Ärger in Vohwinkel wegen Bauvorschriften „Als wohnten wir neben Thyssen“

Wuppertal · Ein Mieter fühlt sich vom Bauamt nachträglich bevormundet durch später eingebaute Lärmschutzmaßnahmen. Er fragt sich: „Welcher Lärm?“

Jörg Walbersdorf vor dem Mehrfamilienhaus in Vohwinkel, das nachträglich zum Schallschutz mit „Prallscheiben“ ausgerüstet wurde, wie man deutlich im Hintergrund sehen kann.

Foto: Waltraut Rass

„Beim Kochen über das Klo zu lüften, ist nicht so angenehm“, beklagt sich Jörg Walbersdorf aus Vohwinkel über Schallschutz-Maßnahmen, die ihm vom Bauamt auferlegt worden sind. Er darf fortan sein Küchenfenster nicht mehr öffnen. Der Fenstergriff wird demnächst vom Vermieter abmontiert. Aber nicht nur das ärgert ihn. Vor das Schlafzimmerfenster wurde eine kompakte Prallscheibe aus Plexiglas installiert, „als wohnten wir neben Thyssen Krupp“, spottet er.

„Lüften ist jetzt kaum noch möglich“, zeigt sich Walbersdorf besorgt auch in Hinblick auf eine mögliche Schimmelbildung in der Wohnung. Er bringt dann noch die fehlende Möglichkeit, das Küchenfenster und die Prallscheibe von außen reinigen zu können, ins Spiel. Hier befürchtet er Zusatzkosten, die auf alle Mieter des Hauses umgelegt würden, um die Scheiben von einem gewerblichen Fensterputzer reinigen zu lassen.

Jörg Walbersdorf fühlt sich vom Bauamt nachträglich bevormundet. Der Angestellte wohnt mit seiner Lebensgefährtin erst seit drei Monaten an der Scheffelstraße im Neubau im Dichterviertel. Er habe allerdings ein Schreiben vom Vermieter unterzeichnen müssen, in dem er sich mit den baulichen Veränderungen einverstanden erklärt.

Hierüber habe er sich damals keine weiteren Gedanken gemacht. „Da hatten wir mit der Renovierung und dem Umzug den Kopf voll“, erklärt er. Der Grund für diese – ihn sehr einschränkenden – Maßnahmen ist ein gesetzlich vorgeschriebener Schallschutz. Nebenan befinden sich mehrere Kleingewerbebetriebe, zu denen beispielsweise eine Autowerkstatt gehört.

Jörg Walbersdorf hakte beim Bauamt nach. Der Bebauungsplan 1204 von 2015 besage, dass feststehende Fenster Richtung Gewerbegebiet vorgeschrieben seien, um vor Lärm zu schützen. Er fragt sich: „Welcher Lärm?“ Die Kleinbetriebe nebenan würden kaum Lärm verursachen und nach 18 Uhr sei es sowieso still, versichert er. „Die flexen vielleicht einmal in der Woche für zehn Minuten, das ist alles ertragbar“, meint er. Ansonsten würden nur die Vögel zwitschern und mal ein Hund bellen. Er fühle sich wohl in der neuen ruhigen Wohnung, die von vornherein gut schallgedämpft sei. „Wir haben eine Dreifachverglasung und Jalousien.“

„Wir verstehen Ihren Unmut, aber das Fenster muss geschlossen bleiben“, ist die Antwort des Bauamtes auf seine Beschwerde. Jörg Walbersdorf schlug den Mitarbeitern daraufhin vor, sich persönlich von der Ruhe vor dem Küchenfenster zu überzeugen. Dieser Aufforderung seien sie bisher nicht nachgekommen.

„Die Verwaltung ist hier an die übergeordnete Gesetzgebung gebunden“, sagt das Presseamt auf Nachfrage. Ein Wohngebiet sei angrenzend an ein bestehendes Gewerbegebiet gebaut worden. „Dieses bestehende Gewerbegebiet darf durch die hinzukommende Wohnbebauung in seinen Nutzungsmöglichkeiten nicht – auch nicht theoretisch – eingeschränkt werden“, heißt es wörtlich.

Einige der Nachbarn sind ebenso verärgert über die Maßnahmen, ist zu hören. Darunter Torsten Sengteller, der unter Jörg Walbersdorf wohnt. Er hat sich einen Anwalt genommen. Sengteller fordert eine Mietminderung oder einen Ausgleich für den Umstand, in seiner Wohnung nicht richtig lüften zu können.