So arm macht Glücksspiel
Wuppertal · 1.483 Spielautomaten stehen in Wuppertal. Die Caritas-Suchtberatung kümmert sich um die, die an ihnen zwanghaft ihr Geld verzocken.
Gabriele Kirchner steht auf dem Berliner Platz und verteilt Fragebögen. Neben ihr hängen an einer Tafel kleine, handgemalte Bilder. Sie zeigen eine Blumenwiese, ein Fußballspiel, eine Familie. Die meisten der Visionen sind mit keinem Geld der Welt zu bezahlen. Bilder von echtem Glück, gemalt von Menschen, die jedoch zwanghaft an den Spielautomaten zurückkehren — bis sie ihre ganze Existenz verloren haben.
Kirchner, Leiterin der Caritas-Suchtberatung, möchte mit ihrem Team dieses Dilemma zeigen, am bundesweiten Tag der Glücksspielsucht, mitten in Oberbarmen, wo blinkende Spielhallen das Straßenbild prägen.
Allein 1.483 Geldspielautomaten gieren in Wuppertaler Spielhallen und Gaststätten nach dem Geld der Gäste, das viele auch dann noch verzocken, wenn sie es eigentlich gar nicht mehr besitzen. "Mehr als 31 Millionen Euro Spielverluste müssen die Wuppertaler Spielautomatenkunden jährlich verschmerzen", sagt Gabriele Kirchner. Wer nicht anders kann, als "Haus und Hof" zu verspielen, leidet an Glücksspielsucht, einer anerkannten Krankheit, die nicht selten ganze Familien in den Abgrund zieht.
Der Caritasverband ist die einzige anerkannte Spielerfachstelle in Wuppertal, die qualifizierte Beratung und Hilfe anbietet. "In Einzelgesprächen erfassen wir die gesamte Lage", erklärt Kirchner. Denn die meisten Spielsüchtigen suchen erst Hilfe, wenn der soziale und finanzielle Schaden kaum noch zu bewältigen scheint.
In einer Gesprächsgruppe versuchen sie dann, zurück ins Leben zu finden. Zehn Sitzungen sind angedacht, bei Bedarf kommen weitere hinzu. Parallel dazu läuft eine Angehörigengruppe. Kirchner: "Denn von einer Spielsucht sind rund acht weitere Personen betroffen."
Gegen das Geschäft mit der Hoffnung auf das große Glück versucht die Stadt vorzugehen. 2008 wurde die Vergnügungssteuer hoch gesetzt. "Ein Steuerungskonzept sorgt zudem dafür, dass die Zahl der Spielhallen in den letzten Jahren stagniert", sagt Stadtsprecherin Ulrike Schmidt-Keßler.
Trotz dieser Erfolge beobachtet der Caritasverband, dass immer mehr Menschen der Zockerei verfallen. Kirchner: "Junge Menschen werden in Kneipen und Sportcentern an die Automaten gelockt. Und viele spielen ganz bequem zu Hause, im Internet."
Der Arbeitsaufwand steigt, die dafür zur Verfügung stehenden Gelder sind nach wie vor knapp. "Die Spielerberatung ist nicht auskömmlich finanziert und in ihrer Existenz gefährdet", betont Kirchner. 60.000 Euro braucht der Caritasverband, um eine Vollzeitstelle zu finanzieren. Hinzu kommen die Sach- und Verwaltungskosten.
15.000 Euro bringt das Land auf. Die Stadt beteiligt sich mit 30.000 Euro jährlich. "Das reicht nicht", weiß Kirchner. Sie sieht die Stadt in der Pflicht, ihre Einnahmen aus der Vergnügungssteuer in die Suchtbekämpfung und die Prävention fließen zu lassen. Das lehnt die Verwaltung jedoch ab: "Steuereinnahmen gehen immer in den allgemeinen Haushalt", sagt Schmidt-Keßler. Schon im Februar 2015 hatte der Sozialausschuss die Verwaltung beauftragt, eine Lösung zur Aufrechterhaltung der Spielerfachstelle zu suchen.
Gabriele Kirchner und ihr Team gehen bis dahin selbst für Präventiv-Aktionen auf die Straße, um vor dem falschen Glück zu warnen. An ihrem Stand steht mittlerweile ein Pulk Interessenten. Während die Finanzierung ihrer Arbeit im Unklaren bleibt, wächst die Warteliste für die Gruppentherapie. Immer mehr Spielsüchtige hoffen auf einen Platz. Bis dahin spielen sie weiter — und versenken mehr und mehr Geld in den blinkenden Automaten.