Rundschau-Thema "Mehr Wuppertal wagen!" "Gegenwind ist nichts Ehrenrühriges"
Wuppertal · "Mehr Wuppertal wagen" heißt auch "Mehr bergische Nachbarschaft leben". Dass es sich lohnt, zeigt Handball-Bundesligist BHC: Dessen Arena-Pläne sind schon viel weiter gediehen als öffentlich bekannt.
Große Dinge fangen oft ganz klein an. So wie der Bergische HC. Dessen geplante Gründung wurde vor mehr als zehn Jahren auf dem Flur der Uni-Halle denkbar schmucklos im Dunst von Bockwürstchen und Bier verkündet. Vor vielleicht 50 Fans des abstiegsbedrohten Handball-Zweitligisten LTV, die über den geplanten Zusammenschluss der Profiabteilungen des Wuppertaler Traditionsclubs mit dem Erzrivalen aus Solingen überwiegend die Köpfe schüttelten. Eine Dekade später lockte das für Skeptiker tot geborene Handball-Kind 13.380 ganz überwiegend bergische Fans in die Lanxess-Arena nach Köln.
Wasser auf die Mühlen des Mannes, der nach dem Abschied von BHC-Gründer Stefan Adam für die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte des Bundesligisten steht: Jörg Föste (56). Der Zwei-Meter-Hüne mit Solinger Funktionärsvergangenheit und bergischer Denke hatte schon Ende 2013 die Hallenfrage als Schlüssel für die BHC-Zukunft ausgemacht.
Den Club drückten und drücken an seinen beiden Oldschool-Spielstätten Uni-Halle und Klingenhalle gleich drei Probleme: Ungewöhnlich hohe Logistikkosten für den ständigen Location-Wechsel, das begrenzte Fassungsvermögen und der mangelnde Komfort für Fans wie für VIPs. Erst jenseits der 4.000 Zuschauer und mit Event-Bewirtungsmöglichkeiten auf zeitgemäßem Niveau, so die Analyse, ist ein Handball-Bundesligist langfristig wettbewerbsfähig. Mit Blick auf die komplett in der Sackgasse steckenden Planungen rund um Sanierung oder Neubau der Uni-Halle packte Föste die Sache vor zwei Jahren lieber gleich selbst an.
Das Ergebnis: Am 31. März 2014 stellte der BHC — durchaus symbolträchtig im Haus Müngsten auf der Schnittstelle des Städtedreiecks — ein 100 Seiten starkes Konzept für eine "Bergische Arena" vor. Zusammen mit externen Spezialisten entwickelt, hatte das Papier bereits die Qualität einer profunden Machbarkeitsstudie, die mit vielen Fakten die Chancen einer multifunktionalen Halle für 5.500 bis 7.500 Zuschauer auf dem regionalen Event-Markt herausarbeitete.
"Ein Quartal lang hat es danach ein Sackenlassen gegeben", blickt Föste heute zurück: "Dann folgte ein Vierteljahr mit ganz viel Lauf- und Überzeugungsarbeit. Wir mussten unglaublich viel reden und Bedenken zerstreuen, um die Idee der Politik, Verwaltung und den Anhängern näher zu bringen."
Und Gegenwind aushalten, der nicht zuletzt ausgerechnet von den Stadtspitzen kam, denen das privat angeschobene Infrastruktur-Großprojekt möglicherweise fast unheimlich war. "Gegenwind ist ja nichts Ehrenrühriges, den muss man aushalten", findet Föste, der mit der richtigen Mischung aus Diplomatie und Druck Ende 2014 zumindest erreichte, dass die Politik die Arena-Pläne nicht boykottierte.
Es folgte 2015 ein Jahr der Arbeit, an dessen Ende man dem Ziel von außen fast unbemerkt deutlich näher gekommen ist: Von fünf anvisierten Standorten hat sich Piepersberg-West am Westring genau auf der Stadtgrenze zwischen Wuppertal und Solingen als bester (und einzig machbarer) herauskristallisiert. Bei der Planung sind die Verwaltungen beider Städte inzwischen mit im Boot. Und gemeinsam mit der Bergischen Gesellschaft hat man Fördertöpfe des Landes ins Visier genommen, die die private Finanzierung wesentlich unterstützen sollen. "Die Förderanträge sind fertig. Sie gehen vom BHC aus und zielen ausschließlich auf Fördermittel für den Leistungssport. Dieses Geld würde niemals in Bergische fließen, wenn der BHC nicht wäre. Den Städten geht also nichts verloren", betont Föste.
Der sieht sich übrigens nicht als Arena-Alleinunterhalter: "Es sind schon sehr, sehr viele, die an dem Projekt arbeiten. Bei uns im Bergischen braucht es aber eine identifizierbare Figur, die man sieht und wo man kreditiert. Diese Rolle habe ich eingenommen." Ein Effekt, den Wuppertaler von der Nordbahntrasse und ihrem "Macher" Carsten Gerhardt noch bestens kennen.
Gallionsfigur Föste — seit Mitte des Jahres wohl auch mit Blick auf das zeitintensive Arena-Engagement nicht mehr offiziell Geschäftsführer des BHC, sondern nur noch Beirat — gibt derweil weiter Gas: Im Januar 2016 sollen detaillierte Planungsskizzen entstehen, die als Ergänzung der Förderanträge genauso gefordert sind wie ein Architektenwettbewerb, der ebenfalls nächsten Monat startet. Mitte 2016 wird über die Entwürfe entschieden, dann gehen die Bauanträge in die politische Beratung. Bei zwölf bis 14 Monaten Bauzeit rechnet Föste mit der Eröffnung zur Saison 2018/19.
Aber: Was wird, wenn der gerade tief im Bundesliga-Tabellenkeller steckende BHC absteigt? Föste: "Eine Planung dieser Art ist unabhängig von der Klassenzugehörigkeit. Die Wechselwirkung ist eher umgekehrt: Ohne eine Arena gibt es langfristig keine erste Liga. Das muss in die Köpfe."
Köpfe übrigens, aus denen das zu Anfang noch intensiv gepflegte Wuppertal-Solingen-Feindbild längst raus ist. Wenn, wie am Sonntag, mehr als 13.000 Leute aufstehen und zusammen "BHC, BHC", rufen, dann hat das Bergische Land eine Stimme bekommen, die unüberhörbar ist. Und ihre eigene Arena-Bühne verdient.