Bergische Uni Wuppertal Das gefährlichste Tier Deutschlands

Wuppertal · Professorin Gela Preisfeld von der Bergischen Uni Wuppertal über die Gefahren durch Zecken für den Menschen und deren Bedeutung für das Ökosystem.

Prof. Dr. Gela Preisfeld.

Foto: Sebastian Jarych

Sie lauern im Gras, in Gebüschen, im Wald und im Unterholz. Regungslos und stundenlang warten sie auf ihren Wirt, an dem sie sich schließlich festbeißen und oftmals unbemerkt mehrere Tage saugen, bevor sie sich wieder fallen lassen oder gewaltsam entfernt werden. Zecken. Mit kaum einer anderen Tierart ist in unseren Gefilden so viel Abscheu verbunden, wie mit diesen kleinen Blutsaugern.

Die Biologin Gela Preisfeld kennt sich mit den Gefahren dieser Kleinkrabbeltiere sowie deren Bedeutung für das Ökosystem aus und sagt: „Sie erfüllen eine Funktion. Wenn man alle Parasiten entfernen würde, dann würde das Ökosystem zusammenbrechen.“

Für Expertinnen und Experten gilt die Zecke als das gefährlichste Tier Deutschlands, denn kein Tier verursacht hierzulande so viele Krankheitsfälle wie der Blutsauger. Das habe verschiedene Gründe, erklärt die Professorin, denn das besonders Gemeine an diesen Tieren sei, dass wir es oftmals nicht bemerkten, wenn sie zustechen. „Sie fangen an Blut zu saugen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Auf diese Art und Weise können Krankheitserreger in unser Blutsystem gelangen.“

Zwei in der Bevölkerung bekannte Krankheiten, die Zecken auslösen können, sind die Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME genannt, sowie die Borreliose. Zecken können mehrere Tage an einem Menschen oder Tier saugen und schleusen in dieser Zeit durch ihren Speichel Krankheitserreger in den Wirt ein. Die Raffinesse, mit denen sie das tun, ist für die Biologin bemerkenswert.

„Sie ritzen mit ihren Kieferklauen unsere Haut an. Dann tritt Blut aus, weil sie die Kleinkapillaren zerstören. Normalerweise würde unser Blut dann sofort gerinnen und es würden Substanzen freigesetzt, die daraufhin unser Immunsystem aktivieren. Das passiert dann aber nicht, weil die Inhaltsstoffe im Speichel der Zecke diesen Prozess verhindern und die Wunde sich nicht verschließen kann. Sie haben so eine Art Saugrüssel in dem eine Rille liegt. Auf dieser Rille fließt dann das Blut bis zum Mund hin. Und damit sie auch wirklich an uns festbleiben, haben sie zwei Möglichkeiten. Entweder krallen sie sich mit ihren kräftigen Beinchen fest, oder sie kleben sich fest. Bei einem Zeckenbiss übertragen dann infizierte Zecken Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien.“

Ixodida – die größten Milben

„Bei den Zecken gibt es mehrere Gattungen mit unterschiedlichen Arten“, erklärt die Wissenschaftlerin. Sie gehören zu den sogenannten Kiefernklauenträgern (Chelicerata), einer Gruppe, die man zu den Spinnentieren zählt. Innerhalb dieser gehören sie zu den Milben, die man eher im Hausstaub vermutet oder auch natürlicherweise auf der Haut trägt. Wissenschaftlich gehören sie in eine Ordnung, die sich Ixodida nennt. Dort gibt es zwei große Gruppen von Zecken, die Lederzecken und die Schildzecken. Die Zecken, mit denen wir es hier zu tun haben, gehören primär zu den Schildzecken.“

Der hauptsächliche Vertreter, den wir auch auf unseren Hunden und Katzen finden, ist der Gemeine Holzbock. Aber auch noch einige andere Arten wie die Auwaldzecke oder die Taigazecke bewegen sich in unserem Land, und das Einwandern anderer Arten aus südlicheren Ländern findet – wie bei anderen Tier-und Pflanzengruppen, wir nennen solche Organismen Neobiota – natürlich auch hier statt.

Die Gefahr lauert am Wegesrand.

Foto: UniService Transfer

Nase am Bein

Überall dort, wo es Pflanzen gibt, können sich die Plagegeister aufhalten. Dabei sitzen sie vielfach auf Grashalmen oder niedrigen Büschen. „Wenn sie Hunger haben, lauern sie mit den Vorderbeinen nach oben gestreckt“, beschreibt Preisfeld das „Jagdverhalten“. „Das machen sie deswegen, weil auf ihren Vorderbeinen die sogenannten Hallerschen Organe sitzen. Das sind die „Nasen“, also der Geruchssinn der Tiere. Dort warten sie so lange, bis jemand vorbeikommt, der nach Buttersäure oder Ammoniakverbindungen riecht. Sie nehmen sogar den Kohlendioxid-Ausstoß durch den Atem wahr. Sie lassen sich fallen und krallen sich sofort fest, suchen dann aber eine geeignete Stelle, weil sie gerne dunkle, feuchte oder behaarte Bereiche mögen. Haben sie die gefunden, dann fangen sie an, sich einzubohren.“ Einmal vollgesogen, können Zecken Jahre ohne Nahrung auskommen. Die Lebenserwartung des gemeinen Holzbocks in der freien Natur liegt bei drei bis fünf Jahren.

Zecken geben Krankheitserreger weiter

„Zecken selbst infizieren sich durch die Aufnahme von Blut bereits infizierter Kleinsäuger“, erklärt die Biologin. „Häufig sind das Mäuse oder Ratten, in denen sich Viren oder Bakterien sehr gut vermehren.“ Bei der FSME, einer virologischen Erkrankung, verlaufe die erste Phase der Infektion wie eine Erkältung und das sei auch das Problematische, denn das nähmen wir oftmals gar nicht wahr. Meistens sei es dann aber auch vorbei.

„Bei einzelnen Menschen, und man weiß nicht, woran das liegt, gibt es aber eine zweite Phase. In dieser Phase kann es zu ganz ernsthaften Symptomen kommen, bis hin zur Atemlähmung. Bei einem Prozent der Erkrankten endet das tödlich. Je älter man wird, desto größer wird das Risiko, ernsthaft daran zu erkranken.“ Doch nicht jede Zecke ist per se infiziert, in Fachkreisen gehe man von circ fünf Prozent aus. Auch wenn NRW kein FSME-Gebiet sei, müsse man wissen, dass es diese Überträger auch hier gebe.

„Die Borreliose ist dagegen eine bakterielle Infektion, ein Bakterium, dass eng mit dem verwandt ist, das auch die Syphilis auslösen kann. Die Borrelien befallen unterschiedliche Organsysteme, daher ist die Symptomatik nicht immer eindeutig. Die Haut ganz besonders, Gelenke, aber auch Nerven und das Gehirn, die sogenannte Neuroborreliose. Borrelien schaffen es, die Bluthirnschranke zu überwinden und schlimme Folgeerscheinungen auszulösen.“ Borreliose, deren Symptome sich durch Fieber, Durchfall, Übelkeit, Abgeschlagenheit und eine Wanderröte zeigen können, sind aber im Gegensatz zu FSME mit Antibiotika gut zu behandeln.

Nicht so häufig bei uns ist die Babesiose, die von Auwaldzecken übertragen werden kann. „Die Babesiose tritt häufiger bei Hunden auf, daher nennt man sie auch die Hundemalaria“, erklärt die Fachfrau. Im Zuge des Klimawandels könnten überdies auch andere Zecken, wie die „Hyalomma“-Zecke aus Asien und Afrika an Bedeutung gewinnen, die durch Zugvögel oder Holztransporte nach Europa gelangt. „Steigende Temperaturen und sinkende Feuchtigkeit ermöglichen das Überleben von Larven hier bei uns“, sagt Preisfeld. Mittlerweile seien Zecken auch teilweise im Winter aktiv, weil das Klima einfach milder werde.

Auf jeden Fall entfernen

Entdeckt man bei sich oder seinem Haustier eine Zecke, sollte man die sofort entfernen. Egal ob mit Pinzette, Zeckenkarte oder den Fingern, je schneller sie beseitigt wird, desto geringer ist das Infektionsrisiko. Über das Entfernen einer Zecke gibt es aber viele falsche Legenden. Dazu Preisfeld: „Beim Entfernen sollte man immer ganz unten anfassen, damit man den Kopf mit herausbekommt und dann gerade ziehen, aber nicht drehen. Bitte kein Öl oder auch Klebstoff verwenden, das hat die gegenteilige Wirkung, weil dann noch einmal extrem Speichel abgesondert wird.“

Platz im Ökosystem

Trotzdem die Zecken so unbeliebt ist, spielen sie doch eine wichtige Rolle im Ökosystem. „Sie dienen in erster Linie als Nahrungsmittel für Schnecken, Fadenwürmer, Wespen, Vögel und auch Pilze. Natürlich mag niemand gerne Parasiten. Wie alle Organismen haben sie aber ihren Platz im Ökosystem. Sie erfüllen eine Funktion. Und sie wollen uns ja nichts Böses. Sie sind – wenn sie uns schaden – ja selber infiziert. Sie wollen ihren Wirt nicht schwächen oder töten, denn sie brauchen ihn ja. Nicht die Zecke, sondern die Keime, die sie in sich trägt, schaden uns.“

Zwar ist es für den Laien schwierig, dieser Spezies etwas Positives abzugewinnen, doch Preisfeld weist noch auf eine weitere wichtige Regulierungsfunktion der Zecken hin, die im Zuge des Klimawandels an Bedeutung gewinnen könnte. „Es gibt eine Hypothese, die besagt, dass Parasiten Populationen regulieren können. Wenn jetzt fremde Organismen in ein Habitat eindringen – und das kommt immer wieder vor –, sei es der Flusskrebs, der Waschbär usw., gibt es dann Wechselbeziehungen zwischen den Parasiten und den Wirten. Dann könnte ein Parasit dafür sorgen, dass ein neues Tier, dass noch nicht Bestandteil dieser Wechselbeziehung ist, dort auch gar nicht Fuß fassen kann, weil der Parasit dazwischen sitzt.“

Er verhindert so gesehen eine nicht natürliche Ansiedlung. „Zudem sorgt ein Parasit auch dafür, dass eine Population nicht übermäßig groß, sondern in Grenzen gehalten wird. Auch wird das Immunsystem des Wirtes durch die häufige Übertragung von Parasiten aktiviert, und das kann evolutionsbiologisch betrachtet ein Vorteil sein, weil die Tiere eine größere Fitness haben und dadurch eine höhere Fortpflanzungswahrscheinlichkeit.“

Festes Schuhwerk und Schwarzkümmelöl

Für Naturbegeisterte gibt es klare Schutzmaßnahmen. Einmal in Wald und Feld unterwegs, sollten festes Schuhwerk und Socken getragen werden, die man auch über die Hose stülpen kann. Zurück zu Hause untersucht man seinen vierbeinigen Wegbegleiter und sich selber und klopft seine Kleidung ordentlich aus. Wer den Krabbeltieren nicht mit chemischen Präparaten zu Leibe rücken will, dem empfiehlt die Biologin: „Ich habe bei unserem Hund gute Erfahrungen mit Schwarzkümmelöl gemacht. Zwei Tropen ins Futter, das hat einen zarten Duft, da sind Fettsäuren und ätherische Öle drin. Das ist gesund und man kann es sich verdünnt auch auf die Haut reiben.“