Wuppertaler Gastgeber Reist du noch oder "airbnbst" du schon?
Wuppertal · "Niklas und Falk, deine Gastgeber, sind rund um die Uhr für dich erreichbar. Wir kennen Wuppertal wie unsere Westentasche und geben dir tolle Insider-Tipps zu all den Sehenswürdigkeiten, die nicht im Reiseführer zu finden sind." So werben zwei Wuppertaler Studenten auf Airbnb um Übernachtungsgäste.
Sie sind einer von rund 170 Vermietern in Wuppertal, die auf der Online-Plattform Betten anbieten.
Die Online-Plattform Airbnb steht oft in der Kritik. Undurchsichtige Gebühren, weniger Wohnraum für Einheimische, Zerstörung der Nachbarschaften durch häufiges Kommen und Gehen der Gäste. In Wuppertal gibt es laut Airbnb circa 170 Unterkünfte, die über das Unternehmen buchbar sind. 3.300 Gäste kamen auf diesem Weg letztes Jahr ins Tal. Für diese Art der Übernachtung spricht der direkte Kontakt zu den Gastgebern, die unschlagbaren Preise und das Gefühl, irgendwie zu Hause zu sein.
Auf der anderen Seite stehen Familien und Wohngemeinschaften, die ihre privaten Wohnungen öffnen, um regelmäßig fremde Gäste bei sich übernachten zu lassen. Wir haben uns durchgeklickt und zwei Wuppertaler Airbnb-Vermieter besucht, die uns erzählt haben, warum es ihnen Spaß macht, ihre Zimmer über Airbnb vermieten. (Und wir können jetzt schon verraten: Es geht dabei nicht nur um Profit).
"Echte Gastfreundschaft mitten im Herzen Wuppertals", damit werben Niklas Kuhn und Falk Erfkamp auf ihrer Airbnb-Seite. Die Fotos ihrer Wohnung sehen einladend aus. Weiße Ikea-Möbel, grüne Topf-Pflanzen, modern und sauber wirkt das Ein-Zimmer-Apartment.
Die Bewertungen der Gäste klingen vielversprechend: "Wir haben uns sehr wohlgefühlt" und "Die Gastgeber sind super." Außerdem sind Niklas und Falk sogenannte 'Superhosts‘, das weckt Vertrauen.
Beim Treffen mit Niklas Kuhn in der angebotenen Airbnb-Wohnung stellt sich heraus: Niklas und Falk sind nicht nur sympathische Gastgeber, sondern beide auch noch Studenten. Gemeinsam studieren sie im 7. Semester Wirtschaftswissenschaften an der Bergischen Uni.
Das Verrückte daran: Geht es nach Airbnb-Kritikern, nehmen Gastgeber gerade Studenten dringend benötigte Wohnung weg. Und jetzt stecken ausgerechnet Studenten hinter dem Airbnb-Angebot? Niklas muss lachen. Die Kritik daran sei berechtigt, sagt er ohne zu zögern. Falsch sei aber die Behauptung, das Airbnb-Vermieter schuld seien der Wohnungsknappheit. Und die gäbe es in Wuppertal ja ohnehin nicht, sagt der Student. Nur zu Beginn des Wintersemesters, wenn plötzlich mehrere Tausend Studienanfänger ihre Traumwohnung suchen, kann eben nicht jeder sofort Erfolg haben. Da könne die Stadt noch so viel bauen. "Genau zu der Zeit vermieten wir aber auch viel an Studenten, die Airbnb als Übergangslösung nutzen und sich in Ruhe nach einer Wohnung umsehen", sagt Niklas.
Inspiriert durch eigene, positive Airbnb-Erfahrungen wurden die beiden Studenten selbst zu Airbnb-Gastgebern. In ihren eigenen Wohnungen war kein Zimmer mehr frei, also mieteten sie einfach eine zusätzliche Wohnung an.
Natürlich verdienen sie ein bisschen etwas mit ihrer Airbnb-Vermietung. "Sonst würden wir es nicht machen", sagt Niklas. Trotzdem steht der Profit bei den beiden Studenten nicht an erstes Stelle. "Es ist vielmehr ein Geben und Nehmen", sagt Niklas und erzählt von einem Zauberer, der ihnen Tricks zeigte oder von einer indischen Familie, die nach Wuppertal ausgewandert ist und denen Niklas und Falk bei der Wohnungssuche geholfen haben. Airbnb, sagt Niklas, sei für sie die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu sammeln und spannende Kontakte zu knüpfen.
Ähnlich denkt Meike Wilkens. Auch sie studiert aktuell an der Bergischen Universität, hat vorher jedoch zehn Jahre lang im Bereich Tourismus Marketing gearbeitet. "Über meinen Job bin ich damals auf Airbnb gestoßen. Zu der Zeit wohnten wir in einem Ein-Familien-Haus, hatten ein Zimmer und ein Badezimmer frei." Viele unterschiedliche Leute gingen damals bei ihr ein und aus, unter anderem eine Ballerina aus Kalifornien, mit der sie noch heute Kontakt hat, und ein Herzchirurg aus der Schweiz.
Mittlerweile wohnt Meike Wilkens in einer Dachgeschoss-Wohnung in Barmen, zusammen mit ihrem Mitbewohner. "Gemütliches Zimmer in wunderschönem Baudenkmal" lautet ihr Airbnb-Angebot. Gäste schreiben über Meike: "Super Gastfreundschaft! Sehr nettes und großes Zimmer, Wasser und Schoki als Willkommensgruß" und "Meike ist meine Lieblingsgastgeberin".
Anstatt das dritte WG-Zimmer dauerhaft zu vermieten, inserieren Meike und ihr Mitbewohner es auf Airbnb. Drei bis vier Buchungen haben sie im Monat. Der Airbnb-Gast bewohnt bei ihr ein Zimmer unterm Dach. Auf Wunsch bekommt er gegen einen kleinen Aufpreis Frühstück. Das Badezimmer teilt er sich mit seinen Gastgebern. In der Wohnung leben zusätzlich zwei Kater. "Das steht auch auf meiner Airbnb-Seite, damit Allergiker Bescheid wissen."
Genau wie bei Falk und Niklas steht bei Meike Wilkens der Spaß im Vordergrund. 27 bis 30 Euro kostet bei ihr eine Nacht. Für den Gast kommen noch Airbnb-Gebühren dazu, bei Meike gehen noch ein paar Gebühren ab. "Wenn ich dann noch Wäsche und Reinigung mit einkalkuliere, mach ich so gut wie keinen Gewinn. Das ist reine Liebhaberei", sagt die Kunstdesign-Studentin.
Ganz unterschiedliche Gäste buchen bei Meike das Zimmer: Ein Tango-Tänzer, der nur zum Schlafen vorbeikam oder ein Student aus Mauritius, dem Meike bei der Wohnungssuche half. "Nur ganz am Anfang, da hatte ich eine negative Erfahrung", sagt sie. Der Rechtsanwalt, der für mehrere Tage bei Meike wohnte, hatte die Angewohnheit, mitten in der Nacht stundenlang zu duschen. "Das war schon nervig."
Niklas und Falk erinnern sich an keine negativen Erlebnisse. Zwei Monate nach dem Start ihrer ersten Airbnb-Wohnung bot ihnen der Vermieter eine zweite Wohnung im selben Haus an. "Die haben wir dann auch genommen." Die Schlüsselübergabe läuft mittlerweile per Schlüsselkasten. Die Endreinigung übernimmt eine Bewohnerin des Mehrfamilienhauses. "Anfangs haben wir noch selbst geputzt", erzählt Niklas. Mit Uni und der zweiten Wohnung wurde ihnen das aber zu viel. Die Lage von Niklas und Falks Wohnung, zwischen Uni und Bahnhof, ist besonders bei Gastdozenten und Messebesuchern beliebt. Zu 80, manchmal auch zu 100 Prozent ist das Apartment ausgebucht. Rund 40 Euro kostet eine Nacht, Rabatt gibt es bei einem längeren Aufenthalt.
In den letzten Jahren verzeichnet Wuppertal ein deutliches Plus an Übernachtungsgästen. Lag die Zahl im Jahr 2011 noch bei rund 493.000 Übernachtungen, haben im letzten Jahr rund 583.000 Gäste in Wuppertal übernachtet, fast 100.000 mehr als sechs Jahre zuvor. Gezählt werden dabei allerdings nur die Übernachtungen in Betrieben mit mehr als 10 Betten. Airbnb-Aufenthalte werden in der Statistik nicht erfasst, da es sich bei den Gastgebern oft um sogenannte Home Sharer handelt, die ein Zimmer in ihren privaten Wohnungen für Gäste zur Verfügung stellen. Auch wenn Wuppertal bisher über keine große Anzahl an Airbnb-Angeboten verfügt, wurden umgekehrt rund 20.000 Airbnb-Reisen aus Wuppertal heraus gebucht.