Leben nach "Haiyan" (mit Fotos)

Ende 2013 hat der Wuppertaler Fotograf Jens Grossmann auf den Philippinen die Zerstörungen durch Taifun "Haiyan" dokumentiert. Ein Jahr nach der Katastrophe war er wieder vor Ort und hielt die Veränderungen in beeindruckenden Bildern fest.

Diese Kathedrale in Palo auf der Insel Leyte wurde vom Taifun „Haiyan“ 2013 zerstört.

Foto: Jens Grossmann

Zerstörung, kilometerweit. Viele seiner 2013 im Auftrag der Diakonie Katastrophenhilfe entstandenen Fotos zeigen eine riesige Fläche mit abgeknickten Palmen, Trümmern. Resten von dem, was einmal ein Zuhause für die Menschen war. "Anders als bei einem Tsunami zog der Sturm kilometerweit ins Land — die Fläche der Zerstörung war enorm", sagt Jens Grossmann, vielen auch als Fotograf der Rundschau und des TOP Magazins bekannt.

"Haiyan", der auf den Philippinen "Yolanda" genannt wird, war eine Art Super-Taifun. Mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 380 Kilometern pro Stunde war er einer der vier stärksten Wirbelstürme, die je gemessen wurden, und der schwerste, der je auf Land traf. Seine bittere Bilanz: mehr als 6.000 Tote, 2.000 Vermisste.

Zum Jahrestag von "Haiyan" 2014 hat man der Toten mit 30.000 Kerzen gedacht.

Foto: Jens Grossmann

"Haiyan" zerstörte eine Million Häuser und 3,5 Millionen Kokospalmen — Lebensgrundlage der meisten Menschen dort. Ein ökologisches wie ökonomisches Desaster. "Eine Palme", sagt Grossmann, "braucht etwa zehn Jahre, bis sie wieder steht. Wovon sollen die Menschen nun leben?"

Grossmanns Dokumentation erstreckte sich 2013 über das Gebiet der östlichsten Halbinsel Guiuan, wo "Haiyan" landete, über vier Inseln hinweg bis zum westlichen Austritt auf der Insel Palawan. Als er damals wieder in den Flieger Richtung Deutschland stieg, war ihm klar: Davon wird sich das Land für eine sehr lange Zeit nicht erholen.

Zwischen 6.000 und 7.000 Opfer hat Taifun "Haiyan" offiziell gefordert. Man vermutet, dass es in Wirklichkeit weit mehr sind.

Foto: Jens Grossmann

An dieser Stelle endet für gewöhnlich die Arbeit des Fotografen. Doch diesmal hatte er die seltene Gelegenheit, noch einmal an den Ort der Katastrophe zurückzukehren. Was hatte sich getan in diesem einen Jahr?

"Es ist als Fotograf schön zu sehen, wie das Leben nach einer Katastrophe weitergeht", beschreibt Jens Grossmann seine Gefühle. Zu sehen, wie Neues entsteht, Leben sich neu formiert. Wie aus Trümmern neue Häuser werden, wie das Entsetzen langsam aus den Gesichtern weicht, Kinder wieder dort spielen, wo 365 Tage zuvor noch Leichenberge die Straßen säumten. In dem Wuppertaler reifte die Idee für eine kleine Fotoserie. Und so suchte er im November 2014 all jene Orte auf, die er unmittelbar nach "Haiyan" fotografiert hatte, um die Veränderung zu dokumentieren.

Jens Grossmann (43) 2013 im Katastrophengebiet. Euin Jahr später später kehrte er noch einmal zurück und hielt im Bild fest, was sich in Tacloban zwölf Monaten nach dem Super-Taifun verändert hat. Das regte ihn zu einer Vorher-Nachher-Serie an. Wer sich für weitere Arbeiten des Diplom-Designers interessiert, sei die Homepage www.jens-grossmann.de empfohlen.

Foto: Grossmann

Die wohl beeindruckendste Begegnung hatte Jens Grossmann dabei mit einem Paar, dem "Haiyan" seine drei Kinder genommen hat. Das Foto von 2013 zeigt die Mutter auf den Resten einer türkisfarbenen Mauer sitzend, die einmal ihr Haus war. Der Blick leer, um sie herum nichts als Schutt, in den Händen einen Regenschirm, so als könne er sie vor weiterem Unheil schützen.

Kurz nach „Haiyan“ wurden die vielen Toten — man spricht von mehr als 6.000 — einfach am Straßenrand abgelegt. Es gab einfach keinen Platz für sie.

Foto: Jens Grossmann

Ein Jahr später können an der gleichen Stelle wieder Kinder spielen.

Foto: Jens Grossmann

Die simplen Hütten, die oft aus Palmholz zusammengebaut sind, hatten dem „Super-Taifun“ nichts entgegenzusetzen. „Haiyan“ hat sie dem Erdboden gleich gemacht.

Foto: Jens Grossmann

Innerhalb von einem Jahr hat sich viel getan. Viele Hütten haben die Menschen wieder aufgebaut. Stabil sind sie allerdings nicht. Einem neuen Taifun würden sie wohl nicht standhalten.

Foto: Jens Grossmann

Eifrig wird derzeit daran gearbeitet, sie wieder aufzubauen — denn für Januar hat sich niemand Geringeres als der Papst angekündigt.

Foto: Jens Grossmann

Dieses Haus sah 2013 nach dem Taifun eigentlich nicht mehr sehr stabil aus…

Foto: Jens Grossmann

… um so erstaunter war Jens Grossmann, dass sie im November 2014 noch stand.

Foto: Jens Grossmann

Die 30-jährige Shara Jean B. Pedano sitzt auf den Trümmern dessen, was einmal ihr Haus war. Ihre drei Kinder sind durch „Haiyan“ ums Leben gekommen.

Foto: Jens Grossmann

Fassungslos stehen Ronolfo P. Robin (45) und seine Frau Shara Jean B. Pedano (30) vor den Gräbern ihrer drei Kinder. Das Handy-Foto zeigt die Gräber ein Jahr später. „Die Menschen sind noch immer zutiefst traumatisiert“, sagt Jens Grossmann.

Foto: Jens Grossmann

An gleicher Stelle sitzt Shara Jean B. Pedano ein Jahr später. Nur die Reste der türkisfarbenen Mauer lassen das erahnen.

Foto: Jens Grossmann

Beinahe gespenstisch wirkt das Foto von dieser Familie, die von ihrem zerstörten Haus aus auf die Trümmerlandschaft blickt.

Foto: Jens Grossmann

Als Jens Grossman ein Jahr später das Haus wieder aufsucht und der Familie das Foto vom vergangenen Jahr zeigt, können sie sich nicht daran erinnern. Die Trümmer sind weggeräumt, große Teile des Hauses wieder aufgebaut. Aber verarbeitet sind die Schrecken des Taifuns noch lange nicht.

Foto: Jens Grossmann

Als der 43-Jährige sie bat, sich an exakt die gleiche Stelle zu setzen, hätte er diese kaum erkannt. Wände aus Palmholz erwecken den trügerischen Eindruck eines neuen, stabilen Lebens. Brüchige Illusion. Nur der kleine Überrest der türkisfarbenen Mauer erzählt von dem, was hier einmal war. Und von dem Verlust. "Die Gesichtszüge der Menschen sind wieder weicher geworden", berichtet der Fotograf. "Doch die Menschen sind noch immer traumatisiert."