Prozess um Schüsse auf der Gathe Zeugen mussten aus dem Bett geholt werden
Wuppertal · Zu den tödlichen Schüssen, die an einem belebten Abend an der Gathe in Elberfeld einem Albaner in seinem BMW galten, wurden am dritten Verhandlungstag weitere Zeugen gehört. Die Vernehmungen gerieten am Mittwoch (18. Dezember 2019) zu einer Lehrstunde für das Erinnerungsvermögen von Zeugen - dabei ist dieser Vorfall erst ein halbes Jahr her.
So hatten sich die ersten Geladenen noch nicht einmal an die Ladung erinnert und mussten zu Hause erst geweckt werden. Als das nach Stunden immer noch nichts half, sprach das Gericht sogar Ordnungsstrafen aus und ordnete die polizeiliche Vorführung zum nächsten Termin an. Anwesende Zeugen konnten sich übereinstimmend wenigstens an Bruchstücke des Geschehens erinnern. Sie hatten Knallgeräusche für Silvesterböller gehalten und das Opfer gesehen, das mit einer Waffe in der Hand ausgestiegen, schwankend um das Auto herumgegangen und dort hingefallen sei. Dabei habe der Albaner auch die Waffe verloren oder fallen lassen, die als unmodern mit Holzgriffen beschrieben wurde.
Andere Zeugen hingegen konnten sich an nahezu nichts erinnern - wie ein Student, der noch nicht einmal Einzelheiten aus seiner polizeilichen Vernehmung abrufen konnte. Nur einem der geladenen Zeugen war ein Einschussloch in der Motorhaube des BMW aufgefallen, andere Beobachter waren einfach zu weit weg. Diese wenigstens berichteten von einem Auto, das mit überhöhter Geschwindigkeit, geschätzt zwischen 90 und 100 km/h, von der Gathe Richtung Marienstraße gerast sei und mit nur anderthalb Meter Abstand eine Zeugin beim Überqueren der Straße gefährdet habe. Woher die Schüsse kamen und ob es nun zwei, vier, fünf oder sechs waren? Das wusste niemand mit Sicherheit zu sagen.
Ungeschminkt im Ton und „direkt aus der Szene" dagegen ein 41-jähriger Türke, der seit 21 Jahren im Umfeld der Gathe lebt und dort quasi zum „Inventar“ gehört. Zur der Zeit arbeite er dort in einem Kiosk, saß aber gerade in einem Wettbüro und schaute ein Fußballspiel, als er die Schüsse gehört habe. Seine erste Reaktion sei die Beruhigung seiner Mitwetter gewesen mit den Worten: „Das ist ein besoffener Türke, der knallt hier immer nur mit Platzpatronen rum.“ Als diese rausrannten und nicht wiederkamen, dämmerte ihm, dass es doch etwas anderes gewesen sein müsse. Er sah dann noch den Getroffenen mit Waffe aussteigen, hinfallen und wollte helfen. Er sei geschockt gewesen, obwohl er nach eigener Aussage „selber kriminell gewesen sei“. Seine Frage danach, wer denn sowas mache, stellte ihm gleich nach der Tat auch die Polizei, die ihn als Verdächtigen direkt mitnahm. Dass er selbst nicht als Täter in Frage komme, weil er das Wettlokal als Letzter verlassen habe - das hatte die Kameraüberwachung im Wettlokal unzweifelhaft nachgewiesen.
Ja, er habe das Opfer gekannt. Nicht mit Namen, aber an einer alten Arbeitsstelle in einem Bistro, dort sei der Albaner häufiger als Kunde auf einen Espresso vorbeigekommen. Der habe sich an der Gathe häufig mit anderen Landsleuten getroffen, und vor einiger Zeit habe er an der Albrechtstraße ein Lokal aufgemacht. Dort träfen sich viele Albaner, darunter viele illegale: „Die kann man nicht alle kennen, die hängen alle zusammen." Er wisse aber auch von der Familie des Angeklagten, die an mehreren Lokalen beteiligt sei.
Den Angeklagten selbst kenne er nur vom Sehen, nicht einmal seinen Namen. Schließlich sei er Türke, und habe deshalb weder mit den Albanern noch mit anderen Gruppen engen Kontakt. Dass das Opfer, das auch in Oberbarmen ein bekanntes Gesicht gewesen sei, am Tattag mittags in eine Schlägerei verwickelt gewesen sei, habe sich trotzdem schnell rumgesprochen. Sein Fazit aus der Mitte des Milieus: Die Gathe, früher eine Partymeile, sei heute ein Drogenumschlagsplatz - und mit diesen Kreisen wolle er nichts zu tun haben.
Anfang Januar werden weitere Zeugen vernommen, die heute Fehlenden sollen von der Polizei vorgeführt werden.