Gastronomie Wo Pina gern am Fenster saß
Fast 40 Jahre lang prägte das "Odysseus" das gastronomische Gesicht der Gathe mit. Ende des Monats ist Schluss für das Traditionslokal — Sofia und Georgios Yannoulas wollen kürzer treten. Ein schwerer Schritt für das Paar — und die vielen Stammgäste.
"Wir hören auf." Seit zwei Jahren hat man sie immer wieder gehört, die zaghaften Ankündigungen von Sofia und Georgios Yannoulas. Passiert ist nichts. Doch diesmal war es anders. Diesmal hatte die Ansage ein konkretes Datum — diesmal war es ernst. Die Nachricht, das "Odysseus" an der Gathe schließe Ende des Monats seine Pforten, sorgte bei den vielen, vielen Stammgästen für ungläubiges Kopfschütteln. "Aber das ist doch mein Wohnzimmer" sagen sie ratlos oder auch nur "Das ist eine Institution in Wuppertal".
Seitdem ist es jeden Abend voll in dem kleinen Gastraum, an dessen Wänden unzählige Postkarten aus aller Welt von der Verbundenheit der Gäste zu "ihrem Griechen" erzählen. "Wir müssen zum ersten Mal wirklich Buch führen über alle Reservierungen", sagt Sofia Yannoulas und irgendwie klingt immer ein wenig Wehmut mit, wenn sie über den kommenden Abschied spricht. 1979 war es, als das griechische Paar nach diversen bürokratischen Hürden ihr griechisches Restaurant eröffnet hat. "Fast 40 Jahre immer der gleiche Rhythmus, immer die gleiche Arbeit", beschreibt Georgios die Routine als Gastwirt. "Man kann davon leben, aber man wird nicht reich", stellt der 68-Jährige klar.
Wobei, so ganz stimmt das nicht. Denn das herzliche Paar hat einen riesigen Schatz an Erinnerungen. Tänzer, Musiker, Maler, Schriftsteller — es sind vor allem Künstler, die die Atmosphäre bei Sofia und Georgios schätzen. "Pina war oft hier", erzählt die 66-jährige Sofia lächelnd. Am Fenster habe die Tanztheaterlegende meist gesessen und Zigaretten gedreht. "Als der Tänzer Daphnis Kokkinos seinen 30. Geburtstag hier gefeiert hat, waren fast alle Tänzer nach der Vorstellung hier", erinnert sich Sofia. "Wir kamen gar nicht mehr durch, um das Essen zu servieren. Da haben sie kurzerhand einfach alle Teller durchgereicht. Und dann haben sie getanzt — durch den Raum und raus auf den Bürgersteig, das war superlustig."
Auch Ernesto Cardenal war schon im "Odysseus" essen sowie der Musiker Peter Kowald ("er sprach perfekt griechisch") und Hans Modrow, der letzte Ministerpräsident der DDR ("Er hat nebenan das Marx-Engels-Zentrum besucht"). Aber vor allem sind es die Stammgäste, die das Leben in dem Restaurant prägen. "Ein Gast kommt jeden Sonntag auf dem Rückweg aus dem Sauerland zu uns und sitzt immer auf dem gleichen Platz", erzählt Sofia. "Meist kommt er allein, weil seine Frau abends nichts essen will."
Viele der regelmäßigen Besucher haben sich angefreundet, sitzen oft eng nebeneinander an den kleinen Tischen, reden und lachen miteinander. Hochzeiten und Geburtstage wurden hier gefeiert, Paare fanden und trennten sich und wo der Tod eine Lücke gerissen hat, trauerte man gemeinsam. Sofia und Georgios waren immer dabei. "Ich gehe mit gemischten Gefühlen", sagt Georgios, während seine Frau den Abschied richtig fürchtet. "Ich habe richtig Alpträume", gesteht sie. Sofia ist traurig, dass sie dieses Leben nun zurücklassen muss, die Freunde, von denen sie sich in diesen Tagen nach und nach verabschieden muss. Abend für Abend steht sie an den Tischen, plaudert und lacht mit ihnen, erinnert sich und verspricht, dass der Kontakt nicht abreißen wird.
Was jetzt kommt? "Ich weiß es noch nicht, wir haben noch keine Pläne." Die drei Kinder wohnen in Europa verteilt — in Holland, in Griechenland und in der Elberfelder Nordstadt. "Wir bleiben auf jeden Fall in Wuppertal", sagt der Gastronom. Ein Nachfolger für ihr Restaurant ist inzwischen gefunden. Ab April zieht ein türkischer Imbiss ins "Odysseus". Das haben sich die Yannoulas anders gewünscht, aber niemanden gefunden, der an der Gathe das Restaurant weiterführen wollte. "Für uns ist jedenfalls definitiv Schluss — wir sind ohnehin schon in der Verlängerung."