Mit Bildergalerie „Wie ein neuer Mensch“
Wuppertal · Mario Decker öffnete am Fronleichnam seine "Arrenberger Barbierstube", um Wuppertalern, die sich sonst keinen Friseur leisten können, kostenlos einen neuen Haarschnitt zu verpassen.
"Kann mir mal jemand heißes Wasser bringen?", ruft Mario Decker durch die Räume des Vereins Aufbruch am Arrenberg, während er bei Josef, der vor ihm auf dem Friseurstuhl sitzt, vorsichtig die Schere ansetzt. Josef sitzt ganz still, genießt die besondere Behandlung. Als der Fotograf ihn anspricht, ob er ein Foto machen darf, nickt er nur leicht. "Das ist so viel wert", sagt Kirsten Gerhards, die die Szene beobachtet. "Eine neue Friseur, ein neuer Haarschnitt geben den Menschen einfach Selbstwertgefühl." Kirsten Gerhards ist zusammen mit ihrer Schwester gekommen, die sich auch von Friseur Mario die Haare hat schneiden lassen. Denn Mario Decker frisiert heute, am Feiertag, kostenlos, und zwar alle Menschen, die sich sonst keinen Haarschnitt leisten können.
Zwei Jahre trug der Wuppertaler Friseur die Idee zu der Aktion mit sich herum, ohne passende Räume für sein Vorhaben zu finden. "Ich hatte mal eine Location in Wichlinghausen im Auge, dann die Alte Feuerwache an der Gathe, aber das hat alles nicht geklappt." Seit ein paar Monaten hat der Aufbruch am Arrenberg in der Fröbelstraße seinen neuen Standort. "Und der ist einfach perfekt", sagt Mario Decker, während er vor der Tür kurz mal Pause macht. Seit anderthalb Stunden hat seine "Arrenberger Barbierstube" jetzt geöffnet. "Und es waren bereits ein Dutzend Menschen hier und haben sich die Haare schneiden lassen."
Unterstützt wird Mario von Friseurin Mandy Böhmer und Azubi Almunta Alhakim, die beide im selben Wuppertaler Salon wie Mario arbeiten. Und die beiden sind nicht die Einzigen. Marios Vorhaben machte bei Freunden und Bekannten schnell die Runde, und so gibt es in der Fröbelstraße nicht nur einen kostenlosen Haarschnitt, sondern auch Unmengen von Essen, Getränken und gespendeter Kleidung. Kirsten Gerhards Schwester Andrea Bednar ist ganz begeistert. "Wie ist das Hemd?", fragt sie. "Etwas zu groß", antwortet ihre Schwester und Andrea Bednar winkt lachend ab: "Gar nicht zu groß, mir gefällt‘s."
Die meisten Besucher sind über Mund-zu-Mund-Propaganda auf Marios Aktion aufmerksam geworden. So auch Peter, der "über den Treff" davon erfahren hat und Bettina, die über Peter davon weiß. Beide haben jetzt einen neuen, modernen Haarschnitt und trinken noch gemütlich einen Kaffee, bevor es zurück nach Barmen geht.
"Um genug Leute zu erreichen, habe ich Flyer drucken lassen und sie an Menschen auf der Straße verteilt. Zusätzlich habe ich Einrichtungen wie das Gleis 1 informiert, Tacheles, die Tafel und Obdachlosenunterkünfte", erzählt Mario. Auch über Facebook teilte er seine "Arrenberger Barbierstube" — und die Mühe hat sich gelohnt, die beiden Frisierstühle in der Fröbelstraße 1 sind fast dauerhaft besetzt.
Mittlerweile ist auch Josefs Haarschnitt fertig. Glücklich steht er vom Frisierstuhl auf und lächelt für das "Nachher"-Foto in die Kamera. "Ich bin sehr begeistert. So was muss man einfach nutzen", sagt er.