Trickbetrügerin vor Wuppertaler Amtsgericht Von Handwerkern geschnappt, vom Richter verknackt
Wuppertal · Es ging gerade noch mal gut: Die beherzten und spurtkräftige Handwerker Kevin Friderichs und Ronny Mony schnappten im vergangenen November in ihrer Mittagspause eine Trickbetrügerin und bewahrten so eine 81-jährige Elberfelderin davor, rund 300.000 Euro zu verlieren (die Rundschau berichtete). Jetzt musste sich die 37-jährige Betrügerin vor dem Wuppertaler Amtsgericht verantworten.
In mehrstündigen Schock-Telefonaten mit wechselnder Besetzung wollten Betrüger der alten Dame einen von ihrer Tochter verursachten schweren Unfall an einem Fußgängerüberweg einreden: Angeblich habe sie eine im achten Monat Schwangere überfahren, das Ungeborene sei tot und die Mutter läge im Sterben. Die drohende Haft der Tochter könne er, der angebliche Anwalt, abwehren durch Stellung einer hohen Kaution.
In Panik habe die Wuppertalerin Geld, eine Goldmünzen-Sammlung und wertvolle Uhren in eine Sporttasche gepackt. Diese sollte von einer angeblichen Bevollmächtigten des Oberstaatsanwalts abgeholt werden. Die kam, konnte sich aber nicht ausweisen und wollte auch nichts quittieren, während der angebliche Anwalt am Telefon auf die Dame einredete. Der Grund fürs plötzliche Zögern der Dame? Die angebliche Tochter am Telefon hatte sie mit „Mutti“ angeredet – ihre Kinder hätten aber immer „Mami“ gesagt.
Das Chaos bemerkten die Fensterbauer Kevin Friderichs und Ronny Mony auf der anderen Straßenseite, und als die „Bevollmächtigte“ die Tasche an sich riss und davonrannte, sprintete Mony hinter ihr her, Friderichs versperrte ihr mit dem Transporter an einer Bushaltstelle den Weg.
„Alles, was sich am Telefon abspielte, wussten wir ja nicht. Wir wussten auch nichts über die Betrügerin oder irgendwelche Helfer von ihr. Das hätte auch richtig gefährlich werden können, man weiß ja nicht, ob solche Leute Waffen dabei haben. Aber in dem Moment, als unsere Hilfe benötigt wurde, haben wir einfach geholfen und uns all diese Fragen nicht gestellt“, erzählten die Helden-Handwerker der Rundschau in einem Bericht vom 11. Dezember 2021 .
Perfekt organisiert sei der Telefontrick gewesen, stellte Richter Christoph Petersen während der Verhandlung am Amtsgericht fest. Weitab von jedem Zufall. So beschreibt die 37-jährige Angeklagte ihre Rolle in diesen Fall. Ein „guter Bekannter“ in ihrer Heimatstadt Posen, von dem sie nur den Vornamen kannte, aber selbst den nicht nennen wollte, weil sie Rache an ihren vier Kindern fürchtete, habe sie angesprochen und ihr 2.000 Euro dafür versprochen, dass sie „in Deutschland was abhole“.
Sie sei mit der Bahn und einem Prepaid-Handy erst nach Berlin und dann nach Düsseldorf geschickt worden, in ein Hotel, dessen Namen sie vergessen habe. Dann mit dem Taxi nach Wuppertal, immer dirigiert – so ließ sie alles ihre Anwältin erklären – von der Stimme des Bekannten in ihrem Handy. Im Briller Viertel dann das Treffen mit der völlig verzweifelten alten Dame, mit der Beute dann zu einer Bushaltestelle, wo sie gestellt wurde.
Völlig unwahrscheinlich, dass sie – die angeblich Ortsunerfahrene – dort auf den Bus gewartet hätte, der ohnehin erst in einer halben Stunde gekommen wäre. Die ganze Legende wäre unglaubhaft, so der skeptische Vorsitzende. Nach dem üblichen Strickmuster solcher Fälle wäre sie von einem Mittäter abgeholt worden, die Beute blitzschnell in den Händen einer straff organisierten internationalen Bande verschwunden.
Sie habe auch vermutlich nie in Düsseldorf in einem Hotel übernachtet, für das es ja auch keine Belege gab, sondern innerhalb der „Familie“, die auch den Ablauf in Wuppertal überwacht hätte. Allein drei verschiedene „Keiler“ plus eine Tochterdarstellerin hätten telefonisch auf das Opfer eingewirkt, Handys aus Spanien und England seien benutzt worden. Dazu käme noch der „Dirigent“ der Angeklagten.
Diese ganze professionelle Organisation, von der man nur die Spitze des Eisbergs gesehen habe, habe sie nicht offengelegt. Ihr Geständnis des ohnehin Offensichtlichen sei wenig wert, genau wie die Bitte um Entschuldigung, die die alte Dame mit Bestimmtheit ablehnte.
Zwar sei kein wirklicher Schaden entstanden dank der Zivilcourage der Zeugen, auch sei sie in Deutschland nicht vorbestraft, aber eine Bewährungsstrafe sei für eine „reisende Straftäterin“ und mutmaßliches Bandenmitglied nicht angebracht.
Urteil: eine Haftstrafe von anderthalb Jahren.