Kann nur verlieren
Betr.: „Natürlich sind wir eine Volkspartei“, Rundschau-Interview mit Helge Lindh und Martin Schulz
Der Neoliberalismus wurde ab Mitte der 70er Jahre zum epochenprägenden politökonomischen Paradigma fast aller entwickelten Industrieländer. Reagan und Thatcher und später Kohl und Schröder in Deutschland setzten ihn in ihren Ländern rücksichtslos durch.
Schröder (SPD) wettert gegen den „Verantwortungsimperialismus“: Wer nicht mitmacht, wird abgestraft. Den freien Fall in den Irrationalismus kann heute in der SPD keine und keiner mehr aufhalten.
Und dann war es soweit: Am 14. März 2003 gibt Schröder dem Volk über den Bundestag sein „Jahrhundertwerk“, seine „Agenda“ (deutsch: Tagesordnung) zur Kenntnis. Mit Ausnahme einiger Versprechen für die Unternehmer führt er mit Häme Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger als Sündenböcke vor. Schrittweise denunziert er, deutet um, unterstellt.
Schröder imaginiert so Millionen von Menschen als Betrüger. Als Teil der Agenda 2010, die Schröder mit seiner Regierungserklärung vom März 2003 verkündete, traten die Gesetze zwischen 2003 und 2005 in Kraft. Das verbleibende eine Jahr Arbeitslosengeld wurde eine der kürzesten Fristen in der EU und ist es noch (Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Sozialkompass 2015).
Für den größten Teil der Betroffenen war es eine schlimme Schweinerei, und die SPD kostete es einen großen Teil ihrer Wähler: Zwischen 2002 und 2009 stürzte ihr Wähleranteil bei Bundestagswahlen von 38,1 Prozent auf nur noch 22,7 Prozent dramatisch ab.
Doch die SPD hat aus diesen Erfahrungen und auch aus den existenzbedrohenden Wählerverlusten wenig bis nichts gelernt. Fast das gesamte Führungspersonal ist noch unter Schröder groß geworden. So erklärt sich auch der enorme Abstieg der SPD, die immer vorgab, für soziale Gerechtigkeit einzutreten, dabei aber wenig Fortschritte machte oder sogar erhebliche Rückschritte zu verantworten hat, wie mit den „Hartz-Reformen“, der Altersarmut programmierenden Rentenformel, der Aufgabe der Vermögenssteuer, den Steuersenkungen bei Spitzeneinkommen und Kapitaleinkommen sowie mit mangelnden Investitionen in die sozialen Infrastrukturen, besonders das Bildungssystem.
Eine Partei, die seit Schröder 16 Jahre lang regiert oder mitregiert und dabei ihr soziales Programm zunehmend verraten hat, kann nur verlieren.
Klaus Zajac