NRW-Justizminister Biesenbach in Wuppertal Justizzentrum: Viele Akten durchnässt

Wuppertal · Draußen wird das abgepumpte Wasser in die Kanalisation gekippt. Drinnen läuft derweil nichts mehr. Das Gerichtsgebäude mit Landgericht, Amtsgericht und Arbeitsgericht ist seit der Überflutung der beiden Untergeschosse in der Nacht zum Donnerstag (15. Juli 2021) gesperrt. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) war am Montag (19. Juli) am Eiland.

Die Akten sind komplett durchnässt.

Foto: Mikko Schümmelfelder

Er wollte sich einen Eindruck von der katastrophalen Lage verschaffen, die dort seit Tagen den Gerichtsbetrieb lahmlegt. „Die Infrastruktur des Staates muss erhalten bleiben“, stellte Biesenbach klar, dass man alles tun werde, um die Justiz funktionsfähig zu halten. Dazu gehört nun vor allem, dass Aufgaben von anderen Amtsgerichten im Landgerichtsbezirk Wuppertal übernommen werden.

„Was uns bislang schon terminlich ausgelastet hat, wird sich nun verdreifachen“, spricht der Solinger Amtsgerichtsdirektor Markus Asperger über das, was in den kommenden Tagen auf seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukommen wird. Haftvorführungen und Haftbefehlsverkündungen sollen von dort aus abgewickelt werden. Vor allem auch die Rechtspflegerinnen und -pfleger seien nun bei der Entgegennahme eiliger Anträge gefordert. Schon kurz nach dem Öffnen der Gerichtstüre am Montagmorgen wurde ein erster Insolvenzantrag aus Wuppertal auf den Weg gebracht, gefolgt von einem Nachlassantrag. So geht es nun Schlag auf Schlag - zusätzlich zu dem, was ohnehin aus dem Solinger Stadtgebiet eingeht. Darunter fallen auch Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz oder auch Fristsachen, wie beispielsweise das Ausschlagen einer Erbschaft, um drohender Verschuldung zu entgehen.

Die meisten Antragstellerinnen und -steller haben bereits einen Zwischenstopp in Wuppertal hinter sich und werden von dort aus nach Solingen weitergeschickt. Da die Telefonanlagen an der Wuppertaler Gerichtsinsel funktionsuntüchtig sind, ist dort derzeit niemand zu erreichen. Und das wird nun auch zum Problem für die Justizangestellten in Solingen: Die Wuppertaler Kolleginnen und Kollegen sind nur über private Handys erreichbar, die Nummern müssen mühsam zusammengetragen werden. Weil der Serverraum unter Wasser stand, ist auch der elektronische Terminkalender nicht zugänglich.

Sämtliche Amtsgerichte aus dem Landgerichtsbezirk haben zudem freie Zeitfenster für mögliche Saalbelegungen gemeldet, damit unaufschiebbare Verhandlungen dort beginnen oder fortgesetzt werden können. Wie lange das Gerichtsgebäude gesperrt bleibt, ist noch nicht klar. Der Gerichtsbetrieb wurde vorerst bis zum Wochenende eingestellt.

NRW-Justizminister Peter Biesenbach vor dem Wuppertaler Landgericht.

Foto: Mikko Schümmelfeder

Auch die Schadenshöhe kann bislang noch nicht beziffert werden. Die Stadtwerke mussten den Strom abstellen, weil sich die aus Brandschutzgründen ummantelten Stromleitungen vollgesaugt hatten. Im Nachlassarchiv waren Regale umgekippt, unzählige Akten müssen nun von einer Fachfirma aufwendig getrocknet und gegen Schimmel behandelt werden.

In der Nacht zum Donnerstag hatte sich die Lage dramatisch zugespitzt. Das Wasser drückte sich durch das Gemäuer und durch Rohre in das Gebäude, die beiden Untergeschosse liefen voll. Die zum Abpumpen angerückte Feuerwehr musste Stunden später selbst evakuiert werden. „Wir wussten nicht, wie hoch das Wasser noch steigt“, spricht Landgerichtspräsidentin Dr. Annette Lehmberg über die Katastrophe, deren Ausmaß derzeit noch nicht absehbar ist.

„Noch bis zum Freitagabend wurden 8.000 Liter Wasser in der Minute abgepumpt“, berichtet Gerichtssprecher Dr. Matthias Roth vom Einsatz der Feuerwehr. Der sei anfangs auch deshalb schwierig gewesen, weil das abgepumpte Wasser ins Gebäude zurückgelaufen sei. „Der Wasserpegel der Wupper war zu hoch“, so Roth. Wäre der Fluss über die Ufer getreten, wären die Schäden wohl bei weitem höher gewesen. „Dann hätten wir das Grundbucharchiv wohl nicht retten können“, so Landgerichtspräsidentin Annette Lehmberg.

Und nicht nur das: Auch einige der Gerichtssäle sind im Sockelgeschoss untergebracht, auch die wären dann wohl vollgelaufen.