Langerfeld/Nächstebreck Die Reißleine gezogen
Wuppertal · Viele Wuppertaler Friedhöfe stehen vor einer ungewissen Zukunft: Ein Beispiel dafür ist der idyllisch zwischen Langerfeld und Nächstebreck gelegene katholische Friedhof "Zu den Dolinen", der 1911 eingeweiht worden ist.
Jetzt fiel die Entscheidung für seine Schließung — denn jede Bestattung erhöht das Defizit.
Früher war es üblich, dass katholische, evangelische und freie Kirchengemeinden eigene Friedhöfe hatten, so dass die Bestattung in Quartiernähe erfolgte. Zahlreiche Kirchenaustritte und weniger christliches Leben, zurückgegebene Familiengräber, aber auch neue Bestattungsformen, beispielsweise in Urnen (65 bis 75 Prozent), brachten die Kirchengemeinden in wirtschaftliche Bedrängnis.
Während für die evangelische Kirche ein zentraler Friedhofsverband 22 (davon 17 als Eigentum und fünf im Auftrag) von 26 Friedhöfen verwaltet und so die Bewirtschaftungskosten gesenkt hat, blieben die 14 katholischen Friedhöfe in Gemeindebesitz. Es gibt aber ein katholisches Friedhofsamt.
Der Kirchenvorstand der katholischen Gemeinde St. Raphael, Mitglied der Pfarreiengemeinschaft Wupperbogen-Ost, hat am 7. November die Schließung des Friedhofs "Zu den Dolinen" beschlossen. Konsequenzen: Ab sofort werden keine neuen Grabnutzungsrechte mehr vergeben.
Bestehende Rechte bleiben für die vereinbarte Laufzeit bestehen. Eine Beisetzung unter Einhaltung der Ruhezeit ist möglich. Der Friedhof ist noch 25 Jahre lang — bis 2042 — zugänglich und wird weiterhin gepflegt. Offen ist noch der Umgang mit Belegungszusagen bei Familiengrabstätten.
Der stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende Hans-Günter Mittelstenscheidt, selbst durch Familienangehörige seit 1932 mit dem Friedhof verbunden: "Unser Friedhof arbeitet seit vielen Jahren nicht mehr kostendeckend. Jede weitere Bestattung erhöht das Defizit. Die Friedhofsgebühren müssten verzehnfacht werden, um die Jahreskosten von über 50.000 Euro abzudecken. Schon jetzt ist der Friedhof mit 1,3 Millionen Euro überschuldet. Jedes Jahr müssen über 20.000 Euro aus der Gemeinderücklage entnommen werden." Würde dieser Betrag fällig, müsste die Gemeinde Insolvenz anmelden. "Doch Gemeinden können nicht Pleite gehen", fügt Pfarrverweser Ulrich Lemke hinzu.
Der Kirchenvorstand hat die Reißleine gezogen, weil das für die nächsten 25 Jahre zu erwartende Defizit von 1,5 Millionen Euro ohne Hilfe des Erzbistums Köln nicht zu verantworten ist.
Eine Begehung und Ist-Aufnahme durch Experten des Generalvikariats deckte das Grundproblem auf. In Wuppertal gibt es nur zwei katholische Gemeinden (in Vohwinkel und Beyenburg) mit Kostendeckung — ein Viertel des Bestandes. Das Flächenangebot aller Friedhöfe liegt 50 Prozent über dem stetig sinkenden Bedarf. Deshalb müssen künftig weitere unrentable Friedhöfe geschlossen werden, auch wenn die Gemeinden, wie St. Raphael seit zehn Jahren, solche Beschlüsse über Jahre vor sich herschieben.
Die Bestattungszahl des Friedhofs "Zu den Dolinen" ist zu klein: Er kann auch wegen seiner ländlichen Lage nicht kostendeckend betrieben werden. "Keine Perspektive", stellt Pfarrer Lemke traurig fest und stimmt dem Beschluss zu. Für ein Kolumbarium wären 100.00 Euro fällig, ohne Garantie für eine Refinanzierung, die mindestens 20 Jahre dauern würde.
Der Kirchenvorstand wird die noch zu ermittelnden Angehörigen und Gräberinhaber über den Beschluss und den weiteren Ablauf informieren. Eine Reihe von Fragen soll das Generalvikariat in Köln beantworten: Zum Beispiel, was aus der Kapelle (Entwidmungen sind in der katholischen Kirche sehr selten) werden soll. Was ist mit Parkplätzen, Winterdienst und den 104 Kriegs- und Ehrengräbern? Hans-Günter Mittelstenscheidt: "Unser Friedhof hat 200 Grabstellen mit 808 Gräbern, ist 28.000 Quadratmeter groß, davon ist ein Drittel freie Reservefläche, die wir nicht verkaufen können, weil eine Bebauung rechtlich nicht möglich ist. In der Nähe gibt es ein Wasserschutzgebiet."
Die Schließung des Friedhofes "Zu den Dolinen" ist nicht das erste Ereignis dieser Art — und sicher nicht das letzte. Die katholische Pfarrgemeinde St. Antonius hat vor Jahrzehnten ihre Begräbnisstätte an der Soldauer Straße aufgegeben. St. Remigius schloss 2009 den Friedhof. Und auf dem Uellendahler Friedhof stehen hohe Investitionskosten an ...
Zu einer Fusion von evangelischen und katholischen Friedhofsträgern in einem christlichen Verband ist es noch nicht gekommen, weil der Finanzdruck in den Gemeinden offensichtlich noch nicht groß genug ist. Aber Überschuldungen werden weitere unpopuläre Maßnahmen erzwingen. Deshalb respektiert der katholische Stadtdechant Bruno Kurth die Langerfelder Gemeinde angesichts ihrer Entschlossenheit bei dem sensiblen Thema. Fusionsgespräche gibt es seit Jahren, doch sollen sie nun intensiviert werden.
+++++ Fakten +++++
Der Kirchenvorstand lädt Interessierte und rund 250 Betroffene am Donnerstag, 30. November 2017, um 20 Uhr in den Pfarrsaal von St. Raphael an der Henkelsstraße 26 ein.