Bergische Uni Wuppertal Stromunterbrechung: „Wir stehen sehr gut da!“

Wuppertal · Bei der Zuverlässigkeit der Stromversorgung belegt Deutschland international einen Spitzenplatz. Dr.-Ing. Petros Dalamaras von der Bergischen Uni Wuppertal erforscht zusammen mit seinem Kollegen Niklas Schmidt am Lehrstuhl für Elektrische Energieversorgungstechnik, Forschungsgruppe Zustandsbewertung und Asset-Management, das Alterungsverhalten von Hochspannungstransformatoren.

Dr.-Ing. Petros Dalamaras ist Leiter der Forschungsgruppe „Zustandsbewertung und Asset-Management“ am Lehrstuhl für Elektrische Energieversorgungstechnik.

Foto: UniService Transfer

Hochspannungstransformatoren sind unter anderem für die Versorgung ganzer Stadtteile verantwortlich, auch in Wuppertal. Die vorhandene Altersstruktur stellt die Netzbetreiber vor grundlegende Aufgaben. Die Hochspannungstransformatoren weisen ein Durchschnittsalter von ca. 40 Jahren (weltweit) auf, was eine wesentliche Herausforderung bei der Wahrung der Versorgungszuverlässigkeit darstellt.

Im Forschungsprojekt AHtra (Alterungsverhalten von Hochspannungstransformatoren) beschäftigt sich am Lehrstuhl für Elektrische Energieversorgungstechnik von Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek der Ingenieur Dr. Petros Dalamaras zusammen mit seinem Kollegen Niklas Schmidt mit den Herausforderungen, vor denen die Netze aufgrund der Energiewende stehen. Die Frage, ob die Netzbetreiber in diesem Zusammenhang die Entwicklung verpasst haben, verneint der Wissenschaftler kategorisch.

„Die Netzbetreiber haben bisher einen sehr guten Job gemacht und machen diesen weiterhin sehr gewissenhaft“, konstatiert Dalamaras den derzeitigen Stand der Dinge und betont: „Deutschland belegt bei der Zuverlässigkeit der Stromversorgung international einen Spitzenplatz.“ Die Hochspannungstransformatoren zeigten im Gegenteil keine extremen Störanfälligkeiten und wiesen sehr niedrige Ausfallwahrscheinlichkeiten auf. „So ein Hochspannungstransformator fällt statistisch gesehen alle 100 Jahre aus.

Sicher hätten die Umspanner bereits ein gewisses Alter erreicht, und daher sei auch das Projekt AHtra wichtig, damit auch in Zukunft nichts verpasst würde, „aber die Zustände der Hochspannungstransformatoren in der DACH-Region (DACH-Region meint das Gebiet Deutschland, Österreich und Schweiz, Anm. d. Red.) weisen ein sehr hohes Niveau auf und bieten keinen Anlass zur Sorge.“

Die Wuppertaler Stadtwerke sind dabei langjährige Projektpartner der Universität und wirken bei mehreren Forschungsprojekten mit. „Wir kennen und schätzen uns sehr, weswegen wir mit der WSW sehr gerne und häufig neue und innovative Projektideen besprechen“, erklärt Dalamaras.

Auswirkungen der Energiewende auf die Versorgungszuverlässigkeit

Ziel des Projektes ist es, das heutige hohe Niveau der Versorgungszuverlässigkeit auch in Zukunft zu garantieren. Dazu Dalamaras: „Im weltweiten Vergleich, was die durchschnittliche Stromunterbrechungsdauer angeht, stehen wir sehr gut da. In Zahlen: 10,2 Minuten 2020 in Deutschland, 92 Minuten in den USA. Somit können wir erst mal sagen: keine Panik!“

Überschlag an Kugelfunkenstrecke.

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Am Lehrstuhl beschäftigt sich der Forscher mit seinen Mitarbeitern intensiv mit den Herausforderungen, vor denen die Netze aufgrund der Energiewende stehen sowie mit den Auswirkungen der Energiewende auf die Versorgungszuverlässigkeit.

„Die Energiewende bedeutet kosten- und umsetzungstechnisch eine enorme Belastung für die Netzbetreiber“, sagt er, es bestehe ein hoher Ausbaubedarf und die Energieflüsse würden ebenso immer komplexer. Daher entwickelt der Lehrstuhl für Elektrische Energieversorgungstechnik zusammen mit Forschungspartnern, – Gewerbe- und Industrieunternehmen sowie Netzbetreibern – innovative Konzepte, um diese Herausforderungen zu bewältigen.

Erkenntnisse über das Alterungsverhalten sind valide

„Im Rahmen dieses Forschungsprojektes konnten wir zusammen mit unseren 37 Projektpartnern erstmalig eine umfangreiche Datenbank erstellen“, erzählt der Forscher. „Wir haben aktuell u.a. um die 60.000 Ölberichte von über 3.500 Hochspannungstransformatoren in der Datenbank einlesen können. Dies erlaubt uns, umfangreiche Analysen durchzuführen und valide Aussagen über das Alterungsverhalten zu treffen.“

Auch erste vorläufige Erkenntnisse konnte sein Team bereits aus den zur Verfügung stehenden Daten ziehen. „Wir sehen, dass generell die Hochspannungstransformatoren in der DACH-Region einen guten Zustand aufweisen. Ebenso sehen wir, dass sich der Zustand der Hochspannungstransformatoren über das Alter hinweg eher linear verschlechtert. Die viel zitierte Badewannenkurve konnte bisher nicht gefunden werden.“ (Die Badewannenkurve beschreibt die Ausfallhäufigkeit in Abhängigkeit vom Betriebsmittelalter und ähnelt dem Querschnitt einer Badewanne, Anm. d. Red.)

Erneuerungsstrategien, Kosten und Vertrauen

Eine effiziente Instandhaltung ist die eine Seite, aber auch eine Erneuerungsstrategie gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wie die aussehen könnte, beschreibt der Wissenschaftler so: „Die Netzbetreiber führen regelmäßig Ölanalysen durch, um den aktuellen Zustand der Hochspannungstransformatoren zu ermitteln. Je nach Alterungseffekt und Zustand des Öls des Hochspannungstransformators besteht die Möglichkeit der Ölerneuerung, um die Lebensdauer um bis zu zehn Jahre zu verlängern. Das ist eine Kombination aus Instandhaltung und Erneuerung.“

Eine weitere Option werde in der Fachwelt zudem als Retrofit bezeichnet, erklärt Dalamaras. Dabei werde der Hochspannungstransformator in einer Werkstatt wieder auf Vordermann gebracht, was allerdings höhere Kosten verursache. „Das Problem der steigenden Kosten spüren bereits jetzt viele Netzbetreiber. Aus diesem Grund kommt dem Wissen über den tatsächlichen Zustand der Hochspannungstransformatoren sowie dem tatsächlichen Alterungsverhalten eine enorm wichtige Rolle zu“, weiß der Wissenschaftler und das werde bei der optimalen Entscheidungsfindung immer berücksichtigt.

Die Zusammenarbeit mit den diversen Projektpartnern basiere vor allem auf einem vertrauensvollen Verhältnis aufgrund langjähriger und erfolgreicher Kooperationen. „Daher werden uns zum einen die durch die Projektpartner aufgenommenen Daten zur weiteren Bearbeitung und Analyse zur Verfügung gestellt, zum anderen ist es auch möglich, dass wir zusätzliche Messungen empfehlen und dann bei der Durchführung mitwirken können.“

Der Lehrstuhl verfügt derweil über zahlreiche Erfahrungen aus dem Einsatz von unterschiedlichen Mess- und Prüfverfahren im hauseigenen Universitätshochspannungslabor sowie aus Vor-Ort-Untersuchungen, welche u.a. mithilfe eines Kabelmesswagens durchgeführt werden können.

Das Hochspannungslabor

Viele Versuche finden im Hochspannungslabor des Lehrstuhls statt, welches für Kinder und auch Erwachsene zu bestimmten Zeiten zugänglich ist. Ob am Tag der offenen Tür im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums der Uni Wuppertal oder der vom WDR durchgeführten Sendung mit dem Maus-Tag, Dalamaras und seine Kollegen zeigen gerne, wie man Strom und Spannung messen kann.

„Am Maus-Tag konnten die Kinder z.B. mithilfe einer Thermografiekamera herausfinden, durch welches der gezeigten Kabel Strom fließt, weil man den ja nicht sehen kann. Solche Tage nutzen wir gerne, um den Menschen unsere Arbeit zu zeigen und die jüngere Generation neugierig zu machen, um Interesse an der Elektrotechnik zu bekommen.“ Meistens werde das Hochspannungslabor jedoch für Versuche genutzt.

Verschiedene öffentliche, meist über drei Jahre geförderte Projekte sowie Einzelanfragen von Netzbetreibern machen diverse Untersuchungen notwendig. „Zum Beispiel schicken uns Netzbetreiber im Rahmen eines anderen Forschungsprojektes Mittelspannungskabelabschnitte zu und wir versuchen dann über mehrere Untersuchungen die Beschaffenheit der Kabel zu ermitteln, um zu sehen, in welchem Zustand befindet sich ein 20 Jahre altes Kabel und in welchem Zustand ein 50 Jahre altes Kabel“, sagt Dalamaras.

Ebenso verhalte es sich bei anderen Betriebsmitteln, wie etwa Ortsnetzstationen. „Diese Stationen kennt man, das sind so kleine Gebäude, die man an den Straßen sieht und die die umliegenden Häuser mit Strom versorgen. Wir haben in Deutschland ca. 600.000 Ortsnetzstationen. Die Netzbetreiber befinden sich somit auf der permanenten Suche nach Optimierungsmöglichkeiten, wobei eine gezielte und langfristige Instandhaltungs- und Erneuerungsplanung in deren Fokus rückt“.

Bewertungsmethoden

Bewertungsmethoden werden in den Unternehmen oft unterschiedlich gehandhabt. „Die Frage, die häufig aufkommt, ist nicht, ob eine Verschlechterung des Zustands festgestellt werden kann bzw. ob ein Mangel vorliegt, sondern wie kritisch diese Zustandsverschlechterung bzw. dieser Mangel zu bewerten ist.“, sagt Dalamaras. Der Lehrstuhl strebt daher eine Vereinheitlichung zum besseren Verständnis an.

Wie das aussehen kann, beschreibt der Ingenieur so: „Die zahlreichen Erkenntnisse und Erfahrungen zur realitätsgerechten Zustandsbewertung aus vorangegangenen Forschungsprojekten dienen dazu, eine Vereinheitlichung der unterschiedlichen Bewertungsergebnisse zu ermöglichen. Wir führen dabei individuelle Workshops mit den Projektpartnern durch, führen einheitliche Bewertungsgrundsätze ein usw., um letztendlich die Zustandsbewertung zu objektivieren.“

Zielführende Zukunftsmodelle

In der Wissenschaft erarbeitete Erkenntnisse lassen sich oft nur langsam in der Wirtschaft umsetzen. Doch im Bereich Energiewirtschaft ziehen mittlerweile alle Beteiligte an einem Strang. „Heutzutage ist es so“, sagt Dalamaras, „dass den Wirtschaftsunternehmen die grundlegenden Herausforderungen – wie beispielsweise jetzt hier in unserem Fall u.a. die vorhandene Altersstruktur sowie die voranschreitende Alterung der in den Netzen eingesetzten Betriebsmittel –, vor denen sie stehen, bewusst sind.“

So versucht der Lehrstuhl gemeinsam mit den Industrieunternehmen, den Netzbetreibern sowie anderen Forschungsinstitutionen neue Ansätze zu entwickeln, um die individuellen Herausforderungen zielführend zu bewältigen.

„Das Erstellen von Bewertungssystematiken sowie die Entwicklung von Alterungsmodellen für Netzbetriebsmittel ist seit vielen Jahren zentraler Bestandteil der Arbeit unserer Forschungsgruppe ´Zustandsbewertung und Asset-Management`“, sagt er abschließend. „Mit sehr großem Erfolg wurden bereits gemeinsam mit zahlreichen Netzbetreibern und Partnern aus der Industrie in mehreren Forschungsprojekten Bewertungssystematiken für Mittelspannungsnetzstationen und -kabelanlagen, gasisolierte Hochspannungsschaltanlagen sowie Hochspannungstransformatoren entwickelt.“

Forschungsakzeptanz hat immer mit Verstehen zu tun. Das Hochspannungslabor der Bergischen Universität Wuppertal bietet daher immer mal wieder Führungen an, die den Bürgerinnen und Bürgern erklären, wie Spannungen gemessen und Experimente durchgeführt werden, um Qualität und Sicherheit elektrischer Spannungen zu gewährleisten.