 43 kg, Stoßen 59 kg, gesamt 102 kg, 308,06 Punkte) war Rosenberger (Körpergewicht 92,15 kg) im Mai auch bei den Europameisterschaften 2008, den Gewichtheber-Masters im tschechischen Bohumin nicht zu stoppen. In der Altersklasse 10 (über 80 Jahre) knüpfte er an die guten nationalen Leistungen an und schaffte in der 94-kg-Klasse drei neue europäische Bestleistungen. 40 kg im Reißen und 56 kg im Stoßen führten zu einem Gesamtergebnis von 96 kg. Damit überbot er den alten Rekord eines österreichischen Athleten um sage und schreibe 18 kg.

Wie seit 16 Jahren übte Kurt Rosenberger nach seinem Wettkampf das Amt des Chefkampfrichters über 536 Männer und Frauen aus 27 Nationen aus. Einen weiteren Höhepunkt bildeten im Oktober 2008 die Weltmeisterschaften der Masters auf der griechischen Insel Kefalonia, als Rosenberger in der Altersklasse M 80 mit einem Körpergewicht von 94 bis 105 kg die Goldmedaille im Zweikampf gewann. Er schaffte im Reißen mit 41 kg einen Weltrekord und im Stoßen 55 kg. Als Chefkampfrichter besetzte er 34 Sessions mit je drei Kampfrichtern und wurde zum Vizepräsidenten des Weltverbandes der Masters gewählt.

Einen weiteren Weltrekord schaffte Rosenberger (Körpergewicht 95,9 kg) bei den Landesmeisterschaften der Masters im Gewichtheben 2009 in Essen mit 43 kg im Reißen in der Altersklasse 9 (über 80 Jahre). Im Stoßen schaffte er 60 kg. Die Summe von 103 kg ist stattlich

Eitel

Einem Journalisten berichtete Rosenberger über sein Outfit: „Das schwarze Trikot ist von 1952 und hat damals 20 Mark gekostet. Habe ich jede Woche mit zwei Mark abbezahlt. Die gestrickten grauen Kniestrümpfe mit dem roten Streifen sind noch nicht so alt.“ Ein bisschen eitel war er. Und gegenüber „hohen Tieren“ hat er nie ein Blatt vor den Mund genommen, sondern seine Meinung stets offen gesagt. Ein Überzeugungstäter in vielerlei Hinsicht!

2011: „Rosi“ trug wieder Gold nach Hause

Eigentlich hatte sich Kurt Rosenberger schon auf Kanada gefreut, wo die Weltmeisterschaft der Gewichtheber 2011 stattfinden sollte. Doch sechs Wochen vor Beginn der Masters wurde die Austragung abgesagt und mit Zypern ein Ort gefunden, wo vor vier Jahren die Europa-Masters stattgefunden hatten. 70 Athletinnen und 296 Athleten aus 40 Nationen hoben die Gewichte um die Wette und Plätze auf den Siegertreppchen.

Die Masters beginnen im Gewichtheben mit 35 Jahren und sind in jeweils Fünf-Jahres-Sprünge unterteilt. In der letzten Klasse sind die Teilnehmer 80 Jahre und älter. Der vielfache Meister Kurt A. Rosenberger startet für den KSV 1896 Wuppertal und ist eine Klasse für sich. Als ältester aktiver Senior (Gold für 40 Kilogramm im Reißen, und 51 Kilogramm im Stoßen, total 91 Kilogramm; 14 Kilogramm über dem Startlimit) und leidenschaftlicher Kampfrichter führte „Rosi“ das deutsche Team mit elf Frauen und 44 Männern in Limassol zu einer überragenden Bilanz: zwölf Gold-, 14 Silber- und elf Bronze-Medaillen fanden im Gepäck den Weg in die Heimat. Neben Rosenberger waren mit Dieter Wagner (Silber) und Oliver Rosengast (Bronze) noch zwei Wuppertaler Gewichtheber vom SV Bayer am Start.

Am 6. Februar 2023 schloss sich „Rosis“ Lebenskreis.

(kgc)