Corona und Obdachlose „Es gibt eine große Solidarität“

Wuppertal · Welche Folgen hat(te) die Corona-Krise für die Arbeit mit obdachlosen Menschen? Nicola Dünow vom Kirchenkreis Wuppertal sprach darüber mit Diakonie-Sozialarbeiter Klaus Krampitz von der Beratungsstelle für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten.

Klaus Krampitz ist Sozialarbeiter bei der Wuppertaler Diakonie.

Foto: Simone Bahrmann

Rundschau: Wie hat sich Ihre Arbeit durch Corona verändert?

Krampitz: „Es ist schwerer, an unsere Leute heranzukommen. Auch wenn wir uns mittlerweile etwas mit der Situation arrangiert haben. Straßensozialarbeit ist vor allem Beziehungspflege nach dem Motto „Wenn Du ein Problem hast, sind wir da“. Wir müssen natürlich auch Abstand halten und dadurch ist es ist für uns noch schwieriger als sonst, in Kontakt zu treten. Wir arbeiten momentan mehr beobachtend als sonst. Es gibt ja aktuell auch keine Gruppenangebote oder gemeinsames Essen, wo man ins Gespräch kommt. Ein Problem ist es für uns auch, dass unsere Klienten die Infektionsgefahr gar nicht so sehen. Viele von ihnen haben Drogen-Erkrankungen wie Hepatitis oder HIV, die stehen für sie im Vordergrund – und nicht die Gefährdung durch Corona. Unsere Beratungsgespräche finden bisher ausschließlich im Garten oder auf dem Vorplatz statt. Ab Juli wollen wir dann vorsichtig und mit Abstand wieder drinnen beraten.“

Rundschau: Wie ist die Situation in der Tagesstätte „Café Ludwig“?

Krampitz: „Auch dort müssen wir die Kontakte reduzieren. Momentan bieten wir nur heiße Getränke und Wasser an. Kein Essen. Es dürfen nur maximal sechs Leute ins Café kommen, von denen wir auch wirklich wissen, dass sie obdachlos sind. Da wir der einzige Tagesaufenthalt sind, ist das natürlich ziemlich wenig. Duschen und Wäschewaschen ist zum Glück bei uns wieder möglich – aber natürlich nur für eine sehr eingeschränkte Personenzahl.“

Rundschau: Und wie sieht die Situation in den Wuppertaler Notschlafstellen aus?

Krampitz: „Zum Glück war bei Corona das Wetter auf unserer Seite. Um die Situation an der Notschlafstelle an der Friedrich-Ebert-Straße zu entzerren, wurden einige Menschen in der Hermannstraße untergebracht. Im Hopster-Fiala-Haus konnten wir die Notbetten auf den Fluren wegen der Abstandsregel nicht mehr nutzen. Das ist problematisch, weil dort eigentlich immer jemand untergebracht ist. Aber auch hier hat die Stadt unkompliziert unterstützt und die Frauen in der Hermannstraße untergebracht.

Rundschau: In der Diakoniekirche wurde die Essensausgabe erweitert. Ist der Zulauf groß?

Krampitz: „Anfangs lief es etwas schleppend. Aber mittlerweile kommen 100 bis 120 Personen täglich zur Lebensmittelausgabe. Natürlich sind nicht alle von ihnen wohnungslos. Der Bedarf an Unterstützung ist insgesamt groß. Genau wie bei uns werden auch an der Diakoniekirche momentan keine warmen Mahlzeiten ausgegeben. Das ist für unsere Leute sehr schwierig, weil sie nirgendwo einen Platz finden, wo sie sich in Ruhe zum Essen hinsetzen können.“

Rundschau: Wie ist die grundsätzliche Einstellung der Wuppertaler den Obdachlosen gegenüber? Werden sie eher gemieden als sonst?

Krampitz: „Nein. Es gibt eine große Solidarität. Mein Eindruck ist, dass die Menschen unter Corona eher großzügiger geworden sind. Auch die uns anvertrauten Menschen berichten von vielen Spenden. Es sind ja auch Lebensmittel verteilt und Gabenzäune eingerichtet worden. Die Wohnungslosen erzählen auch, dass man ihnen offenherziger begegnet. Auch das Jobcenter bewilligt aktuell die Leistungen großzügiger, auch Osteuropäer wie zum Beispiel polnische Migranten, die eigentlich keine Zahlungen bekommen, werden unterstützt.“