Landtagswahl 2017 in Wuppertal Schwarm, Bausch-Zentrum, Steuer ...

Wuppertal · Rund 90.000 Menschen können bei der Landtagswahl am 14. Mai im Wahlkreis Wuppertal II ihre Stimme abgeben. Er erstreckt sich von Elberfeld über Uellendahl/Katernberg bis Barmen. Die Rundschau bat vier Direktkandidaten zum Redaktionsgespräch: Andreas Bialas (SPD), der hier 2012 gewann, sowie seine neuen Herausforderer Hans-Jörg Herhausen (CDU), Oliver Walgenbach (FDP) und Jörg Heynkes, der als unabhängiger Bewerber für die Grünen antritt.

Andreas Bialas (SPD) zum Pina-Bausch-Zentrum: „Das Land wird sich sicher mit einem enormen Invest auch an den Betriebskosten beteiligen.“

Foto: Rundschau / Max Höllwarth

Die Stimmung ist dabei erst einmal entspannt: Es wird geduzt und gemeinsam geschmunzelt — über ein Bild aus Wuppertals unverwüstlichem Satire-Magazin "Italien", das die Köpfe von Bialas und Heynkes auf Catcher-Körper montiert hat. Rhetorisch gehen dann beide passend dazu auch stracks auf Konfrontationskurs beim Thema Kulturfinanzierung. Der SPD-Kulturexperte setzt auf einen neuen Theaterpakt, der in der kommenden Legislaturperiode zur Förderung kommunaler Theater und Orchester ausgehandelt werden soll, und sieht auch die noch offene Frage nach der Finanzierung der Betriebskosten für das geplante Pina-Bausch-Zentrum auf einem guten Weg. Sehr konkret kündigt er an: "Das Land wird sich sicher mit einem enormen Invest auch an den Betriebskosten beteiligen, vielleicht auch der Bund."

Für Jörg Heynkes ist das zu kurz gegriffen: Er wünscht sich ein Gesamtkulturkonzept nicht nur für Wuppertal, sondern für das ganze Städtedreieck, das auch noch funktioniert, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schlechter werden. "Wir spielen die bergische Karte doch so oft, warum nicht auch bei der Kultur?" Sein Vorschlag in Zeiten sehr begrenzter Kultur-Mittel: "Das ist ja alles kein 'Wünsch dir was'. Vielleicht muss man sich dann auch mal dazudurchringen, sich von einzelnen Sparten zu verabschieden, um in anderen hohe Qualität bieten zu können." Denkbar wäre für ihn dabei eine Mischung, die Glanzlichter und sehr kreative Projekte aus der freien Szene fördert. Für Bialas wäre das eine "Kannibalisierung der Kulturlandschaft" und daher ein No-Go: "Ich kann da nur abraten. Die Diskussion um das Theater hat den Wuppertalern ja schon einen enormen Imageverlust gebracht."

Hans-Jörg Herhausen (CDU): „Wenn ich als Land die Wirtschaft knebele, dann kommt auch bei der Gewerbesteuer nichts rein.“

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Hans-Jörg Herhausen geht es beim aus seiner Sicht wünschenswerten Bausch-Zentrum vor allem um eine nachhaltige Finanzierung der Betriebskosten. Seine Befürchtung: "Sonst gibt es ein jährliches Geschacher." Grundsätzlich sieht er hier Bund und Land in der Pflicht — mehr aber noch bei der auskömmlichen Finanzierung der Aufgaben, die den Kommunen auferlegt werden. "Es muss endlich klar sein: Wer die Musik bestellt, soll sie auch bezahlen." Bei den Kosten etwa für die Flüchtlingsunterbringung und -integration oder im Sozialbereich greift dieses Konnexitätsprinzip bekanntlich nach wie vor nicht.

In der Stärkungspakt-Kommune Wuppertal kommt erschwerend hinzu, dass ständig schwankende Einnahmen die Haushaltsplanung mehr als schwer machen. Aktuelles Beispiel: die zum Bumerang werdende 68-Millionen-Einmalzahlung, die Wuppertal 2017 gutgeschrieben wird, aber nächstes Jahr zur Reduzierung von Landesmitteln führt. Ist die Gewerbesteuer also noch das richtige Schwerpunkt-Instrument, um Städte zu finanzieren?

Jörg Heynkes (unabhängiger Kandidat für die Grünen): „Wir spielen die bergische Karte doch so oft, warum nicht auch bei der Kultur?“

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"Nein", sagt Jörg Heynkes: "Das schreit danach, sich mal damit auseinanderzusetzen, ob diese konjunkturabhängigen Systeme sinnvoll sind." Andreas Bialas sieht ebenfalls das Problem, dass die in den 50er und 60er Jahren entwickelte Gewerbesteuer reformbedürftig ist. Ein Durchbruch in dieser Frage ist aus seiner Sicht allerdings noch in weiter Ferne. Grund: "Die Lebensrealität in deutschen Städten ist total unterschiedlich. Und reiche Kommunen denken nicht an Solidarität. Ohne die geht es aber nicht."

Hans-Jörg Herhausen rudert in eine andere Richtung: "Wenn ich als Land die Wirtschaft knebele, dann kommt auch bei der Gewerbesteuer nichts rein. Nordrhein-Westfalen ist als Bundesland mit den meisten Einwohnern bei der Wirtschaftsleistung unter dem Durchschnitt." Oliver Walgenbach fordert genau deshalb: "Wir müssen Gewerbegebiete ausweiten" und schickt noch einen lokalen Seitenhieb hinterher: "Es darf keine Grundsteuererhöhung geben, die trifft dann wieder junge Familien, die sich Eigentum schaffen."

Oliver Walgenbach (FDP): „Visionen sind wichtig. Aber wir schaffen es ja nicht einmal, die Brücke Brändströmstraße zu sanieren.“

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Auf Kollisionskurs fahren die Kandidaten auch beim Thema Mobilität und Verkehrsinfrastruktur. Jörg Heynkes hat dazu eine sehr dezidierte Prognose: Er geht davon aus, dass sich innerhalb weniger Jahre ein Wandel hin zur "Schwarm-Mobilität" vollziehen wird. Soll heißen: Von Anbietern bereitgehaltene Wagen mit ökologischen Antriebsformen und Autopilot werden gemeinschaftlich genutzt und stehen überall zur Verfügung. "Ich schwöre Ihnen in die Hand, dass es dann in Wuppertal wie überall Anbieter geben wird, die für 69 Euro Flatrate im Monat Autos bedarfsgerecht vor die Tür stellen", so Heynkes. Seine Rechnung: In Wuppertal fahren dann nur noch 20.000 statt 200.00 Autos — mit der Konsequenz, dass für Investitionen in Stadtentwicklung und Straßen schon heute ganz andere Rahmenbedingungen gesetzt werden müssten.

Also als Konsequenz auch kein Straßenausbau mehr? Hans-Jörg Herhausen sieht bei diesem Gedankenspiel Rot: "Ich will niemandem vorschreiben, wie er sich zu bewegen hat, und will mir selbst das auch nicht vorschreiben lassen." Das Schwarm-Konzept, so glaubt der CDU-Kandidat, werde außerdem Millionen von Arbeitslosen produzieren.

Oliver Walgenbach richtet den Blick ebenfalls lieber auf die Gegenwart: "Visionen sind wichtig. Aber wir schaffen es ja nicht einmal, die Brücke Brändströmstraße zu sanieren." Außerdem beklagt er den volkswirtschaftlichen Schaden, der jeden Tag im Stau auf der A46 entsteht. Der Verkehr müsse auf den Autobahnen endlich wieder rollen — und die Kommunikation mit dem Landesbetrieb "Straßen NRW" besser werden. Andreas Bialas glaubt zwar auch an einen bevorstehenden Strukturwandel, setzt bei der Mobilität aber auf Mischformen: "Ich habe ja mit dafür gesorgt, dass Delphi die Genehmigung für die Teststrecke für selbstfahrende Autos bekommt. Die Frage ist nur: An welchen Grenzen machen wir halt?"