Die Wuppertaler Mutmacher 2017 "Team" ist hier mehr als eine Floskel

Wuppertal · Im Sommer steppt hier auf dem Rott gelegentlich der Bär. Dann trainieren auf dem altehrwürdigen Aschenplatz drei Jugendmannschaften des SV Viktoria Rott gleichzeitig, während auf dem tiefer gelegenen Bolzplatz ein viertes Team kürzere Laufwege genießt.

Peter Scheer (l.) und Michael Theimann sind die beiden Vorsitzenden des SV Viktoria Rott. Wie bei fast allen Sportvereinen im Tal gingen ohne ihr ehrenamtliches Engagement die Lichter aus. Die finanzielle Decke ist eben ganz schön kurz — „Wir leben von der Hand in den Mund“ — aber bisher ist noch immer alles gut gegangen. Und dabei soll es auch bleiben.

Foto: Jens Grossmann

Dass dies alles reibungslos funktioniert — dafür sorgen 16 ehrenamtliche Jugendtrainer und Vereinsfunktionäre im Hintergrund. Idealisten wie Peter Scheer oder Michael Theimann.

Die beiden sind unverzichtbar für jenen Rotter Sportverein, der vor 26 Jahren gegründet wurde. " Wir sind ein reiner Quartiersverein, mit der Hauptaufgabe Jugendarbeit", so steht es klar und deutlich in der Satzung. Wobei die Worte des Vereinsgründers, dem viel zu früh verstorbenen Wolfgang Gabriel, nicht nur auf dem Papier stehen. "Wir bieten jedem Kind oder Jugendlichen die Gelegenheit, bei uns Fußball zu spielen", sagt Peter Scheer und schmunzelt: "Dabei spielt es auch keine Rolle, ob oder wie die Kinder sportlich veranlagt sind". So gesehen, steht bei allem sportlichen Ehrgeiz der Spaß im Vordergrund — ganz abgesehen von den sozialen Kompetenzen, die der Mannschaftssport durchaus zu vermitteln vermag.

Peter Scheer ist soeben erst auf einer außerordentlichen Jahreshauptversammlung zum Ersten Vorsitzenden gewählt worden. Der 57-jährige Lagerist ist bei der Viktoria ein Mann der ersten Stunden. Mit der damaligen zweiten Mannschaft des Post SV wechselte er 1989 zur Viktoria. Da war Scheer vorher schon 15 Jahre als Jugendtrainer aktiv gewesen, kannte das Geschehen und war auch nicht sonderlich perplex, als zwei Jahre nach der Gründung Post vom Fußballkreis Wuppertal-Niederberg kam — mit der Auflage, zukünftig eine Jugendmannschaft zu stellen. Als Mann, der lieber Taten sprechen lässt als große Worte zu machen, sah sich Scheer gefordert. In Schulen, Kindergärten und per Flyer warb er auf dem multinationalen Rott für soziale Integration durch den Fußball.

Die Resonanz war gewaltig. Die Jugendabteilung startete in die Saison 1992 direkt mit fünf Mannschaften. Ein Erfolg, der aber auch bewältigt sein wollte. Im Folgenden brachte sich Scheer als Jugendleiter, Jugendtrainer, Zweiter Vorsitzender und Verantwortlicher für den Thekendienst im Jugendhaus ein. Der monatliche Aufwand für all diese Tätigkeiten beträgt mindestens 40 Stunden, oft deutlich mehr ...

Bescheidener Lohn für die große Jugendarbeit: Im Sommer übergab U17-Nationalspieler Chinedu Ekene persönlich den 1.200-Euro-Scheck des Verbandes für seine Ausbildung auf dem Rott an die Viktoria. Mit dabei: Sein erster Jugendtrainer Carlo Dietz (li.) und Peter Scheer.

Foto: Kim Thall

Wie motiviert man sich ohne jede finanzielle Entschädigung für solch ein Ehrenamt? Das ist eine Frage, auf die er erst nach einer Antwort suchen muss, die dann allerdings wenig überraschend ist: "Trainer, Betreuer und alle, die sich für unseren Verein einsetzen, bilden eben ein Team. Und das ist auf dem Rott mehr als eine Floskel!"

Michael Theimann nickt. Er ist die zweite tragende Säule im Verein. Als Zweiter Vorsitzender und Geschäftsführer bringt er sich seit zwölf Jahren in die Vorstandsarbeit ein. Zur Viktoria kam der 63-jährige Banker im Vorruhestand durch seinen Fußball spielenden Sohn Christian und durch einen tragischen Vorfall. "Ich habe mich nach dem Tod von Wolfgang Gabriel in die Pflicht nehmen lassen", erinnert er sich, "damals war die Existenz des Vereins ernsthaft gefährdet."

Daran hat sich freilich auf dem Rott seither nicht viel geändert. Theimann, der sich als Zahlenmensch bezeichnet, spricht Klartext: "Wir leben grundsätzlich von der Hand in den Mund." Der Verein hat 260 Mitglieder, die Jahresbeiträge zahlen. Doch allein die Außenstände in diesem Bereich betragen 4.400 Euro. Dabei ist jeder dritte Mitgliedsbeitrag der fast 200 Kinder sicher, weil dieser von der Sozialverwaltung überwiesen wird. Doch die monatlichen Kosten des Vereins belaufen sich auf 2.500 Euro. Einen Sponsor, der beispielsweise regelmäßig die Jugendarbeit unterstützen würde, hat es nie gegeben. Man ist schon froh, wenn gelegentlich Väter bereit sind Trikots oder Trainingsanzüge zu spenden.

Der treueste Geldgeber ist noch der ansässige Rotter Bürgerverein. Dort hat man erkannt, dass die Macher bei Viktoria Rott einen wichtigen Beitrag für die soziale Jugendarbeit im Stadtteil leisten. Den Jahresbeitrag für Jugendliche und Kinder wird der Verein zum Jahresanfang dennoch von 48 auf 60 Euro erhöhen müssen. Wohl wissend, dass sich die Rotter gegen konkurrierende Vereine, die überwiegend auf Kunstrasen spielen, durchsetzen müssen ...

Doch personell ist die Viktoria mit acht Jugendmannschaften und zwei Seniorenmannschaften als Quartiersverein recht gut aufgestellt. Sie kann ja auch trotz ihrer jungen Historie schon mit zwei tollen Erfolgsgeschichten aufwarten — ist doch die rote Rotter Asche die Wiege der größten Wuppertaler Fußballtalente: Gonzalo Castro, fünffacher Nationalspieler von Borussia Dortmund, und Chinedu Ekene, elffacher Jugendnationalspieler von Bayer Leverkusen, sowie dessen Bruder Achunike, der in das erweiterte Aufgebot der DFB-Jugendnationalmannschaft berufen wurde, unterstreichen mit ihren Karrieren die gute Jugendarbeit auf dem Rott. Und letztlich sind sie alle Ergebnisse von ehrenamtlicher Teamarbeit mit großem Engagement.